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No. 34. Sonnabend, den 22. August 1903. V. Jahrgang. Derjfandelsffärfner. Verantwortlicher Redakteur: Hermann Pilz, Leipzig, Südstrasse 33. Üandels-Zeitung für den deutschen Gartenbau. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Für die Handelsberichte und den fachlichen Teil verantwortlich: Otto Thalacker, Leipzig-Gohlis. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G." „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oester reichemngarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgartner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Pr incipia immobilia ! Der „Verband der Handelsgärtner Deutsch lands“ schliesst als Mitglieder in der Mehr heit produzierende Gärtner ein und diese wie der sind zum grössten Teile Spezialisten, bez. Grosskulturgeschäfte, die nicht direkt mit dem Publikum arbeiten, sondern an Platzgeschäfte und kleinere Handelsgärtnereien ihre Waren absetzen. Der Verband sollte somit die Ver tretung des Grosshandels bilden, und unbedingt klare, feste Grundsätze entwickeln. Das ist leider nicht der Fall. Der Beschluss, welcher vor 3 Jahren in Braunschweig gefasst wurde, und nach welchem auch Herrschaftsgärtnern, oder deutlicher Privatleuten — denn nicht die Gärtner, sondern die Besitzer dieser herrschaft lichen Gärten geben meist die Bestellungen auf — das Inseratenblatt zugängig gemacht werden sollte, war ein Rückschritt. Mit der Annahme jener Vorschläge war das Schicksal des Inse ratenteiles besiegelt. Auch wir haben damals rückhaltlos unser Erstaunen über diesen Be schluss ausgedrückt; wir haben es als einen grossen Fehler bezeichnet, in einer Zeit, wo jeder Handel sich zentralisiert, wo die Not wendigkeit des Zwischenhandels nirgends mehr Berechtigung hat als in der Gärtnerei, dass man sich damals um das Inseratenblatt des Verbandes lebensfähig zu machen, auf eine abschüssige Bahn begab. Wir haben richtig prophezeit, das Vertrauen der auf sicheren Grundsätzen arbeitenden Grossfirmen ist er schüttert und alle Anstrengungen, die vom Verbände heute unternommen werden, das Inseratenblatt nutzbringend zu machen, müssen im Sande verlaufen. Zu der letzten Hauptversammlung in Dort mund hatte nunmehr eine Reihe der ange sehensten Erfurter Firmen — es waren 16 Namen unterzeichnet — den Antrag ein gebracht, man möge den früheren Beschluss der Braunschweiger Versammlung rückgängig machen und darauf achten, dass der Inseraten teil des „Handelsblattes“ nicht mehr an grös sere Privatgärtnereien gelangt, sondern aus schliesslich an Samenhändler, Handelsgärtner, I Baumschulenbesitzer, Blumenhändler, also an ( Wiederverkäufer gerichtet werde. Dieser Antrag war folgendermassen begründet: „Es wird ununterbrochen Klage darüber „geführt, dass dem Handelsgärtner seitens „der Instituts- und grösseren Privatgärtnereien „eine schwierige Konkurrenz bereitet werde, „die dazu noch in der Lage sei, aus man- „chen Gründen billiger zu produzieren und „zu liefern, als der Handelsgärtner. Bei „diesen fortwährenden Klagen erscheint es „nicht angemessen, dass das vom „Verband „der Handelsgärtner“ herausgegebene Inse- „ratenblatt an diese Adressen kommt und „jene Leute, die seitens der Handelsgärtner „als eine lästige Konkurrenz empfunden wer- „den, in den Stand setzt, ihre Einkäufe an „Pflanzen, Samen, Blumenzwiebeln usw. zu „den gleichen Preisen zu machen, wie der „wirkliche Handelsgärtner. „Abgesehen von dieser direkten Schädi- „gung der kleinen Handelsgärtner durch die „Versendung des Blattes an Privatgärtner „entstehen für den grossen Handelsgärtner, „der im „Handelsblatt“ inseriert, die grössten „Unannehmlichkeiten, wenn er Bestellungen „auf Grund der „Anzeigen an Privatgärtner“ „ausführt. Erfahren die wirklichen Engros- „kunden dies, so kündigen sie ihrem Liefe- „ranten die Freundschaft, weil er auch an „Privatgärtner liefert. Die letzteren aber „können verlangen, dass Bestellungen, die „auf Grund der Anzeigen im „Handelsblatt“ „von ihnen gemacht werden, zu den dort „angegebenen Preisen aufgeführt werden, „wenn sie nachweisen, dass sie dasHandels- „ blatt zugesandt erhalten. „Es existierten schon vor Gründung des „„Handelsblattes“ Anzeigenblätter genug, „deren Adressenmaterial für die inserierenden „Handelsgärtner nicht kontrollierbar ist; von „einem Blatte, welches vom „Verband der „Handelsgärtner“ herausgegeben wird, er- „wartet man aber, dass es ein genau kon- „trollierbares Adressenmaterial und mit Rück- „sicht auf den obigen Antrag für die Folge „ein Adressenmaterial nur von wirklichen „Handelsgärtnern etc. besitzt. Dieser höchst wichtige und weitgehende Antrag ist unbegreiflicherweise mit grosser Stimmenmehrheit abgelehnt worden. Wir finden nur eine Entschuldigung dafür, d. h. die Mehr zahl der Delegierten hat sich von den plan losen Ansichten einiger Redner beeinflussen lassen; die Tragweite der Abstimmung war ihnen aber durchaus nicht bekannt. Eins ist klar, dem Inseratenblatt ist damit das Urteil gesprochen worden. Denn, wenn die Ver handlungen später an die Oeffentlichkeit kommen, wenn die angesehensten Firmen, ebenso wie die kleineren Handelsgärtner fühlen, dass auf diese Weise ihre Interessen schwer geschädigt werden, werden sie das Verbandsblatt noch weniger beim Einkauf berücksichtigen, als bisher. Die Debatte wurde in einer Form gegen den Ver treter der Erfurter Antragsteller geführt, dass diese Auslassungen auf den vorurteilsfreien Zu hörer einen höchst befremdlichen Eindruck aus üben mussten. Es hatte den Anschein, als wenn ein gewisses Konsortium erfreut sei, den Erfurter Geschäften „etwas anhängen“ zu können und eine ganze Anzahl sonst vernünftiger und ernst zu nehmender Männer reagierte hierauf. Selbst vom Vorstandstisch aus wurde leider wieder holt Stimmung dagegen gemacht, wenngleich es zweckmässiger gewesen wäre, von dieser Stelle aus bei solchen Anträgen in der sachlich- sten Weise klärend und richtigstellend einzu greifen. Wir können unmöglich auf die sich an den Antrag knüpfende Debatte näher ein gehen, halten es aber für unrichtig, dass man den Erfurter Antrag ablehnte. Auch die be leidigende Form, mit welcher einer der Gegner, — wir wollen seinen Namen hier nicht nennen, es wäre das zu viel Elir e — die Verhältnisse in Erfurt kritisierte, hätte den Vorsitzenden ver anlassen müssen, jenen Herrn mindestens zur Ordnung zu rufen. Der „Verband der Handelsgärtner Deutsch lands“ steht doch nicht so über alles erhaben da, dass er die Mitarbeit und Unterstützung einer so wichtigen Interessenten-Gruppe, wie es die Erfurter Firmen sind, zurückweisen sollte! Ging doch einer der Gegner so weit, zu erklären, dass an der Hand einer statistischen Zusammenstellung die Erfurter Geschäfte sehr wenig inserierten und deshalb gar keine Be rechtigung hätten, über die Einrichtung, bez. die Handhabung des Versandes beim Inseraten blatt zu urteilen! Es ist aber wohl jedem mit den Verhältnissen einigermassen Vertrauten bekannt, dass die Erfurter sehr wichtige Käufer sind, dass sie nur einen kleinen Teil der Topf pflanzen, Bäume, Sträucher etc. selbst heran ziehen, wie das auch der Delegierte der Er furter Gruppe sehr richtig betonte. Aber das alles schien ganz gleichgültig zu sein. Man ist der irrtümlichen Meinung, dass nur Inserate für ein Annoncenblatt nötig sind und die kaufenden Firmen als etwas Nebensächliches behandelt werden müssen. Jedenfalls hat man die Erfurter als Käufer unterschätzt. Dabei hatte es für uns den Anschein, als wenn die jenigen Redner, welche den Erfurter Antrag bekämpften, sich von rein persönlichen Gründen leiten liessen. Wir haben beispielsweise von den Berliner Handelsgärtnern und deren Ge schäftstüchtigkeit eine sehr hohe Meinung, aber während der Debatte versagten alle Grund sätze des Grosshandels, überhaupt die Berliner Geschäftsusancen vollständig. Man erging sich in nutzlosen Vorwürfen über die Schleuderei einzelner Erfurter Firmen, über die Konkurrenz, die der dortige ausge dehnte Katalogversand bereitete usw. Dabei schien man aber die Bedeutung des Antrages und seine unbedingte Notwendigkeit ganz über sehen zu haben, und wir sind überzeugt, dass ein Fremder, dem die Verhältnisse total unbe kannt waren, zu der Ansicht hätte kommen können: der Antrag kommt aus Erfurt, — er muss fallen. Dem „Verband der Handelsgärtner Deutsch lands“ liegt, sowie er seit 11 Jahren, seitdem die Leitung in Berlin ist, stets bestrebt war, viele Mitglieder zu gewinnen, als die vor nehmste Pflicht nahe, auch den kleinen Handels gärtner zu stützen und zu halten. Das einzige, was er diesem Mann bieten kann, ist, dass er dessen Interessen zu den seinigen macht und alles daran setzt, ihn in seinem schweren wirt schaftlichen Kampf die Hand zu bieten. Durch die Ablehnung des Antrages der Erfurter Firmen ist diese Unterstützung den Kleinge- Der Bankdirektor. Roman von Reinhold Ortmann. 7. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Endlich glaubte sie seine stattliche Gestalt am Ende der Strasse zu erspähen. Zum erstenmal seit dem Tage ihrer Verheiratung trieb es sie, ihm entgegenzueilen. Er sollte auf den ersten Blick erkennen, dass sie ihr Unrecht eingesehen habe, und dass sie bereit sei, es wieder gut zu machen. An der Gittertür des Gärtchens erwartete sie ihn, und ihr Herz klopfte ungeduldig, da er seinen Schritt nicht beschleunigte, obwohl er ihre schlanke Gestalt längst wahrgenommen haben musste. Und wie er nun näher kam, wirkte der Anblick seines finsteren Gesichts merkwürdig erkältend auf ihre eben noch so ungestüm freudige Erregung. Sie wusste ja, dass es ihm nicht gegeben war, seine Empfindungen stürmisch oder auch nur lebhaft zu äussern; aber ein freudiges Auf leuchten in seinem Antlitz, ein liebevolles Lächeln, einen winkenden Gruss hatte sie denn doch erwartet. War es ihre Schuld, wenn jetzt auch sie trotz ihres übervollen Herzens kein anderes Wort des Willkommens fand, als es jederzeit zwischen ihnen üblich gewesen war? Stumm ging sie an seiner Seite in das Haus, und in mühsamen, einsilbigem Ge spräch setzten sie sich eine Viertelstunde lang bei dem ein fachen Abendimbiss gegenüber. Dann aber duldete es die junge Frau dennoch nicht länger in diesem Zustande unnatürlicher Spannung. Wenn auch dieser Abend vorüber ging, ohne dass das alte herz liche Verhältnis zwischen ihnen wieder hergestellt wurde, so war es mit dem Glück ihrer Ehe — diesem ach so beschei denen Glück — für immer vorbei, und was in ihren Kräften stand, wollte sie tun, um das zu verhindern. So erhob sie sich denn in dem Augenblick, da er seinen Teller mit den kaum berührten Speisen zurückschob, und trat au seine Seite. Ihre Hand leicht auf seine Schulter stützend, sagte sie mit bebender Stimme: „Ich habe heute mittag töricht und unüberlegt gesprochen wie ein Kind. Sei mir darum nicht böse, Friedrich! — Und hole den Hund zurück — ich bitte Dich von Herzen, hole ihn zurück!“ Es war ihr nicht leicht geworden, so unvermittelt und ohne jede Hilfe von seiner Seite ihre Schuld und ihre Reue zu bekennen; nun aber war es geschehen, und jetzt musste er sie versöhnt in seine Arme schliessen; denn es wäre un-. edel und lieblos gewesen, eine noch tiefere Demütigung von einem Weibe zu fordern. Doch Püttner rührte sich nicht. Nur sein Gesicht kehrte er ihr langsam zu, und es war etwas seltsam Fremdes und Kaltes in dem Blick, mit welchem er zu ihr aufsah. „Es tut mir leid, dass ich Dir diesen Wunsch nicht ebenso bereitwillig erfüllen kann als den früheren“, sagte er, „er kommt eben um einige Stunden zu spät; denn der Hund, den Du so bitterlich hasstest — er ist tot!“ „Tot?“ wiederholte Magda unsicher, und ohne dass sie es merkte, glitt ihre Hand von seiner Schulter. „Ja, ich habe ihn vergiften lassen, da ich nicht wollte, dass er von anderen zu Tode gepeinigt würde.“ Sie atmete schwer. Etwas wie eine Empfindung des Grauens legte sich bedrückend auf ihre Brust. „Das hättest Du nicht tun sollen, Friedrich! Golt weiss, dass ich geschwiegen hätte, wenn mir der Gedanke an eine solche Möglichkeit gekommen wäre.“ Auch Püttner war jetzt aufgestanden, und sein ruhiges, blasses Gesicht war dem ihrigen ganz nahe, als er langsam erwiderte: „Es bedarf keiner Rechtfertigung und keines Bedauerns, Magda. Der Anblick des Tieres machte Dich unglücklich, und das war mir genug. Als Du mir Deine Hand reichtest, hofftest Du glücklich zu werden. Es steht leider nicht in meiner Macht, etwas daran zu ändern, wenn diese Hoffnung Dich betrogen haben sollte. Ich kann nicht durch irgend ein Zauberwort das Glück herbeirufen, das sich nicht freiwillig einstellen will. So weit ich aber imstande bin, von Deinem Lebenswege zu entfernen, was Dich traurig und unglücklich macht, so weit soll es gewiss jedesmal geschehen.“ Er ging hinaus und Magda öffnete die Lippen nicht, um ihn zu halten. Ihr Herz war übervoll; aber sie hatte ihm dennoch nichts zu sagen. Wäre sie denn imstandegewesen, ihm zu widersprechen, ihm mit der überzeugenden Wärme der echten Liebe zuzurufen, dass er in einem traurigen Irr- turne sei? Nein, nein und tausendmal nein! Deutlicher als je zuvor hatte sie ja in dieser Stunde gefühlt, dass es nicht das Glück sei, was sie an seiner Seite gefunden, und dass ihr niemals das Glück erblühen werde in der kühlen fro stigen Atmosphäre dieses Hauses, die sie beklemmend durch schauert hatte, als sie zum erstenmal ihren Fuss über die Schwelle gesetzt. Sie sah ihren Gatten an diesem Abend nicht wieder, und als er in später Stunde das Schlafzimmer betrat, schloss sie die Augen, ais ob sie schliefe. VII. In freudloser Gleichmässigkeit und Stille schlichen seit dieser Stunde die Tage dahin. Es gab zwischen den beiden Gatten keine neue Auseinandersetzung, die zu einer peinlichen Szene hätte führen können, aber es gab zwischen ihnen auch keine warme, herzliche Unterhaltung, die dem einen oder den anderen einen liebevollen Versuch der Annäherung möglich gemacht hätte. Sie verkehrten höflich und freundlich mitein ander wie zwei Menschen, die der Zufall zu Hausgenossen machte und die doch kein Bedürfnis fühlen, aus der bestän digen äusseren Berührung eine innige Seelengemeinschaft er stehen zu lassen, und langsam, ganz langsam, doch jedem von ihnen nur zu deutlich erkennbar, erweiterte sich von Tag zu Tag die gähnende Kluft der Entfremdung, über die es nach ihrem innersten Empfinden keinen Weg der Vereinigung mehr gab, wenn nicht etwas Unvorhergesehenes, Wunderbares die Brücke schuf, auf der sie sich begegnen konnten. Und woher hätte dieses Wunderbare kommen sollen in dem öden Einerlei ihres träge dahinfliessenden Lebenslaufes I Hier und da hatte Friedrich Püttner wohl noch wie in den ersten Monaten ihrer Ehe seine junge Frau aufgefordert, ihn in ein Theater oder Konzert zu begleiten, aber da seine Ein ladung jedesmal unter wenig stichhaltigem Vorwande abge lehnt worden war, hatte er es bald aufgegeben, sie durch Zerstreuung solcher Art erheitern zu wollen. Und Magda litt fast beständig unter einer so unwiderstehlichen, nicht ab zuschüttelnden körperlichen und geistigen Müdigkeit, dass sie in ihren Mussestunden nicht einmal bei einem Buch flüchtige Erholung suchen mochte. So sass sie auch an einem späten Nachmittage — etwa zwei Monate nach Randows Entfernung — allein und untätig in dem dunkelnden Wohnzimmer, das ihr jetzt oft fast uner träglich düster und einsam schien. Sie hatte die Absicht gehabt, ihrer Mutter einen Besuch zu machen, aber sie hatte ihr Vornehmen noch in der letzten Minute wieder aufgegeben. Es war ihr so schmerzlich, die Rechnungsrätin immer wieder in der überschwenglichsten Weise von dem grossen, benei denswerten Glück reden zu hören, das ihre Tochter an der Seite des edelsten und hochsinnigsten Mannes gefunden, und es kostete sie grosse Mühe, bei diesen Freudensergüssen der ahnungslosen alten Dame das erlogene Lächeln festzuhalten.