Volltext Seite (XML)
also eher für die zweite der oben angeführten Annahmen, daß nämlich die Scheibe an sich gar nicht auf germanische Vorbilder zurückgeht, sondern daß nur die Ver zierung aus germanischem Formenschatz genommen ist. Da es E. Sprockhoff ge lungen ist, die älteste Entwicklung der Schmuckscheiben aus aunjetitzischen Wurzeln in Osthannover nachzuweisen, aus denen erst die germanischen Weiter bildungen abzuleiten sind, so liegt es nahe, in jenem Gebiet auch eigene Aus prägungen anzunehmen. Zwar fehlen zunächst im Schrifttum noch entsprechende Beweise für die mittlere Bronzezeit, dafür liegen solche aber aus der jüngeren Bronzezeit vor, so in dem Hortfund von Tüschau in Osthannover 26 ) und in Wasserburg in Südbrandenburg 27 ). Gerade die letztere Schmuckscheibe weist, abgesehen von dem fehlenden Knopf, durch die Kreis- und Punktverzierung eine gewisse Ähnlichkeit mit der Scheibe von Rackel auf. Dies ist insofern von Be deutung, als sie ja ebenfalls im Gebiet der Lausitzischen Urnenfelderkultur ge funden wurde. Es besteht also die Möglichkeit, wenn nicht Wahrscheinlichkeit, daß die Scheibe von Rackel ihrer Form nach auf heimischer Grundlage erwachsen ist und nur die Verzierung vom Norden übernommen hat. Nun bietet allerdings die doppelte, nicht in der Mitte angebrachte Öse auf der Rückseite einen weiteren Hin weis für fremde Beziehungen. Diese Ösenform ist nämlich weder an den älter- bronzezeitlichen Scheiben Hannovers 28 ), noch an den germanischen Stücken und jungbronzezeitlichen Formen Mitteldeutschlands zu finden, sondern läßt sich bisher nur an einer Scheibe von Velem St. Vid 29 ), also im Ostalpengebiet, nachweisen. Dort heißt es von einer Scheibe von 8,5 cm Durchmesser: „mit zwei starken Ösen nebeneinander“. Eine weitere Scheibe von dort 30 ) besitzt zwei starke Bügelösen, die wahrscheinlich in der Form angeordnet sind, wie dies an lausitzischen und auch sächsischen Knöpfen nicht selten ist 31 ). Dies deutet eine Beziehung der Scheibe zur Lausitzischen Urnenfelderkultur und darüber hinaus nach dem weiteren Süd osten an, die allerdings weniger die Gestaltung als vielmehr den Verwendungszweck der Scheibe betrifft. Diese Doppelösen schließen nämlich den Gebrauch als Gürtel scheiben praktisch aus, denn sie lassen ja nur ein Aufhängen an schmalen Riemen zu. Für zweiösige Scheiben liegt nun ein eindeutiger Beweis ihrer Verwendung in dem Pferdegrab von Saaz 32 ) vor, in dem neben einer größeren leicht gewölbten Scheibe, zwei Scheiben mit geknicktem Rand und zwei Ösen, einer tütenförmigen und einer zu einer Spitze ausgezogenen, leicht getreppten Scheibe mit doppelten Ösen auch eine „Riemenkreuzung“ im Bereiche der Schädel zweier Pferde lagen. Dieses Grab gehört der Knowiser Kultur, und zwar der Stufe Hallstatt A, an und entspricht also der Scheibe von Rackel in der Zeitstellung annähernd. Damit findet die Feststellung von A. Pietzsch am Stück selbst durch diesen Vergleich ihre volle Bestätigung. 26) E. Sprockhoff, Niedersächsische Depotfunde der jüngeren Bronzezeit (1932) Taf. 15b und c. ”) E. Sprockhoff, Jungbronzezeitliche Hortfunde Norddeutschlands (1937) Taf. 21, 8. 28) Herr Dr. G. Bierbaum stellte mir seine eingehenden Erkundigungen bei den Herren Dr. Körner, Lüneburg, und Dr. Piesker, Hermannsburg, freundlichst zur Verfügung, wofür ihm und den genannten Herren herzlichst gedankt sei. 29) K. Frh. v. Miske, Die prähistorische Ansiedlung Velem St. Vid I (1908 ) 42 f., Typ 20, Taf. XXXVI, 50. 30) Ebenda, Typ 19, Taf. XXXVI, 49. 31) J. Frenzel, Festschrift Bautzen (1926) Taf. VI, 13; H. Seger, Prähist. Zeitschrift 1 (1909) 199, Abb. 13 und 14. 32) H. Preidel und M. Wurdinger, Spätbronzezeitliche Hügelgräber bei Saaz. Sudeta IV (1928) 107 f., Abb. 7.