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eine Unholdin, vom Kinde fernzuhalten 7 ). Rumänische Bauern von Kimpolung verwendeten Spinnwirtel als „Melksteine“ zur Heilung von Kühen, die keine Milch mehr gaben 8 ). Außer dem hier angenommenen Heilungs- und Schutzvermögen von Spindel und Wirtel wurden beiden auch divinatorische Kräfte zugeschrieben. Das zeigt ihre Verwendung in der Wahrsagepraxis. So berichtet 1455 der Leibarzt Hartlieb des Herzogs Albrecht von Bayern über einen Diebesbannzauber, der angewandt wurde, wenn ein vermißter Gegenstand wiederentdeckt und der Dieb ermittelt werden sollte. Es ist die „Probe des drehenden Brotes“, in das drei Messer und eine Spindel mit Wirtel gestochen werden mußten. Ähnlich bediente man sich der Siebwahrsagung zur Schuldprobe bei Diebstahl, wobei eine Spindel durch ein Sieb gestochen und auf einen Wirtel gesetzt wurde. Das Sieb, von zwei Personen gehalten, kam in Drehung, sobald unter den antretenden Verdächtigen der Dieb davor trat 9 ), eine von der Kirche als Gottesurteil nie anerkannte und wohl einst heidnische Praxis, bei der als Sieb ein tönernes Siebgefäß zu denken wäre. Spinnwirtel dürften auch bereits im griechischen Altertum zur Wahrsagung und Zukunftsschau nach Art des „siderischen Pendels“ gedient haben. Es kehrt nämlich der Ausdruck für den zauberisch als Pendel gebrauchten Ring oder Halswirbel gp 8vhog mit der Grundbedeutung des Drehens auch als Bezeichnung des Spinnwirtels wieder 10 ). Die angenommenen übernatürlichen Kräfte von Spindel und Wirtel durfte man auch daher ableiten, daß sie Attribute höchster Gottheiten des Altertums darstellten und deren Wesen in sich faßten. Die Moira, die den Lebensanteil bestimmende Gottheit und die Moiren als deren Verdreifachung spannen den Lebensfaden, regelten Geburt und Tod und wußten Verborgenes in Vergangen heit, Gegenwart und Zukunft zu künden. So war auch die Aphrodite Urania in Athen zur Kennzeichnung des ihr gemäßen schöpferischen Prinzips mit der Spindel dargestellt, und die Moira Eileithya, die gute Spinnerin und Geburts helferin, erhielt Spindeln als Opfer, umwickelt mit Haarlocken, wenn delische Mädchen die Hochzeit vorbereiteten 11 ). Im germanischen Glaubensbereich treten die dämonischen Gestalten der Perht und der Holda (Holle) mit deutlichen Beziehungen zum Spinnen auf, als Hüterinnen der Spinnruhe zur Festzeit des 6. Januar, Frau Holle als 7 ) A. Lütolf, Sagen, Bräuche und Legenden aus den fünf Orten Lucern, Uri, Schwiz, Finsterwaiden und Zug, Lucern 1862, S. 116 f. 8) Zeitschrift für österreichische Volkskunde, Bd. XIV, 1908, S. 137. “) Handwörterbuch des Aberglaubens, Bd. 5, Berlin und Leipzig 1932/33, S. 324 f. 10) S. Anni. 9, Bd. 8, Berlin und Leipzig 1936/37, S. 256. 11) J. J. Bachofen, Versuch über die Gräbersymbolik der Alten, 2. Aufl., 1925, S. 311. 17 257