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Sächsische Elbzeitung Sächsische Schweiz Bad Schandau, Sonnabend, den 22. Februar 1932 26. Zahrgang Nr. 49 25 Stimmen Mehrheit für Brüning Tageszeitung fnr die Landgemeinden 2Uicnoori, Kleinglcsthnöei, sticinbenners- aor,, strippen, Lichlenhain, Miltclndors, Ostrau, Porschdors, Postclwilz, Prossen, Nachmannsdors, Pcinhardtödors, Schmilka, Schöna, Wallersoors, Wcndischsährc, sowie sür das Gcsaiutstcbicl der Sächsischen Schweiz Druck und Verlag: Sächsische Elbzcilung Alma Hieke, Inh. Waller Hieke, Vcrantivortlich: Waller Hieke, Anzeigenpreis liu Tic 7gcspal!cnc :O> nun örcile PciUzcile 20 Psg„ snr answärligc Ausiraggcöcr 2.7 Pfg., mm örcile Ncllamczcile ^ll Pfg. Tabel larischer Sah nach besonderem Taris, Bei Wiederholungen wird entsprechender Nabait gewähr!, Anzeigenannahme sür in- und ausländische Zeitungen. Tageblatt für die ^rkweinl läalich nachmiliags !4'' Uhr mil Ausnahme der Tonn- und Fcicrlagc. Wg^'^ AM, -nn.chl, Tragergeldl ...r ^lbg abboler monallich l,6.'> !»M., durch die Post 2,00 AA>. einichl. BeUUlgcU. Einzcinnnimer 10, mi, Jllustriericr I,'. Pig, Pc> Prodnklionsi>c>icnctnngrn. Erhöhungen der Löhne uud Malerialicnprcise behallen wir uuS dav Recht rcr Nachsordcrung vor, ^Unterhaltung und Wissen", „Das Unterhaltungüblatt", Leben lM Bild" Ständige Wochenvenagen. ^rau und ihre Welt", Illustrierte Sonntagsbeilage: «I» -kianerschc.nen einzelner Au.nn.ern insolgc höherer Gewalt, Slrcik, Aussperrung, Betriebsstörung bercchügl „,ch. zur Bezugspreiskürzung oder zum Anspruch auf Lieferung der Heilung. Mißtrauensantrüge der Oppositionsparteien mit 28S: 264 Stimmen abgelehnt «ettin, 2«. Februar. vom Für eilige Leser. " Das Befinden des deutschen Botschafters in London, Freiherr» v. Neura th, der an Nierensteinen ernstlich erkrankt war, hat sich wesentlich gebessert, so das; er sich schon wieder mit seinen Dicnstgeschästen befassen kann. " Mt! in Pariser politischen Kreisen verlautet, läuft das irauzosisch-polnischc M i l i t ä r a b k o m m e u im April die les Wahres ab. Wie es heisst, soll die Erneuerung des Gc Heimvertrages bereits fest beschlossen sein, " Eine längere Unterredung zwischen Simon, Grandi nnd Gibson hat in Gens staltgesunden, in der, wie verlautet, die internationale Schulden und Tributsrage erörtert worden ist. Im Auftrag der französischen Regierung hat der Bot lchastcr Claudel in Washington erneut die Bersicherung abgegeben, das; zwischen Frankreich und Japan kein Geheim vertrag bestehe Reichstagspräsident Löbe stellt zu Beginn der Freitag sitnmg des Reichstags nach kurzer Gcschäftsordnungsdebatte einen Antrag der Deutschnationalen zur Beratung, der ihn auffordert, sein Amt niederzulcgen. ' Abg. Rosenberg (Nat.-Soz.) wendet sich gegen die Aus- sührungen des Reichskanzlers. Mit seiner Bemerkung. Ro senberg habe 1918 noch nicht gewusst, welches sein Vaterland sei, habe Dr. Brüning das tragische Schicksal von 10 Mil lionen Ausländsdeutschen verspottet. Die Nationalsozialisten würden abwarten, ob der Kanzler nicht demnächst vielleich! auch von sogenannten Sudetendeutschen und sogenannten — ' " . Auch der augenblickliche dt geboren, die heute zu Memeldeutschen sprechen werde. ! . Reichspräsident sei ja in einer Stadt geboren, die heute zu Polen gehöre. Der Zusammenbruch Deutschlands sei auch ein Zusammenbruch der Balten gewesen. Diese Balten hät ten jahrhundertelang um ihr Deutschtum gekämpft. Im Hammelsprung wird ein nationalsozialistischer An trag auf Herbeirufung des Finanzministers mit 180 gegen 210 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen ab- fürchtungen haben. Die Nayrnngssrecheu aus deutscher Eroc müsse sichergestellt werden. Das sogenannte Hindenburg-Ka binett habe die Landwirtschaft bitter enttäuscht. Abg. Lrispien (Soz.) erklärt, kein anständiger Mensch könne seine oft zitierte Aeuszerung dahin auslegen, das; er dem Arbeiter die Liebe zum Vaterland abspreche. Er stehe auf dem Standpunkt des ermordeten Iaurös, daß jede Na tion ein Schatzhaus der Kultur sei, daß aber alle Völker sich zu einem großen Menschheitsreich zusammenschließen müß ! für die mangelnde Ehrlichkeit des Systems. Die ganze Ver fassung sei hohl wie ein ausgefaulter Baum. Der Parlamentarismus sei erledigt, seil der Reichstag nur alle halbe Jahre zusammenkommen dürfe, um Notver ordnungen zu bestätigen, Mißtrauensvoten abzulehnen und sich selbst zu vertagen. Die Ausnahme des Art. 48 sei zur Regel geworden. Brüning sei der Gefangene des Systems geworden. Auch den greisen Feldmarschall habe man zum Gefangenen des Systems gemacht. Abg. Dr. Frick (Nat.-Soz.) beantragt nochmals die Her- beirufung des Reichsfinanzministers Dietrich. Der Antrag wird bei Stimmenthaltung der Kommunisten gegen die Rechte abgelehnt. Nach der Ablehnung erscheint Minister Dietrich unter allgemeiner Heiterkeit am Regierungstisch. Abg. Reinhardt (Nat.-Soz.) polemisiert gegen die Wirt- schafts- und Finanzpolitik der beiden Kabinette des Reichs kanzlers Dr. Brüning. Die Verheißungen des Finanzmi nisters Moldenhauer auf Steuer- und Lastensenkung seien nicht erfüllt, die Lasten seien im Gegenteil durch die verschie denen Notverordnungen unerträglich gesteigert worden. Der Finanzminister Dietrich habe sich mit seinem Optimismus bei der Veranschlagung der Steuereinnahmen in ganz unge heuerlicher Weise verrechnet. Abg. Dr. Spahn (Dnat.) kommt auf die neuesten Berichte von der Genfer Abrüstungskonferenz zurück uns äußert die Befürchtung, daß die deutsche Delegation dort eine Haltung einnehme, die mit dem in der ersten Genfer Rede des Reichs kanzlers vertretenen deutschen Standpunkt nicht vereinbar sei. ' Wir fragen den Reichskanzler, ob ec auf Grund der neuen Berichte den Leiter der deutschen Delegation Nadolny auf der Abrüstungskonferenz von Genf abberufen hat, weil er den vom Reichskanzler verlrelencn deutschen Standpunkt preisgegeben hat. Erfolgt diese Abberufung nicht, dann müßte der ganze Reichstag einmütig aus diesem außenpoli tischen Anlaß den Sturz des Reichskanzlers verlangen. (Bei fall rechts) Ich richte meinen letzten Appell an den Reichs kanzler, nach diesen letzten Ereignissen den Feldmarschall v. Hindenburg nicht mehr als Kandidaten für sein Ncgierungs syslem in Anspruch zu nehmen. Reichsfinnnzminister Mirich erwidert auf die vom Abg. Reinhardt erhobenen Vorwürfe und meint, diese Angriffe seien durch die Tatsachen in keiner Weise begründet. Der Minister erläutert nochmals die Reichsbeteiligunq an der Stützung und Zusammenlegung von Großbanken. Wir wären vielleicht in der Lage gewesen, den Sturm auf die Banken im vorigen Jahre zu bewältigen: aber dieser Sturm kam in erster Linie nicht aus dem Inland, sondern aus dem Ausland. Es sind dadurch natürlich Ver luste entstanden, an denen auch das Reich beteiligt ist. (Abg. Reinhardt (Nat.-Soz.) macht erregte Zurufe). Minister Dietrich erklärt schließlich, die von Schacht und vom Abg. Reinhardt vorgebrachten Angriffe seien zwar schädigend für den deutschen Kredit, aber sie entsprächen nicht den Tatsachen. Die Nationalsozialisten rufen fortwährend laut: „Die Schatzanweisungen! Warum erscheinen sie nicht im Monats ausweis?" Minister Dietrich antwortet: Weil sie nur halb jährlich ausgewiesen werden. (Heiterkeit b. d. Mehrheit, Wi derspruch und laute Zurufe der Nat.-Soz.) Herr Reinhardt ist übrigens ein schlechter Berater des Finanzministers, denn er hat mir in einer der wenigen Ausschußsitzungen, denen er beiwohnte, den Nat gegeben, eine Milliarde oder 800 Milli onen mehr auszugeben. (Abg. Reinhardt ruft dreimal laut: „Das ist nicht wahr!") Nach kurzer weiterer Debatte schließt die Aussprache. Präsidentenwahl am 13. März Der Wahltermin der Reichsprösrdcnlenwahl wird der Regierungsvorlage entsprechend, für den ersten Wahlgang auf den 13. März, für den eventuell notwendig werdenden zweiten Wahlgang auf den 10. April einstimmig festgesetzt. Ls folgt dann die gemeinsame namentliche Abstim mung über die von den Nationalsozialisten, Kommunisten, Deutschnationalen und der Deulschen Volksparlei einge- brachken Wißtraucnsanträge gegen das gesamte Reichska- binelt. Für diese Anträge stimmen mit den Antragstellern mich Landvolk und Soz. Arbeiterpartei. Alle übrigen varleien gelehnt. .Abg. Bausch (Chr.-Soz. Volkdieust) führt aus, seine Freunde seien immer die schärfsten Gegner des Systems ge wesen, das den Einfluß der Parteien dem Wohle des Volkes uoranstellen will. Gerade weil die Christlich-Sozialen das Vaterland über die Partei stellen, wendeten sie sich gegen das System Hitler-Goebbels, das die unbedingte national sozialistische Parteiherrschaft aufrichten wolle. Der Redner erkennt die Bemühungen der Regierung zur Belebung der Wirtschaft an, äußert aber Bedenken gegen manche Einzel heiten der Notverordnung Das Problem der Entschuldung der Landwirtschaft müsse gründlicher angepackt werden als bisher. Als der Redner sich gegen die außenpolitischen An- ariffsreden der Nechtsopposition wendet, kommen von der Rechten fortwährend Zurufe. „Sie", so schließt der Redner fort, „betrachten den Noungplan-Unlerzeichner Sclzacht als außenpolitisck-e Autorität. Sie können es nickst ertragen, daß Dr. Brüning außenpolitische Erfolge erzielt. Mit positivem Christentum hat der Nationalsozialismus nichts zu tun. Abg. Frau Juchacz (Soz.) betont die Notwendigkeit, in dieser Schicksalsstunde des deutschen Volkes auch die Stimme der deutschen Frauen zu hören. Wir Frauen wollen keinen Bürgerkrieg, wir wollen keinen Völkerkrieg. Abg. Dr. Neubauer (Komm.) wirft den Nationalsozia listen vor, daß sie nur bezahlte Gefolgsleute des Industrie- trust-Königs Fritz Thyssen seien. Der andere Tritstkönig Krupp stütze dagegen den Reichskanzler. Abg. Dr. Weber-Potsdam (Staatsp.) erklärt, er wolle seine Behauptung beweisen, daß die Nationalsozialisten auf dem Wege des politischen Mordes vorängegangen seien. Die ersten großen politischen Morde in Deutschland, die Morde -gegen Erzberger und Rathenau, seiest von rechtsradikaler Seite begangen und von den Nationalsozialisten verherrlicht worden Nach der Feststellung eines deutschen Gerichts sei ein Landarbeiter, der fälschlich des Wassenverrats an die Po lizei beschuldigt war, im Jahre 1920 durch zwei Pistolen schüsse hingemordet worden. Der zu fünf Jahre verurteilte Täter sei nach der Bekanntgabe des Urteils aus der Na- . tionalsozialislischen Partei ausgeschlossen worden, aber heule sei er Fraktionsmikglied der nationalsozialisli chcn Reichs- lagsfrakkion (Rufe: „Das ist Heines!") In der nationalsozialistischen Presse und von den na tionalsozialistischen Führern werde die politische Gewalttat glorifiziert. Dr. Goebbels hat am 16 Januar 1931 im Kric- geroereinshaus in Berlin gesagt: „Die Spannung und Em pörung in unseren Reihen ist bis zur Siedehitze gestiegen. Vielleicht findet sich darunter einmal einer, der seine persön liche Ehre identifiziert mit der Ehre der Partei und sie in der Weise, wie es ihm seine Ehre gestattet, wiederherstellt. Ich fordere nicht dazu auf, aber was der einzelne tut, kön nen wir nicht kontrollieren." (Hört! Hört! — Rufe links- „So feige verstecken sich die Hetzer!") Abg. Geschke (Komm.) ruft: Herr Groener, was sagen Sie zu Ihrem jüngsten Rekruten? Ein Hundsfott, wer diele Mörder nicht in die Reichswehr anfnimmt." (Heiterkeit b o Komm. — Präsident Löbe ersucht um Ruhe.) Abg. Schulze-Slapen (Dnat.) bedauert, daß die Ernäh- rungsfragc in der Aussprache nicht genügend Beachtung ge funden habe. Fnr die Zukunft mülle man die stärksten Be ¬ ten. Aba. Dr. Rosenfeld (Soz. Arb.-Part.) erklärt, ihm und seinen Freunden stehe Thälmann tausendmal näher als Hindenburg. Abg. Föhr-Baden (Ztr.) erklärt, in allen deutschen Län dern stehe das Zentrum einmütig auf dem Standpunkt, daß ein Ost-Locarno unannehmbar sein würde. Unter lauten Hört! Hört!-Nufen der Mehrheit zitiert der Redner die Aeußerungen Adolf Hitlers zu ausländischen Pressevertretern, daß die Nationalsozialisten keineswegs die Wiederherstellung der alten deutschen Grenzen oder die Rückgabe aller Kolonien verlangten. Hitler stabe auch die deutsckzen Südtiroler Italien preisgegeben und sich für ein Süd-Locarno ausgesprochen. Abg. Frank II (Nat.-So,z.) ruft: „Was ist denn Deutsch land dem Zentrum?" Abg. Frank wird zur Ordnung geru fen. Abg. Lucke (Wirtschaflsp.) erklärt, wer nochmals außer halb oder innerhalb des Reichstages behaupte, die Wirt- schaftspartei hätte ihre Abstimmung zugunsten des Kabinetts von finanziellen Zugeständnissen direkt oder indirekt in ir gendeiner Art abhängig gemacht, sei ein erbärmlicher Ehr abschneider und gewissenloser Verleumder. Abg. Dr. Marx (Ztr.) hebt hervor, daß seine Zusammen arbeit als Kanzler mit dem Reichspräsidenten von 1926 bis 1928 ungetrübt gewesen sei. Aber schon damals hätten manche, die sich als treue Freunde Hindenburgs betrachte ten, und als solche von ihm geschätzt worden seien, ihn we gen seiner allen staatlick-en Notwendigkeiten Rechnung tra genden und einem engen Parteistaudpunkt abholden Ein stellung nicht verstanden. Das Zentrum stehe zu Hindenburg, weil er Volkskandidat und nicht Kandidat einer Partei sei. (Beifall im Zentrum). Bevor die Ausfprache fortgesetzt wird, erklärt Abg. Jadasch (Komm.), er habe soeben ein Telegramm erhalten, wonach den bei dem Unglück aus der Karsten- Zenlrum- Grnbe in vberschlcsien geretteten 7 Bergleuten die Auszah lung des tarifmäßigen Lohnes für die unter Tage zuge- brachtc Zeit verweigert morden sei. (Widerspruch des Abg. Dr. Kleiner (Dnat.) Der Redner beantragt daher u. a., daß diese Entlohnung doch erfolgt und den geretteten Bergleuten ein achtwöchiger Erholungsurlaub gewährt wird. (Erregte Auseinandersetzungen d. Komm, mit dem Abg. Dr. Kleiner, der u. a. zürnst: „Das ist nur eine üble Parteiagitation!" „Bei einer Feier zur Ehrung der Rettungsmannschaften hat der Vorsitzende des Betriebsrates der Verwaltung seinen be sonderen Dank für ihre Hilfsmaßnahmen ausgesprochen." — Lärm b. d. Komm.) Abg. Dr. Everling (Dnat.) bezeichnet die Tatsache der Uebertraauna der Vrüuina-Rcde im Rundfunk als tnvisch Die Gesetzesvorlage über die Einfuhrzölle wurde englischen Unterhaus in dritter Lesung endgültig mit -142 gegen 62 Stimmen angenommen.