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seine Uebertretungen sehen nnd sich innerlich selbst strasen könnte, ich habe nvch keinen angetrofsen, der recht thäte!" Eine Tugend ist bei den Chinesen bekanntlich über alles geachtet: die kindliche Pietät, die erste und wichtigste Pflicht des Menschen, denn seinen Eltern soll er dienen nnd sie ver ehren zu ihren Lebzeiten und nvch nach deni Tod. Gewiß verdankt China der tief ins Volksleben eingedrungenen Auf fassung von der elterlichen Autorität zu einem guten Teil seinen vieltausendjährigen Bestand. Es ist mir geradezu ein Rätsel, wie bei der äußerst mangelhaften Kindererziehung, da doch die Eltern den Kindern in allem den Willen lassen und sie nie vernünftig, sondern höchstens einmal in leiden schaftlichem Zornesausbruch znrcchtweisen und bestrafen, wie da mit einemmal, wenn der jnnge Bursche größer geworden ist, die allgemeine Vvlkssitte eine solche Gewalt über ihn bekommt, daß er, das ungezogene Bürschchen von ehedem, sich nun willig und gehorsam unter die väterliche Autorität fügt und sogar imstande ist, seinem Vater den Stock zu über reichen, wenn er glaubt, eine Züchtigung verdient zu haben. Aus der Verehrung der Eltern, die auch noch nach ihrem Tod sortdauern soll, hat sich nun aber seit undenklicher Zeit die Anschauung gebildet, daß die Geister der Verstorbenen einen Einfluß haben auf die Geschicke und das Wohlergehen der Leben den, und der Ahnen dien st ist der eigentliche Gottesdienst der Chinesen geworden. Konfuzius hat ihn vorgefunden und sanktioniert, die Buddhisten und Taoisten haben sich"rhn zn- geeignet, ja sogar die weltklngen Jesuiten haben sich mit ihm abgefnndenj weil er ihnen zu übermächtig erschien. Ter Ahnen dienst ist das Haupthindernis, das sich einer jeden Missions- thätigkeit entgcgenstellt, wohl gerade darum, weil iu der groben Schale menschlicher Lüge und Entstellung ursprünglich ein richtiger Kern, das „Ehre Vater und Mutter", enthalten ist. Der Chinese kennt.fünf Ideale: Reichtum, Ehre, langes Leben, Kindersegen nnd ein ruhiges ^nde. „Mögen die fünf Glückseligkeiten bei mir einziehen", ist ein Spruch, den man über der Thüre mancher chinesischen Wohnung liest. Unter einem ruhigen Ende versteht der Chinese, daß er keinem Tiger oder, ums gleichbedeutend ist, keineni Mandarinen in die Hände falle.