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sonders kühner Gedanke, wenn wir in diesem Zusammenhang noch einmal darauf aufmerksam machen, daß der obengenannte Krug von Gerstenberg, der nach Ausweis der in ihm aufbewahrten 800 Pegauer Brakteaten in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zu setzen ist, sein Gegenstück in einem Krug aus Creglingen in Württemberg findet, den Herrmann ebenfalls abgebildet hat. Von erheblicher Be deutung ist weiterhin die Tatsache, daß sich mit Hilfe des Murrhardter Topfes ein fester Anhaltspunkt für die zeitliche Ansetzung der Tonware von Kleinbardau ge winnen läßt. Nach Herrmann ist das Murrhardter Gefäß auf Grund eines auffallend formverwandten Stückes mit Münzbeigaben aus Ungarn (Zimonyrol), das wahr scheinlich ebenfalls aus Schwaben stammt, in die 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts — etwa um 1085 — anzusetzen * * * * * 9 ). Der Brennofen von Kleinbardau kann wohl noch zu Anfang des 12. Jahrhunderts in Betrieb gewesen sein, und dieser Zeit kann die Keramik noch angehört haben. Im wesentlichen ist aber Tackenberg im Recht, wenn er sich für das 11. Jahrhundert erklärt. Jedenfalls scheint hierbei festzustehen, daß die Keramik der zweiten Fundgruppe in ihrem Beginn ein wenig später an zusetzen ist als die der ersten Gruppe, als insbesondere der Zauschwitzer Topf. Wir fassen nunmehr am Schlüsse unserer Betrachtung die beiden nordwest sächsischen Gruppen zusammen und versuchen, in Kürze ihre Bedeutung für die Erforschung der Wiederbesiedlung des mitteldeutschen Ostens darzulegen. Daß wir es bei den mit größter Wahrscheinlichkeit anzunehmenden bayrischen und schwäbischen Siedlern mit Vorläufern der eigentlichen, im Verlauf des 12. Jahr hunderts einsetzenden ostdeutschen Kolonisation zu tun haben, ist schon hervor gehoben worden. Das 10.—11. Jahrhundert ist mit einem gewissen Recht als eine Frühperiode der großen Siedlungsbewegung anzusehen. Daneben scheint aber noch eine andere Feststellung von nicht zu unterschätzender Wichtigkeit zu sein. Nach der Auffassung von A. Meitzen ist die Wiederbesiedlung des deutschen Ostens in der Hauptsache vom Niederrhein ausgegangen. Unter Berufung auf Meitzen ist nun die Meinung vertreten worden, so 1910 in einem sonst sehr aufschlußreichen Buch von E. Gutjahr, daß sich dem von Nordwesten her kommenden Hauptzug der Ostwanderung oberdeutsche Siedler — insbesondere Bayern und Schwaben — nur angeschlossen und sich lediglich mit fränkisch-rheinischen Kolonisten vereinigt hätten 10 ). Diese Auffassung entspricht nicht ganz den Tatsachen. Zwar lassen sich 1106 die ersten holländischen Siedler im Bremer Gebiet nieder; in derselben Zeit (1104) holt aber auch Wiprecht von Groitzsch die mainfränkischen Bauern nach Nordwest-Sachsen. Archäologisch gesehen, ist weiterhin die Sachlage so, daß vom Niederrhein stammende Bodenfunde, die in das 10.—11. Jahrhundert zu setzen sein würden, bisher nicht bekanntgeworden sind; Süddeutschland hingegen ist für diesen Zeitraum in Sachsen in mehreren Stücken vertreten. Nach dem, was in den vorliegenden Ausführungen vorgetragen worden ist, darf wohl die Behauptung aufgestellt werden: Für Ostmitteldeutschland sind die Süddeutschen als diejenigen anzusehen, die von sich aus den ersten Anstoß zur Wiederbesiedlung gegeben 9 ) Die Abbildung des Murrhardter Gefäßes s. bei A. Herrmann, Romanische Ton ¬ gefäße in Schwaben. Prähist. Ztschr. 26 (1935) 238, Abb. 12. Den Krug von Creglingen s. ebenfalls bei A. Herrmann, Schwäbische Tongefäße des frühen Mittelalters. Ztschr. d. Deutsch. Ver. f. Kunstwissenschaft 5 (1938) 237, Abb. 18. — Den Druckstock zum Murr ¬ hardter Gefäß stellte freundlicherweise die Schriftleitung der Prähistor. Zeitschrift leihweise zur Verfügung. 10) Zur Frage des Ausganges der Ostkolonisation vom Niederrhein s. A. Meitzen, Der Boden und die landwirtschaftlichen Verhältnisse des Preußischen Staates VI (1901) 88.— Vgl. ferner E. Gutjahr, Die Anfänge der neuhochdeutschen Schriftsprache vor Luther (1910) 37 f.