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und 2 a nach Montelius gesetzt werden. Trifft diese Zeitstellung nun auch für die Rackeler Scheibe zu, wie bei flüchtiger Hinschau gefolgert werden könnte? Hier ist zunächst festzustellen, daß diese keine aus der Fläche gezogene Spitze besitzt, sondern einen kräftig abgesetzten flachen Knopf, und daß die Verzierung trotz der genannten Ähnlichkeit doch eine ganz andere ist, vor allem in ihrer Ausführung und ihrer Wirkung. Sie besitzt nämlich keine Ritzmuster, sondern tiefe breite Furchen, die durch eine farbige, wohl schwarze Pechmasse ausgefüllt waren. Dadurch entstand ein dunkles Sternmuster auf dem hellen Grund der Scheibe, eine Verzierung, die es gestattet, die Scheibe mit aller Sicherheit zeitlich und kulturell einzuordnen. Diese dunklen Sternmuster sind nämlich nicht nur eine häufige, sondern die kennzeichnende Erscheinung der Stufe 3 der germanischen Bronzezeit 22 ). Sie wurden im Norden zunächst auf Holzschalen durch Einbrennen hergestellt und dann auf Bronze schmuck, Dosen, Buckelscheiben und Doppelknöpfe, übertragen. Damit ist die Rackeler Scheibe eindeutig zeitlich festgelegt. Die kulturelle Herleitung ist dagegen viel schwieriger. Es ist nämlich eine eigentümliche Tatsache, daß es im germanischen Gebiet, in dem diese Verzierung allein geübt wird, keine Entsprechungen zu dieser Scheibe gibt, daß dort vielmehr die Gürtelscheiben dieses Sternmuster eigentlich gar nicht übernehmen. Dies liegt daran, daß die für die Stufe 2 so bezeichnenden Schmuckplatten mit Spiral-, Bogen- und Buckelverzierung mit dem Beginn der Stufe 3 überhaupt verschwinden und bis dahin kleinen und unscheinbaren, nun aber zu der Größe der Schmuckscheiben anwachsenden Gürtelbuckeln Platz machen 23 ). Diese tragen allerdings in der Stufe 3 das Sternmuster sowohl auf der Scheibe als auch auf dem, zu einem Knopf ausgebildeten, weit ausgezogenen Dorn. Die Scheibe von Rackel ist also keine germanische Schmuckform, am wenigsten etwa ein germanisches Einfuhrstück, sondern germanisch ist an ihr einzig und allein die Verzierung, während die Form als solche sowohl im germanischen als auch im ganzen norddeutschen Raum zwar bekannt ist, im ersteren aber nicht mehr zur Zeit des Sternmusters, Entweder ist demnach in Mitteldeutschland die Form der Schmuckscheibe bereits früher, also kurz vor Stufe 3, aus dem Germanischen ent lehnt und dort in bezug auf die Verzierung frei weiter entwickelt worden, wobei spätere germanische Schmuckformen wieder angewandt wurden, oder aber die Scheiben sind auch in dem nichtgermanischen Teil Nord- und Mitteldeutschlands von der Zeit der Stufen 1c und 2a her heimisch geblieben. Für die erstere Annahme könnte sprechen, daß es eine ganze Reihe von zunächst germanischen Bronzeformen gibt, die besonders durch die Lausitzische Urnenfelderkultur übernommen und dann selbständig weitergebildet wurden zu einer Zeit, als im Germanischen selbst schon längst neue Abwandlungen der Verzierung entwickelt wurden. Es mag hierbei auf die Rasiermesser 24 ), die Fibeln und schließlich auf die Doppelknöpfe 25 ) hin gewiesen werden. Gerade die letzteren verraten ja eine auffallende Verwandtschaft mit den Schmuckscheiben durch ihre Verzierung, nur daß sie erst an der Wende von der 3. zur 4. Stufe durch die Lausitzische Urnenfelderkultur übernommen werden, dann aber auch während der 4. Stufe die germanische Art weiterführen, während die nordischen Doppelknöpfe inzwischen lange Stangenaufsätze an genommen haben. Auch bei den Fibeln und Rasiermessern spielen sich die ent sprechenden Vorgänge nicht vor der mittleren Bronzezeit ab. Die l Jmstände sprechen 22) K. Kersten, Zur älteren nordischen Bronzezeit (1936). 23) Ebenda 15. 24) W. Grünberg, Rasiermesser mit Pferdekopf in lausitzischen Gräbern. Marburger Studien (1938) 70. 25) R. Moschkau, Verzierte bronzene Doppelknöpfe aus illyrischen Brandgräbern Nordwest-Sachsens. Sachsens Vorzeit (1938) 140.