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No. 14. Sonnabend, den 4. April 1903. V. Jahrgang. Der/fandelsgärlner. Verantwortlicher Redakteur: Hermann Pilz, Leipzig, Südstrasse 33. y/ w py • geo y y _ P y Für die Handelsberichte und nanaQls-Zeitung für den deutschen Gartenbau. dnottbFThaläcker,ci Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-Gohlis. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. ö.“ „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich-Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgärtner" 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Mängel im Schutz gärtnerischer Be= triebe gegen industrielle Anlagen. Wir leben in einem industriellen Zeitalter. Das vermag heute keiner mehr zu leugnen, der mit offenen Augen in die Welt schaut und gelernt hat, über die Scholle, die er bebaut, hinwegzublicken in die Allgemeinheit der wirt- schaftlichen Entwicklung. Aber die Signatur unseres Zeitalters als des industriellen will nicht etwa so aufgefasst sein, dass nun in dieser neuen Aera etwa die Bedeutung und das An sehen der landwirtschaftlichen Tätigkeit völlig in den Hintergrund gedrängt wäre, dass Land wirtschaft und Gartenbau, die einst eine Vor machtstellung einnahmen, heutzutage überhaupt keinen Machtfaktor mehr darstellten. Es gibt volkswirtschaftliche Akademiker, die solchen hellen Unsinn bei sonst gesundem Verstände in die Welt posaunt haben. Landwirtschaft und Gartenbau nehmen heute nicht mehr die do minierende Stellung ein wie einst, es steht ihnen kein Prinzipat mehr zu, aber ihre Sicherheit, ihre Lebensfähigkeit, ihr Wohlstand sind heute noch eine unbedingte Voraussetzung der kul turellen, gedeihlichen Entwickelung der Völker und insbesondere des deutschen Volkes. Garten bau und Landwirtschaft — wir nennen das uns zunächst Liegende zuerst — müssen auch in unserem Industriestaate kräftig in ihren In teressen geschützt werden, wenn die Entwicke lung Deutschlands in aufsteigender Linie vor sich gehen soll. An diesem Schutz gebricht es vielfach. Wir wollen uns heute hier nur mit den Mängeln beschäftigen, weiche dem Schutz gärtnerischer Erzeugnisse gegen industrielle Anlagen betreffen. Die Handhabung der gesetz lichen Bestimmungen lässt hier wirklich noch viel zu wünschen übrig. Wir erinnern nur an den Privatstreit, welchen die Firma A. in Hirschberg (Schlesien) im vorigen Sommer mit der Maschinenbau-Aktiengesellschaft, vorm. Starke und Hoffmann, ebendaselbst ausfocht, und der typisch für die Behandlung solcher Angelegenheiten ist. Die genannte Gesellschaft hatte um die Genehmigung zur Errichtung einer Verzinkerei nachgesucht. Da die Verzinkereien zu den Anstalten gehören, welche nach § 16 der Gew.- Ordn. einer besonderen Genehmigung bedürfen, so musste dieselbe nach § 17 der Gew.-Ordn. öffentlich ausgeschrieben werden und etwaige Einwendungen waren innerhalb von 14 Tagen gegen die Anlage anzubringen. Gemäss diesen Vorschriften erhob A. nunmehr Einspruch mit der sehr richtigen Begründung, dass neben Staub und Russ auch Ammoniakdämpfe und salzsaure Gase bei dem Verzinken entwickelt würden, welche den zarten Gewächsen einer Gärtnerei unter allen Umständen grossen Schaden ver ursachen müssten. In Liegnitz fand herauf Termin vor dem Bezirksausschuss statt, zu dem beide Teile Sachverständigen-Gutachten eingereicht hatten. Hier stossen wir auf den ersten Mangel des überall in dieser Weise beliebten Ver fahrens. Warum ladet der Bezirksausschuss nicht einen oder mehrere Sachverständige vor, um mit ihnen gemeinsam zu beraten? Warum lässt er nicht gewissermassen gerichtliche Sach verständige die Lage beurteilen? Ist es über haupt möglich, auf Grund vorliegender schrift licher Gutachten ein klares Bild zu erlangen? Sicherlich nicht 1 Gerade unser Fall hat es bewiesen. Die Firma A. legte ein Gutachten einer Gärtnerei-Versuchsstation, einer Gartenbauschule und einer Kgl. Forstakademie vor. Ueberein stimmend werde darin dargetan, dass durch die entweichenden salzsauren Gase den gärtnerischen Kulturen Schaden, und zwar ein sehr beträcht licher, zugefügt werde, und durch die ent stehenden Ammoniakdämpfe ebenfalls eine Vergiftung der Pflanzen herbeigeführt werde. Diese übereinstimmenden Gutachten hätten, wenn man keine Sachverständigen persönlich zu Rate ziehen wollte, unbedingt zur Versagung der Genehmigung führen müssen. Was aber geschah? Fand sich in der Stadt der „reinen Vernunft“ ein hochweiser Professor der Agri- kulturchemie, der in einem Gutachten das Gegenteil behauptete, weil ja die Landwirtschaft mit Ammoniak dünge. Jeder junge Gärtner gehilfe hätte den Königsberger Professor mit dieser Weisheit auf den Sand setzen können, denn er weiss, dass Ammoniak nur Wert hat, wenn er mit dem Erdboden untermischt wird, dass dagegen Dämpfe von Ammoniak geradezu vernichtend auf Pflanzen wuchs einwirken können. Wollte der Bezirks ausschuss nun den Widerspruch lösen, so musste er eben selbst Sachverständige vor laden, unter denen die gärtnerischen aus schlaggebend sein mussten. Das geschah aber nicht. Der „Professor“ siegte am grünen Tische. Sein geheimrätliches Gutachten wurde als ausschlaggebend angesehen, und — horri- bile dictu — die Anlage genehmigt. Einige vorgeschriebene Sicherheitsmassregeln konnten den Schaden, der durch die Anlage hervor gerufen werden musste, nicht beseitigen. Solche angebliche Schutzvorschriften sind gewöhnlich nur Beschwichtigungsmassregeln, durch welche man etwaigen Vorwürfen aus dem Wege gehen will. Der grosse Mangel, an dem das ganze Verfahren auf Grund von § 17 ff. der Ge werbeordnung leidet, ist der, dass nicht von vornherein gleich Sachverständige zur Ver handlung gezogen werden müssen, welche von Amtswegen, wie bei Prozessen vor den ordent lichen Gerichten, zugezogen und abgehört werden. Das Arbeiten auf Grund von Gut achten, die die Parteien beigezogen haben und die sich, eben weil sie Partei-Gutachten sind, zumeist widersprechen werden, wird niemals die Wahrheit zu Tage fördern. Im Termin werden sich die Sachverständigen aussprechen und gegenteilige Ansichten vielleicht durch Aus sprache vereinigen können. Das mündliche Verfahren ist auch hier allein das richtige. Es darf nicht alles Sache der Parteien sein, wie es die Ausführungsanweisung vom 9. August in No. 18 anordnet, denn es liegt auch ein öffentliches Interesse vor, den nötigen Schutz zu gewähren. A. aber legte nun gegen die Entscheidung des Bezirksausschusses Rekurs ein und brachte weitere vier Gutachten gärtnerischer Autori täten bei, welche wiederum übereinstimmend erklärten, dass, auch unter Erfüllung der vor geschriebenen Schutzmassregeln, der Schaden für die Gärtnerei langsam, aber sicher eintreten müsse, denn um ein Abbeizen der rostigen Metalle mittelst Salzsäure herbeizuführen, müssten die Bäder immer so stark sein, dass eine Ver dunstung der Salzsäure stattfände. Auch müssten, da der Fabrikraum für die Gesundheit der Ar beiter besonders viel Ventilationseinrichtungen enthalte, trotz der Exhaustoren und Absorptions- einrichtungen sehr viel Gase auf die nur 32 m entfernt liegende Gärtnerei entweichen. So hatte der Rekurs Aussicht auf Erfolg. Was aber geschah? Die Fabrik baute einfach die Verzinkanstalt und begann mit dem Verzinken, ohne im Besitz der Genehmigung zu sein. Die Polizeibehörde inhibierte freilich später den Betrieb wieder. Aber der Bezirksausschuss hatte ja nach § 19a der Gew.-Ordn. das Recht, der Maschinenbauanstalt die Ausführung der Anlage trotz des Rekurses zu gestatten und es fehlte nur an einem diesbezüglichen Antrag. Auch eine solche gesetzlich eingeführte vor läufige Konzession halten wir für einen Mangel des ganzen Verfahrens. Die Bestimmung ist durch die Novelle vom Jahre 1900 eingeführt worden und vermindert den Schutz der bedrohten An lagen. Zwar kann dem Bauausführenden Sicher heitsleistung aufgegeben werden, aber auch damit wird z. B. einem Gärtnereibesitzer, dessen Kulturen bedroht sind, kaum gedient sein. Es ist früher ohne eine solche Bestimmung ge gangen, und wäre auch ohne eine solche weiter gegangen, wenn nicht eben die Konzessionen an die Industrie wieder im Vordergründe ge standen hätten. Wir halten diese Bestimmung für eine höchst unglückliche. Auch in dem vorliegenden Falle sind übrigens die Interessen der Industrie wieder über diejenigen der Gärt nerei gesetzt worden. Die Direktion der Ma schinenfabrik hatte besonders betont, dass die Verzinkerei hauptsächlich für die Talsperre bei Marklissa umgehend benötigt würde und damit scheint sie den Bezirksausschuss für sich ge wonnen zu haben. Das aber ist das Bedenklichste bei der ganzen Angelegenheit. Es lässt sich nicht leugnen, dass in den Fällen, wo die landwirt schaftlichen, bez. gärtnerischen Interessen mit denen der Industrie bezüglich einer Neuanlage in Konflikt geraten, zumeist die Industriellen im Vorteil sind. Man ist nur zu leicht geneigt, die industriellen Anlagen über die gärtnerischen zu setzen, in der Meinung, dass in unserem industriellen Zeitalter doch vor allem der In dustrie ihre Entwicklung gewährleistet und ge fördert werden müsse. Das ist an sich zweifel los richtig und wir haben nichts dagegen ein zuwenden. Aber dieses Entgegenkommen der Industrie gegenüber darf nicht dazu führen, dass landwirtschaftliche, bez. gärtnerische wohl begründete Interessen hintangesetzt werden. Wie der vorliegende Fall, so sind tausend andere beschaffen. Die gärtnerischen Kulturen waren früher da als die industrielle Anlage, die erst geschaffen werden soll. In solchem Falle muss doch der Priorität der Schutz werden. Es gilt das Bestehende gegen das Ent 1 Feuilleton. Frühlingsstürme. Gärtner-Roman aus der Gegenwart von Alfred Beetschen. 13. Fortsetzung. Nachdruck untersagt Neunzehntes Kapitel. Die Blumenhandlungen der Universitätsstadt, in deren Musentempel Margot Friedel ihre Provinz-Triumphe feierte, hatten diesmal, unmittelbar vor dem Schluss der Theater saison, eine verhältnismässig grosse Anzahl von Bestellungen bekommen. Lorbeerkränze mit meterlangen, buntfarbigen Seiden schleifen, herrliche Blumenkörbe mit Marechal Niel und Orchideen, sowie kostbare Arrangements, bei denen Nelken, Magnolien und La France-Rosen nicht gespart zu werden brauchten, mussten binnen vierundzwanzig Stunden für den Ehren- und Benefizabend des Fräulein Friedel geschafft werden. Die kunstsinnigen Kreise der Stadt, vornehmlich aber die Theaterstammgäste der Studentenschaft wollten für diesen aussergewöhnlichen Abend, für ihren verhätschelten Liebling, ein übriges tun. So spendeten sie denn nicht nur Beifall, sondern auch Buketts und Kränze mit vollen Händen. Fräulein Friedel hatte für ihren Gala-Abend die Rolle der Rosa in dem bekannten Volksstück „Hasemanns Töchter“ gewählt, und dass sie nun als älteste der drei Töchter des Landschafts gärtners Hasemann so viel Blumen einheimsen durfte, gab dem Ganzen einen besonderen, intimen Reiz. Die beliebte Benefiziantin erfreute sich eines grossen Erfolges, den sie freilich weniger der geistigen Ausarbeitung ihrer Rolle, als dem Zauber ihrer Persönlichkeit verdankte. Sie sah auch sehr hübsch aus, wodurch sie bei den Gründlingen des Parketts schon nach den ersten Scenen gewonnenes Spiel hatte. Margot Friedel, welcher der Stolz über die empfangenen Auszeich nungen aus den schönen Augen blitzte, lächelte bald hierhin, bald dorthin, warf ab und zu einen vielsagenden Blick in die Loge des Herrn von Reizenstein, nickte gelegentlich einer be kannten Dame zu, kurz, sie spielte, wie man zu sagen pflegt, auf die ungenierteste Weise ins Publikum, ein Schauspieler kniff, der an besseren Bühnen verpönt ist, hier aber keines wegs Anstoss erregte, — im Gegenteil. Das Publikum fühlte sich angesichts eines so selten familiären Kontaktes zwischen Bühne und Zuschauerraum ausserordentlich angeregt und beifallslustig. Auch Fritz Liermann erhaschte zu wiederholten Malen einen ihm persönlich geltenden Blick aus den Augen der koketten Schauspielerin, die es so vortrefflich verstand, stets zwei Eisen und mehr im Feuer liegen zu haben. Nach der Aufführung, die mit mehrfachem, stürmischem Hervorruf der Heldin des Tages endigte, fanden sich einige Freunde und Kollegen der Friedel im Künstlerzimmer des Theaterrestaurants zusammen. Unter den ersteren befanden sich Fritz Liermann und der Mediziner Hugo von Reizenstein, unter den letzteren der Darsteller des Gärtners Hasemann, Herr Schmederer, der die Stellung eines Regisseurs bekleidete und die Verkörperung sogenannter „komischer Väter“ besorgte. Auch die komische Alte, Fräulein Bachei, eine schon bald sechzigjährige Matrone, die in der ganzen Stadt bei allen möglichen Veranstaltungen herumrezitierte, in den Familien ihres unterhaltsamen Wesens wohl gelitten, hinter den Kulissen der städtischen Bühne da gegen wegen ihres erbarmungslosen Klatschmaules sehr ge fürchtet war, gehörte mit zu der kleinen Gesellschaft. Margot, die vor Glücksgefühl ordentlich strahlte, hatte ein paar Rosen und einige Fliederzweige, die sie sich heute erobert, in ihren Gürtel gesteckt. Sie war seelenvergnügt und bestellte beim Kellner, was gut und teuer war. „Ach, lieber Herr Liermann“, schmachtete sie den sie mit den Blicken verschlingenden Juristen an, „ich hätte eine grosse Bitte an Sie!“ Fritz durchschauerte ein Wonnegefühl. Er markierte gänzliche Ergebenheit. Wenn ihn sein Ideal geheissen hätte, den Rock abzulegen und mit Herrn von Reizenstein einen Box kampf zu beginnen, er würde keinen Augenblick gezögert haben, den Wunsch seiner Herzensdame zu erfüllen. Er schaute Margot fragend an. Seine fiebrisch glän zenden Augen fragten: „Nun?“ Nun, was soll’s? dachte sich auch sein Rivale, der edle und lange Baron Reizenstein, dessen Hals in einen ungeheuren Stehkragen eingezwängt, und dessen Knopfloch mit einer Gardenie geschmückt war. „Ich möchte Sie bitten, lieber Freund, meinen Eltern ein Telegramm über den Verlauf meines Ehrenabends zukommen zu lassen“. „Aber selbstverständlich, — mit Vergnügen“, stotterte Fritz einigermassen ernüchtert von dem prosaischen Auftrag. „Darf ich um den Wortlaut der Depesche bitten?“ „Den überlasse ich Ihnen; Sie wissen schon, wie ich’s meine. Kurz und gut und wahrheitsgemäss. Meinetwegen: „Bombenerfolg, sechzehn Hervorrufe“ u. s. w. Die Adresse wissen Sie! “ „Boni Wird gemacht!“ replizierte Fritz mit einer Amts miene, als ob er einen armen Sünder zu verteidigen gehabt hätte. Dann schritt er hocherhobenen Hauptes hinaus, um seiner Mission stehenden Fusses nachzukommen. „Aber würklich“, trillerte Fräulein Bachei, welche jedes „i“ in ein „ü“ zu verwandeln liebte, „aber würklich, ein reizender Mensch, düser Herr Lüermann!“ „Sehr willig und gut erzogen“, machte Schmederer- Hasemann mit zwinkernden Augen. „Hat alle Anlagen zum Ritter Toggenburg“. „Auch poetische!“ bemerkte der Mann im hohen Steh kragen trocken. „So? — Davon wüsst’ ich ja noch gar nüchts!“ forschte die komische Alte, indem sie ihre lauernden Blicke im Kreise herumgehen liess. „Jawohl, es passieren mehr Dinge zwischen Himmel und Erden, als unsere Hochschulweisheit sich träumen lässt“, nahm der elegante Baron wieder das Wort, indem er nach denklich seine langen Fingernägel betrachtete. „Gehört eigent lich unter Unglücksfälle und Verbrechen!“ „Pfui, Hugo!“ erwiderte Fräulein Friedel mit ihrem reizendsten Schmollgesichtchen. „Na ja, — ich meine ja nur! Wen von uns hat’s nicht mal gedichtert! Nicht wahr, Herr Schmederer?“ Das hagere Männchen mit dem faltenreichen Gesicht und der mächtigen Glatze kicherte vor sich hin. „Wenn unsere Friedel eine Probe zum besten geben mag, — wie Gott will, — ich halt’ still!“ „Aber ja doch! Ein geradezu süperber Gedanke!“ kreischte Fräulein Bachei auf, indem sie vor Aufregung ihr Glas bis auf den letzten Tropfen leerte. „Wir sützen nun so fröhlich