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Verschuldung der kleinen Landgemeinden > in Preußen. Bei den 50 702 Gemeinden unter 10 000 Einwohnern, die eine Gesamteinwohnerzahl von über 33 Millionen haben, waren 1928 29 974 verschuldet mit einer Ein wohnerzahl von 24,l Millionen. Aus der Tatsache, daß 1928 noch eine große Anzahl von Landgemeinden unver schuldet waren, dars nicht etwa der Schluß gezogen werden, als stünden diese kleinen Gemeinden finanziell viel gün stiger da als die stark verschuldeten, zum Teil unter Zwangsverwaltung stehenden großen Städte. Die kleinen Gemeinden waren durchweg gar nicht so kreditfähig, als daß sie Anleihen oder Kredite hätten aufnehmen können. Weiterhin haben sie außerordentlich sparsam gewirtschaftet. Schließlich muß besonders hervorgehoben werden, daß der kommunalen Schuldenfreiheil eine sehr hohe privatwirt- schaftliche Verschuldung gegenübersteht. Sie ist zum Teil mit darauf zurückzuführen, daß die kleinen Gemeinden, die keinen Kredit aufnehmen konnten, zur Erfüllung ihrer zwangsläufigen gesetzlich festgelegten Aufgaben, gezwun gen waren, die Realsteuerzuschläge übermäßig anzu spannen. Die mangelnde Kreditfähigkeit und die über mäßige Anspannung der Realsteuerzuschläge lassen daher die Schuldenfreiheit bei Tausenden von Landgemeinden im besonderen Lichte erscheinen. Im übrigen ist es zweifelhaft, ob die Schuldenfreiheit Ende 1930 noch in dem Umfange besteht. Meder Mißbrötchen in GafilvirWasten. Änderung des Brotgesetzes für Preußen. Der preußische Minister für Handel und Gewerbe hat zusammen mit dem preußischen Landwirtschaftsminister angeordnet, daß in Zukunft auch in Gast-, Speise- und Schanlwirtschaften Weizenkleingebäck im Stück gewicht bis 50 Gramm angeboten, feilgehalten oder ver kauft werden darf, wenn gleichzeitig in gleicher Weise auch Roggenbrot, Mischbrot usw. feilgehalten wird. Des weiteren sind die Regierungspräsidenten er mächtigt worden, auch Ausnahmen von derjenigen Be stimmung der Notverordnung zuzulassen, die vorschreibt, daß anderes als nach den Vorschriften von Paragraph l des Brotgesetzes hergestelltes Brot, also Weizenbrot usw., nur unmittelbar von einer bei Inkrafttreten der Not verordnung bereits bestehenden gewerblichen Nie derlassung aus verkauft werden darf. Das gärende Indien. Attentat aus den indischen Gouverneur. Keine schwere Verletzung. Während einer Feier in der Universität von Lahore wurden aus den Gouverneur von Pundschab, Sir Geof frey de Montmorency, mehrere Schüsse abgefeuert. Wie verlautet, sollen seine Verletzungen nicht schwerer Natur sein. Zwei Polizeibeamte und eine Ärztin wurden ebenfalls verwundet. Zwei Studen ten sind verhaftet worden. Neunköpfige Familie vergiftet. Ein Ehepaar mit seinen sieben Kindern. In einem Dorfe bet Preßburg hatten der seit Monaten beschäftigungslose Arbeiter Joseph Lomnicky und seine Frau in Verzweiflung über das dauernde Hungcrelend beschlossen, mit ihren sieben Kindern gemeinsam zu sterben. Lomnicky ver schaffte sich ein stark wirkendes Gist, das er in das Essen schüttete. Kurz daraus wurden alle Familienmitglieder von schweren Krämpfen befallen. Man schaffte die ganze Familie in das Pretzburger Krankenhaus, wo Lomnicky und seine Frau sowie die beiden jüngsten Kinder noch im Lause der Nacht starben; der Zustand der anderen füns Kinder ist hoffnungslos. Filmregisseur Eisenstein wieder frei. Auf Grund eines anonymen Telegramms verhaftet. Die in der Stadt Mexiko erfolgte Verhaftung des be kannten sowjetrussischen Filmregisseurs Eisenstein, der u. a. den Potemkin-Film gedreht hat, geschah auf Grund eines anonymen Telegramms aus Los Angeles, das ihn als bolschewistischen Agitator bezeichnete. Nach zehnstündiger Hast konnte der Sachverhalt Kargestem und Eisenstein wieder aus freien Fuß gesetzt werden. Die Be hörden in Los Angeles forschen jetzt nach dem Absender des anonymen Telegramms. Neuer aur aller Aelk Zwei gefährliche Einbrecher gefaßt. Die Potsdamer Schutzpolizei wurde durch Polizeifunk verständigt, daß zwei Einbrecher von Leipzig her in einer Autodroschke in der Richtung nach Potsdam unterwegs seien. Es gelang der Polizei, die Verbrecher abzufassen. Sie waren derart überrascht, daß sie keinen Widerstand leisteten. Man fand bei ihnen 32 000 Mark, die sie bei einem Einbruch in Würzburg erbeutet hatten, und zahlreiche Einbrecherwerk zeuge. Es handelt sich um den zwölfmal vorbestraften Arbeiter Trebuth und den gleichfalls vorbestraften Arbeiter Eckelmann, beide aus Berlin. Zwei Brüder von einer Lokomotive zermalmt. Am Bahnübergang in Amsdorf an der Halle—Kasseler Bahn wurden die beiden Brüder Böttcher aus Unterröblingen, junge Leute im Alter von 18 bis 20 Jahren, als sie mit ihrem Motorrad die Gleise passierten, von einer Rangier lokomotive erfaßt und auf der Stelle getötet. Der Schran kenwärter hatte vergessen, die Bahnschranke herunter zulassen. Der „Oberlandjkger" mit dem Ritterschwert. Bei Kassel hielt nachts auf der Landstraße ein neuer „Oberland jäger" Radfahrer, die kein Licht am Rade hatten, an und kassierte sofort die Strafe. Den Bestraften fiel auf, daß sie stets in dunklen Gegenden angehalten wurden. Man stellte den Landjäger und fand, daß er ein Landstreicher war, der sich mit einem alten Ulanenhelm, einem Militär mantel und einem alt»n Ritterschwert ausstaffiert hatte. Er wurde verhaftet. Ein Einbrecher, der genau nach dem „Lehrbuch" ein- brcchcn will. In einem Cafe in Bad Kreuznach über raschte der Besitzer einen 13jährigen Einbrecher, der neben Brechstangen einen Packen Detektivromane unter dem Arm hatte. Der Junge gab an, er habe nachprüfen wollen, ob die Einbrüche so durchgeführt werden können, wie in den Romanen anaeaebsn werde. Selbstverstümmlung aus gekränktem Ehrgefühl. Aus Paris wird berichtet: Ein ehemaliger Hauptmann der Fremdenlegion war wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Er hatte mit seinem Auto einen Fußgänger überfahren und gelötet. Das Urteil lautete aus zwei Monate Ge fängnis. Als man den Verurteilten dem Erkennungs dienst zuführte, um seine Personalien auszunehmen, ver langte der diensthabende Beamte auch die Fingerabdrücke. Der Offizier nahm sich dies so zu Herzen, daß er sich un bemerkt dem glühenden Ofen näherte und beide Hände so lange gegen das heiße Eisen drückte, bis die Haut ver brannt war und Fingerabdrücke nicht mehr gemacht werden konnten. Der übersehene Hauptgewinn. Während der Ziehung der großen spanischen Weihnachtslotterie gerieten die Zu schauer in große Aufregnng. Als die Ziehung beendet war, stellte man fest, daß der zweite Gewinn überhaupt nicht ausgerufen war. Bei einer Nachprüfung der Num mern entdeckte man, daß einem der Waisenknaben, die die Ziehung vornahmen, ein Fehler unterlaufen war: er hatte, als er den zweiten Preis zog, 10 000 statt sechs Millionen Peseten ausgerusen. Der zweite Gewinn ist auf ein Los gefallen, von dem etwa 2000 Personen, zumeist ärmere Leute, Anteilscheine haben. Vier Schwerbewaffnete transportieren einen Rubin. Ein großes Vermögen wurde in Newyork von vier schwer bewaffneten Personen durch die Straßen getragen. Es war der 25karätige „Lucky-Baldwin"-Rubin von tauben blutroter Fckrbe, der einen Wert von 200 000 Dollar hat. Einer der Männer hatte den Rubin in der Innentasche seines Mantels und trug ihn so zur Stahlkammer eines Juwelewgeschäftes. Weinr Nachrichten Schwerer Unfall bei der Treibjagd. Genthin. Bei einer Treibjagd aus der Schönhauser Feld mark ereignete sich ein schwerer Unfall. Beim Überspringen eines Grabens entlud sich das Gewehr des Landwirts Kunow. Die Schrotladung drang dem vor ihm gehenden Knecht Niele- beck in die Lunge. Man brachte den Schwerverletzten in das Genthiner Krankenhaus. Auf der Landstraße ermordet und beraubt. Wittenberge. Aus der Chaussee Seehausen—Werben wurde der Händler Karl Schmook aus Magdeburg vou dem Führer eines Verkehrsauios blutüberströmt aufgesunden. Schmook, der schwere Schädelverletzungen aufwies und nur noch schwache Lebenszeichen von sich gab, wurde ins Seehäuscr Krankenhaus gebracht. Dort ist er verstorben, ohne die Besinnung wicder- erlangt zu haben. Während man erst annahm, daß Schmook in der Dunkelheit von einem Auto augefahren wurde, ist man nach den neuesten Feststellungen zu der Auffassung gekommen, daß er das Opser eines Raubübersalles geworden ist. Schmook war seiner Wertsachen und Papiere beraubt worden; u. a. soll er 600 Mark in Bargeld bei sich gehabt haben. Auch die Uhr fand man nicht mehr bei dem Toten. Von den Tätern fand man bisher keine Spur Großer Kaffeeschmuggcl im Hamburger Freihafen. Hamburg. Im Laufe der letzten Woche ist im Hamburger Freihafen em umfangreicher K a s s e c s ch m u g g e l aufgcdeckt worden, der zu zahlreichen Verhaftungen ge führt haben soll. Die Festgenommenen werden zurzeit ?m Untersuchungsgefängnis vernommen. Der havarierte „George Washington" im Hamburger Hafen. Taucher bei der Untersuchung der schweren Unterwasserschäden am Heck des 25 000 Donnen großen Amerikaners. Die Lrvmmerslätte eines schweren Eisenbahnunglücks in Spanien, bei dem durch den Zusammenstoß des Asturicn-Lxpreßzuges mit einem Güterzuge 14 Personen getötet und 18 verletzt wurden. Johannes Termolen Originalroman von Gert Rothberg. 14. Fortsetzung Nachdruck verboten Stettenheim nickte lächlend. »Ich werde Ihren Rat befolgen." Termolen reichte Stettenheim die Hand. »Dann auf Wiedersehen!" Er hatte längst das Büro verlassen und das Herz Sig rids hämmerte noch immer. Keinen Blick hatte er für sie gehabt. Ein wehes Zucken war um den kleinen, herbgeschlos senen Mund. Ein kleines Büromädchen, was bedeutete es denn im Machtdasein eines Hans Termolen? Nach einer Weile stand sie auf und trat an Stetten- heims Tisch. Er blickte sofort auf und sah sie freundlich an. „Nun, Fräulein Lengenfeld, sind Sie schon fertig? Ich meine, so abzuhetzen brauchen Sie sich nun wirklich nicht. >2ie sind ja immer viel früher fertig, als nötig ist. Im übrigen, sehen wir nicht ein bißchen sehr blaß aus? Da gemncht?" ^Enwrfrische gut tun. Haben Sie schon Pläne Sigrid schüttelte den Kopf. „Ich mag nicht fort. Ja, wenn Vater mitgehen könnte, doch so allein mag ich nicht. Ich würde unter fremden Men schen doppelt einsam sein." Ihre schönen, graublauen Augen sahen ihn traurig an. Stettenheim hatte alle Selbstbeherrschung nötig, um ihr nicht zu sagen, daß sie nicht allein sei, sondern daß er sie sehr, sehr lieb habe. Ein Gedanke, den er längst gehegt, trat hervor. Er nahm plötzlich die kleine Hand des Mädchens mit festem Druck in die seine. »Fräulein Lengenfeld, darf ich Ihnen einen Vorschlag machen? Reisen Sie zu meinen Eltern nach Thüringen. Dort im grünen Walde werden Sie ganz gesunden und rote Wangen bekommen. Meine Eltern sind sehr einsam, sie würden glücklich sein über Ihren Besuch. Nun, wie wäre es? Sie wären dann doch nicht unter ganz fremden Men schen?" In ihre Augen kamen Tränen. Sie beugte sich plötzlich und drückte ihre weiche Wange auf seins Hand. „Sie sind so gut zu mir, wie soll ich Ihnen danken?" sagte sie leise. Stettenheim stand ganz still. Die Berührung der wei chen Wange durchrieselte ihn und hüllte ihn ein in ein selt sam wohliges Gefühl. Sigrid richtete sich auf. „Ich nehme Ihre freundliche Einladung an, Herr von Stettenheim, doch ich muß erst noch genau wissen, daß ich Ihren Eltern nicht lästig falle," sagte sie. Er entwand sich nur langsam der träumerischen Stim mung. Jetzt schüttelte er lächelnd den Kopf. „Seien Sie außer Sorge! Doch wenn es Sie beruhigt, werde ich erst noch an meine Eltern schreiben. Wenn Sie es schwarz auf weiß lesen werden, dann glauben Sie viel leicht endlich daran, wie sehr meine Eltern sich über Ihren Besuch freuen werden." Sigrid senkte den Kopf. „Ich danke Ihnen." Stettenheim blätterte im Buch. Es war ihm kaum noch möglich, länger das süße, blasse Mädchengesicht zu sehen und ruhig und sachlich zu bleiben. Er gab sich innerlich einen Ruck, fing ein anderes Thema an. „Was werden Sie heute abend tun, während drüben der Rummel ist?" Scheu sah sie auf. „Ich, ich werde lesen. Einsame Stunden füllt man am besten mit Lektüre aus," sagte sie dann. Er nickte. „Sie haben recht, wenn doch recht viele Menschen so dächten!" sagte er langsam und er dachte an Hans Ter molen, der aus seinem einsamen Herzen heraus wieder ein rauschendes Fest veranstaltete und dann, mitten darin stehend, mit finsteren und traurigen Augen zugleich auf die Gäste blickte, die sich's bei ihm wohl sein ließen und ihn alle nicht verstanden. Wie sollten sie auch? Hans Termolen verstand sich ja selber nicht. Wenn es sich um ihn selbst handelte, war er haltlos. Der Mann, der durch ein Wort, einen einzigen Federstrich Existenzen vernichtete und schuf, Häuserreihen baute und Geld verdiente, der wurde mit sich selbst nicht fertig. Längst wußte das Arnim v. Stettenhcim. Sigrid reichte ihm jetzt die Liste. „Ich bin fertig damit. Wenn Sie mir nun einen neuen Auftrag geben wollen?" Er suchte auf seinem Schreibtisch. „Ich hatte noch ein paar Kleinigkeiten. Sie hören je doch heute pünktlich mit auf zu arbeiten, Fräulein Lengen feld! Gehen Sie nur ruhig ein Stündchen in den Stadt park. Es ist idyllisch dort bei den Rosen. Man kann da ungestört träumen." Sie nickte. „Das werde ich tun!" Erle Strahlen wirkte an diesem Abend wieder einmal bezaubernd auf alle Männerherzen. Auf alle? Termolens dunkle Augen gingen gelangweilt umher. Stettenheim aber sah die leuchtenden Lippen der schönen Frau und er dachte an einen herbgeschlossenen blassen Mäd chenmund. Bei der Tafel brachte irgendwer die Rede auf die Toch ter des in der Stadt allverehrten Sanitätsrats Löweneck, die sich mit dem schwerkriegsbeschädigten Rittergutsbesitzer Fritz Petermann verheiratet hatte. Erle Strahlen rümpfte die Lippen. „Seltsamer Geschmack von Fräulein Löwenbeck. Einen Krüppel! Man heiratet doch, um einen Mann zu haben, einen starken, gesunden Mann, zu dessen Kraft man auf blickt und den man um dieser Kraft willen liebt." Da biß sie sich plötzlich erschrocken auf die Lippen. Ihr schönes Gesicht wurde rot. Sie blickte verlegen auf Stetten heim. Zu dumm, wie konnte sie nur so gedankenlos sein und vergessen, daß Stettenheim den Arm verloren hatte. (Fortsetzung folgt.)