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I Wilsdruffer Tageblatt s Matt. Rr.29S — Mittwoch, den r4. Dez. 1930 Weihnacht 1930. Will es dennoch Weihnacht Derben Trotz der Sorgen, Not and PM, Soll in dieser Nacht aus Erden! Wirklich Glanz und Freude sein? Kann ein Sternenleuchten dringen Durch das Dunkel um uns her. Können wirklich Glocken klingen Allen Menschen frohe Mär? Da in Leid, in Qual und Schmerzen Krampfhaft zuckt das Vaterland, Da Millionen deutscher Herzen Müde sind und totgebrannt? Wär die Christnacht durch die Freude Des Beschenktseins uns nur wert,' Könnte wahrlich niemals heute Weihnacht sein am deutschen Herd! Aber wenn die Glocken klingen Durch die wundersame Nacht, Ist auf göttlich sanften Schwingen Ewiges in uns erbracht. Wenn die Christnacht niedergleitet, Hält die Welt den Atem an Und die Menschenseele schreitet Still nach Bethlehem hinan. Mit den Hirten knien wir nieder Leiderlvst und glückbesiegt Vor Mariens Krippe nieder, Drin das Weihnachtswunder liegt. Sel'ge Botschaft will uns werden, Daß nicht irdische Gut uns frommt, Daß das wahre Glück auf Erden Nur aus Gotteskindschast kommt. Daß für immer Haß und Neiden Nie im Lebenskampf besteht, Daß das Größte aller Zeiten Nur aus Liebe aufersteht. Lind die Engelchvre singen, Daß der Tag nicht, daß die Nacht Auf verträumten Engelsschwingen Gottes Wunder uns gebracht! Felix Leo Göckeritz. WeiWAtll—SWsalMUde. Von Oberfinanzrat Dr. Bang, M. d. R. Wir feiern Weihnachten bekanntlich im Anschluß an das alte deutsche Jul-Fest. Jul-Fest war Wendefest. So wird das heutige Weihnachten für unser Volk auch zu einem Wendefest. Wir stehen vor einer Schicksalswende. Wer gelernt hat, seiner Zeit den Puls zu fühlen, der kann darüber nicht im Zweifel sein. Schon sitzt es im Volksbewußtsein: So kann es nichtwei- tergehen. Wir stehen vor Entscheidungen, um die man sich ein Iahrzehntlang mit der Pflege populärer Irrtümer und mit einer Politik der Unterwürfigkeit hat herumdrücken wollen. Um Schicksal und Bestimmung kann man sich aber nicht herumdrücken. Dieses Jahr der sogenannten „Sanierung" schließt mit dem ge häuften Elend unseres gequälten Volkes. Darf ein Volk, das in weiten Kreisen noch immer das Große schändet und das Gemeine feiert, ein Volk, das in wüster Selbst zerfleischung gegen die Schmach seines Daseins immer empfin dungsloser wurde, darf fich ein solches Volk unverhüllten Haup tes unter den Christbaum stellen? — Als kürzlich im Reichstag einer von uns die unendliche Qual unserer deutschen Brüder in Oberschlesien schilderte, schrie einer der maßgeblichen „Volks führer" unter dem Beifall seiner Genossen: „Latvinengerüchte". Wo wäre das sonst noch möglich? — Wie tief ist die sittliche Begriffsverwirrung — von der politischen ganz zu schweigen — gesunken? Vor einiger Zeit durste der „Vorwärts" schreiben: „Das deutsche Volk hat nicht die fremden Versklaver, sondern die eigenen Befreier zu fürchten. Unser Feind steht im eigenen Land." Und zu alledem das Peinvollste: der sich steigernde poli tische Mißbrauch des Christentums. Was sollen die Glocken mit ihrem „Ehre sei Gott in der Höhe" m emem Volke, das sich sogar bie Zerreißung alles Organischen, aller sittlichen Gemeinschaft, den Marxismus „religiös" umfälschen läßt? — Der Teufel des Marxismus sitzt uns schlimmer als je nm Nacken, und aus Pazifismus quillt Aut, nicht Opferblut, sondern das Blut der Selbstvernichtung. Welche Heuchelei, wenn dieser Pazi fismus predigt: „Uird Friede auf Erden!" , Seine erste 'Frucht in unserem Volke ist dessen innere und äußere Versklavung. Vergessen wir nicht, daß die Tributpläne, unter denen unser Volk zusammenbricht, uns nicht aufgezwungen worden sind, sondern daß unsere politische Führung sie frei willig auf uns genommen und sich bieser Freiwilligkeit auch noch gerühmt hat! Daß wir versklavt wurden, konnte Schicksal sein, daß wir Skla v en wurden, ist Schuld. Daß wir Sklaven sein wollen, ist Schmach und Schande, ist Todsünde. So notwendig es noch heute ist, unserem Volke auch unter dem Weihnachtsbaum Bußpredigten zu halten — so dürfen wir doch trotz der gesteigerten Not sagen: zum ersten Male seit 1918 stehen wir nicht nur mit schwerster Sorge und bloß mit from men Wünschen unter dem Weihnachtsbaum. Es haben sich! im letzten Jahre Tatsachen vollzogen, die nach dem Urteil einer aus ländischen Zeitung beweisen, daß „Deutschland seine Würde noch nicht verloren hat". Zwei dieser Tatsachen wollen wir erwähnen: Das ist zunächst der in seiner ganzen Jämmerlichkeit ver diente restlose Zusammenbruch der bisher größten politischen Intrigue, die man seitens ihrer eigenen Macher genannt hat „Politik der Auflockerung der Rechten". Der Wunsch, die Zer störung der Deutschnationalen Volkspartei und die Lahmlegung ihres Führers zur Grundlage der sogenannten Sanierungs- und Befreiungspolitik zu machen, kennzeichnet diese Politik und ihre innere Unwahrhastigkeit besser, als irgend etwas anderes. Sie kennzeichnet alles das, was sie in Wahrheit ist: Fortsetzung der Erfüllungspolitik, an der wir zugrunde gehen müssen. Diese Politik der „Auflockerung der Rechten" ist nicht nur zu schanden geworden, sie hat das Gegenteil von dem erreicht, was sie gewollt hat. Aufgelockert sind heute die, die uns auflockern wollten. Daß es gelungen ist, die Deutschnattonale Volkspartei — nicht zuletzt mit Hilfe ihrer eigenen Feinde wieder zu ihren Grundsätzen und damit auf den Weg der Pflicht zurückzuführen, ist ein historisches Ereignis, über dessen politische Bedeutung sich heute noch nicht alle völlig klar sind. Die Partei steht heute geschlossener und fester da und ist für die anderen ein ernsterer Machtfaktvr als je zuvor. Sie hat sich zurückgefunden zu der Einsicht, daß das Lebenschaffende nicht das „Interesse" ist, sondern der Charakter und daß charak terlose Politik auch das Ende der Interessen bedeutet. Seit lan gen Jahren feiert deshalb heute die Deutschnationale Volkspartei ihr reinstes und schönstes Weihnachtsfest. Die zweite Tatsache ist das endliche Erwachen des deutschen Fr ei h e i tsw il l en s. Man mag über die Be deutung des 14. September 'denken wie man will, eines ist un bestreitbar, daß wir vor einem psychologischen Wandel stehen, der früher oder später zu politischen Folgerungen führen muß. Eins ist bereits eingetreten, was ein Iahrzehntlang unsereiner als Grundvoraussetzung politischen Wandels gepredigt hat: Wir sind endlich heraus aus der Defensive und sind in der Offensive. Wer siegen will, muß angreifen. Daran, daß die Deutfch- nationale Volkspartei diese Wahrheit jahrelang vergessen hatte, lag -ihre Schuld und ihr Unglück. Darin, baß sie diese Wahrheit wieder erkannt hat, liegt ihr Glück und zugleich die Bürgschaft unserer Zukunft. Jetzt gilt es, die deutsche Freiheitsbewegung aus immer breitere Basis zu stellen. Die Politik des Sowohl — als auch ist vorüber. Es geht heute nur noch um Entweder — oder. Ja oder Nein, Rechts oder Links. Zeuge dessen ist die Selbstauslösung der Mitte. Diese Selbstauslösung gibt unserem politischen Leben heute sein Gepräge. Nach Bismarck sind es stets die Girondisten gewesen, die den Staatskarren in den Abgrund gesahren haben. Wenn der Marxismus trotz seines vollendeten geistigen Bankrottes uns heute noch beherrscht, wenn er bei uns nach wie vor der Träger von Politik und Wirtschaft ist, so liegt die Schuld daran nicht an der Gewalt seiner eigenen bankrotten Ideen, sondern an der Betätigung seiner Steigbügelhalt er. Wenn unser Volk erstickt, erstickt es im Brei der Mitte. Wer das noch nicht erkannt hat, kann nicht deutsche Politik machen. Deshalb: Unsere Rede sei: Ja — ja, Nein — nein und was dazwischen ist, bas ist vom Uebel, das ist das Uebel. So ist der erwachte deutsche Freiheitswille unsere „gute Wehr und Waffen", die wir blank auf den Weihnachtstisch legen und für die wir den Segen besten erbitten, ohne besten Segen nichts getan ist. Deshalb treten wir trotz der gesteigerten Not unseres Volkes mit gläubiger Zuversicht auf eine glückhafte Wen dung unseres Schichals unter den deutschen Weihnachtsbaum. Diese Wendung kann nur kommen aus Selbstlosigkeit und- Treue, aus Tapferkeit und aus Glauben. Deshalb und in diesem Sinne glauben wir an die innere und äußere Wiedergeburt unseres Volkes. Diesen Glauben wünsche ich allen Mitkämpfern als Weihnachtsgabe. llnd so rufe ich ihnen als Weihnachtsgruß das zu, was mir einst als Lebensspruch! mit auf den Weg gegeben wurde: „Wachet, stehet im Glauben, seid männlich und seid stark". Lieber eine halbe Million Arbeitsuchende in Sachsen. Der Stand des Arbeitsmarktes. Die Zahl der Arbeitsuchenden hat am 15. Dezember die 50ll 000-Grenze — früher als erwartet — überschritten. Von Ende November bis Mitte Dezember ist der Bestand an Arbeitsuchenden von 477 402 auf 500 331 angewachsen. Besonders stark war in der Berichtszeit der Zustrom an Arbeitsuchenden aus den Außenberufen und dem Spinn- stoffgcwerbe. Die Zahl der arbeitsuchenden Baufacharbei ter ist von 45 783 auf 51138 angewachsen und die Zahl der arbeitsuchenden Bauhilfsarbeiter von 23 940 auf 25 227. Die Wohnungen aus dem zusätzlichen Wohnungs bauprogramm sind zum größten Teil bis aus die Jnnen- arbeiten fertiggestellt worden, so daß größere Entlassun gen erfolgten. Liber 2000 Neuzugänge verzeichnete die Landwirtschaft, und über 1000 die Industrie der Steine und Erden. Im ganzen entstammten 174 934 oder 35 Prozent aller Ar beitsuchenden am 15 Dezember den Außenberufen. — Während im vorigen Winter der Höchstbestand der Ar beitsuchendenzahl in Sachsen schon mit 401 803 erst Ende Februar erreicht war, wird bereits jetzt der vorjährige Höchststand um 24,5 Prozent übertroffen. Oie chronische und die akute Kinanzkrise. Ihre Auswirkungen auf die Gemeinden. Die Vereinigung der bürgerlichen Gemeindeverord neten in der Amtshauptmannschaft Dresden hörte in der letzten Versammlung einen Vortrag des Geschäftsführers des Verbandes der Bezirksverbände Dr Guba über die finanzielle Notlage der Bezirksgemeinden und Bezirks verbände, die sich in einem Maße zugespitzt habe, daß selbst die pessimistischsten Befürchtungen übertroffen seien. Da zu zeige sich keine Aussicht auf eine Besserung. Der Vor tragende unterschied eine chronische und eine akute Fi nanzkrise. Die Ursachen zu der ersteren könne man zurück verfolgen bis in die Zeit der Währungsstabilisierung. Zn einem nicht unerheblichen Teil trage zu der Finanznot der seit Jahren schon völlig überholte Landesfinanz ausgleich bei. Eine Neuregelung auf dem Wege der Notverordnung hätte der Landtag vielleicht nicht allzu ungern gesehen, der Gemeindetag aber glaubte, auf dem Wege der Ge setzgebung mehr für die Gemeinden herausholen zu können. Diese Haltung des Gemeindetages war dann für die Negierung maßgebend. Mit einer Teillösung dieses Problems könnten sich aber Gemeinden und Bezirks verbände unmöglich abfinden. Akut sei die Krise gewor den durch die Lasten für die Wohlfahrtserwerbslosen. Das Reich entziehe sich hier seiner Pflicht. Alles, was in dieser Notzeit entbehrlich sei, müsse aus dem Etat der Gemeinden verschwinden. Der Redner warnte vor den Notstandsarbeiten; der Vorteil, der durch die vorübergehende Beschäftigung von Arbeitslosen entsteht, werde durch den Nachteil für die kommunalen Finanzen meist sehr teuer erkauft. Dies auszusprechcn sei nicht unsozial, denn durch eine Ver schuldung der Gemeinden werde der Gesamtheit der Ein wohnerschaft am allerwenigsten gedient, da gerade die Kreise am meisten in Mitleidenschaft gezogen würden, denen man helfen wolle. Sächsische Wirischastsnachrichten. Bctriebsaufnahmen durch fiskalische und kommunale Stützungsaktion. Wiederbeschäftigung von über 1500 Erwerbslosen. Infolge Übernahme einer Zinsbürgschaft durch die Stadt Dresden ist die Firma Villeroy u. Boch A.-G. in Dresden in die Lage versetzt, ein Auslandsdarlehn von einer Million Mark zum Bau zweier Tunnelöfen aufzu- Johannes Termolen Originalroman von Gert Nothberg. tL Fortsetzung Nachdruck verboten Ein weiches Lächeln verschönte das Gesicht des ernsten, gereiften Mannes, während er an seine Eltern dachte. Dann wanderten seine Gedanken wieder zu Termolen. Dessen ungebändigte Kraft verlangte zeitweilig Zerstreuung. Er selbst brauchte diese Zerstreuung nicht, trotzdem er Termolen auf dessen Wunsch oft genug zu Gesellschaften begleitete. Heute war Termolen mit Erle Strahlen vom Theater weggefahren. „Vielleicht komme ich bald zurück," hatte er gesagt und er war nun schon die vielen Stunden fortgeblieben. Stet tenheim stand auf. Er wollte hinllbergehen und sich zur Ruhe begeben. Plötzlich klopfte es leise, ängstlich. Zweimal — dreimal. Mit raschem Schritt war Stettenheim an der Tür, öffnete. Ein blasses Mädchengesicht blickte ihm entgegen. Erstaunt sah er sie an. Eine Dame um diese Stundet Zu wem wollte sie? Höflich verbeugte er sich. „Stettenheim. Womit kann ich Ihnen dienen?" Sigrrd Lengenfeld hob die gefalteten Hände. „Vater ist noch nicht zurück. Ich ängstige mich, er wollte gegen elf Uhr daheim sein. Die Tür geht nicht auf. Vater hat vielleicht zugeschlossen, um ungestört arbeiten zu kön nen. Vom Privatburo Herrn Termolens kann man in das Zimmer. So wollte ich nun bitten, einmal nach Vater zu sehen." Sie hatte hastig gesprochen. Sie wurde kaum noch 5>err über die Angst, die sie befallen hatte. Und dann besann sie sich, daß sie doch immer nur von ihrem Vater gesprochen daß Herr von Stettenheim, von dem der Vater ihr manch mal erzählte, ja gar nicht wußte, wer sie war. „Ich bin Sigrid Lengenfeld." Stettenheim reichte ihr freundlich die Hand. „Ah, Fräulein Lengenfeld, es freut mich, Sie endlich kennenlernen zu dürfen." Dann, als er ihre schimmernden Augen sah, die zur Tür gingen, setzte er schnell hinzu: „Aber jetzt wollen wir erst einmal nach meinem alten Freunde sehen. Bitte?" Er ging vor ihr her und öffnete die Tür. „Herr Lengenfeld?" rief er laut in den fchmalen Kor ridor, an dem Lengenfelds Zimmer lag. Keine Antwort. Da ging er mit schnellen Schritten und öffnete die schmale Tür drüben. „Guten Abend, Herr Lengenfeld." Keine Antwort kam. Rasch trat er über die Schwelle. Da blieb er plötzlich stehen. Etwas Kaltes kroch an ihn her an. Mit gebrochenen Augen lehnte der alte Herr in seinem Stuhl. Mitten in der Arbeit war er vom Tode überrascht. Stettenheim trat hinzu. Ein kurzer Blick belehrte ihn, daß hier jede menschliche Hilfe zu spät kam. Und draußen das arme junge Mädchen? Er schloß dem Toten die Augen und ging dann langsam hinaus. Wie sollte er es der be dauernswerten Tochter mitteilen? Mit gesenktem Kopf stand er vor Sigrid. „Herr v. Stettenheim, was ist mit Vater?" Er nahm ihre Hand mit festem, warmen Druck in die seine, und voll Mitgefühl ruhten feine Augen auf ihr. „Fräulein Sigrid, fassen Sie sich! Ihrem Herrn Vater ist ewas zugestoßen." Sie sagte kein Wort, huschte flink, wie ein Reh, zur Tür. Langsam folgte er ihr. Vorwürfe peinigten ihn. Wer weiß, wie viele Stunden der alte Mann schon tot war! Vielleicht hatte Lengenfeld sich gequält, und er hätte ihm helfen können. Aber er hatte doch auch keine Ahnung ge habt, daß Lengenfeld nebenan arbeitete. Stumm blickte er auf Sigrid, die neben dem toten Vater kniete. Das Gold haar flimmerte auf, ein heftiges, lautloses Schluchzen ging durch den Mädchenkörper. Stettenheim senkte den Kopf vor diesem übergroßen Schmerz. Endlich aber beugte er sich zu ihr nieder. „Kommen Sie, Kind, lassen Sie ihm die Ruhe. Ich bringe Sie in Ihre Wohnung. Dann ordne ich alles Weitere an." Gehorsam erhob sich das junge Mädchen. Vertrauend lehnte sie an ihm. Daß er bei ihr war in dieser furchtbaren Stunde ihres Lebens, das brachte ihn ihrem Herzen nahe. Dieser Mann konnte ein treuer Freund sein, das fühlte sie. Draußen erklang ein rascher Schritt. Die breitschultrige Gestalt Termolens blockierte die Tür. „Guten Abend! Nanu, Stettenheim, was ist denn hier los?" fragte er erstaunt. Stettenheim winkte niit den Augen nach rückwärts. Da hatte Iohannes Termolen begriffen. Er trat an den Tisch. „Armer Alter, du hast zuviel gearbeitet. Ich habe es dir oft genug verboten", fagte er leise. Dann trat er zu Stettenheim. „Sie sind so freundlich, lieber Stettenheim, und bringen hier alles in Ordnung. Kostenpunkt Nebensache. Ich werde Fräulein Sigrid unterdessen hinüberbringen." Stettenheim verbeugte sich. „Sie können sich auf mich verlassen, Termolen." Sinnend sah der schlanke Mann auf die Tür, die sich hinter den beiden geschlossen hatte. Etwas seltsam Weiches war plötzlich in ihm, ohne daß er sich darüber Rechenschaft ablegen konnte. Dann widmete er sich seiner traurigen Pflicht. Termolen ging mit Sigrid über den einsamen, dunklen Hof. Er hatte den Arm des Mädchens durch den seinen ge zogen. Ekel packte ihn plötzlich vor den letzten Stunden. Bot die Welt nicht irgendwie etwas Besseres? In der Nähe klangen die taktniäßigen Schritte eines Wächters. Termolen fühlte den vor Schmerz zuckenden jungen Körper dicht neben sich. Jetzt waren sie an dem Beamtenhaus angekommen. Sigrids Hände zitterten so, daß sie nicht imstande war, die Tür aufzuschließen. Er tat es für sie, und als er sie wan ken sah, umfaßte er fest ihre schlanke Gestalt. „Ich bringe Sie hinauf." (Fortsetzung folgt.)