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MMMTagM« Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruffer Tageblatt' erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— AM. fre. Haus, bei Posibestellung 1,80 AM. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Apsg. Alle Postanstalten, Post boten und unsere Aus. > träger und Geschäftsstellen nehmen zu jeder Aeii Be» sUk U. UUlALAeNv ftellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Be ¬ triebsstörungen besteht kein Amprua au, Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto brilieLi. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20 Apfg., die 4gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennige, die 3gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 RMK. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennige. Dor- geschriebeneErscheinungs- e---c»r—4. « tage und latzvorsct riften werden nach Möglichkeit ANII "ll?. v berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10Uhr. Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übern, wir keine Garantie. Jeder Rodattunlprna erllschi, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oder der Auftraggeber in Konkurs gerat. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt Nr. 141 — 91. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Sonnabend, den 18. Juni 1932. AllfMslh der Muten in Lausanne. Vorgefechte in Lausanne. Keine T ri b u t z a h l u n g während der Konferenz. In einer plötzlich einberusencn öffentlichen Sitzung der Vollkonfercnz in Lausanne teilte Macdonald mit, daß in letzter Stunde eine Einigung zwischen den Mächten über eine vorläufige Regelung derRepara- t i o n sz a h l u n g e n für die Dauer der Lau sanner Konferenz zustandegelommen sei. Die Er klärung Macdonalds hatte folgenden Wortlaut: „Die unterzeichneten Regierungen, tief durchdrungen von dem wachsenden Ernst der wirtschaftlichen und finan ziellen Gefahren, die die Welt bedrohen, sowie von der Dringlichkeit der Probleme, die aus der Lausanner Konfe renz zur Verhandlung gelangen, ferner tief überzeugt, daß diese Probleme eine endgültige und präzise Lösung verlangen, die eine Besserung der allgemeinen Bedingungen Europas ermöglichen, eine Lösung, die un verzüglich und ohne Unterbrechung im Rahmen einer all gemeinen Regelung gesucht werden muß, stellen fest, daß gewisse Reparationszahlungen und Kriegsschulden am 1. Iuli fällig werden. Diese Regierungen sind der Ansicht, daß — um eine ununterbrochene Weilerführung der Arbeiten der Konfe renz zu ermöglichen — die Leistung der Zahlungen, die den an der Konferenz beteiligten Regierungen geschuldet werden» auf dem Reparationskonto oder als Kriegs schulden, während der Dauer der Konferenz dufgeschoben würden, jedoch unter dem Vorbehalt derLösungen.diespäter gefundenwerden. Die Negierungen erklären ihren festen Willen, in kürzest möglicher Frist zu einem Ergebnis auf der Konferenz zu gelangen. Da der Zinsendienst für die auf den Kapital märkten aufgelegten Anleihen durch diese Entscheidung nicht berührt wird, erklären die unterzeichneten Regierun gen, daß ste für ihren Teil bereit sind, entsprechend dieser Regelung zu handeln; ste ersuchen die übrigen Gläubiger regierungen, die gleiche Haltung einzunehmen.* Die Erklärung ist unterzeichnet von England, Frankreich, Italien, Belgien und Japan. Reichskanzler von Papen gab darauf folgende Erklärung ab: „Ich habe von der Er klärung des englischen Ministerpräsidenten Macdonald mit größtem Interesse Kenntnis genommen und weiß die Absicht, der diese Erklärung entsprungen ist, wohl zu wür digen. Diese Erklärung ist ein sichtbarer Beweis für den besten Willen der beteiligten Staaten, die Arbeiten der Konferenz zu einer endgültigen Regelung zu führen, die die heutige Lage erfordert. Ich kann nur wün schen, daß die Erklärung von den hier vertretenen Völkern und der Weltöffentlichkeit im gleichen Sinne verstanden wird. Es wäre verhängnisvoll, wenn diese Hoffnungen enttäuscht würden." * In einer ersten Meldung aus Lausanne war eine Fassung der Erklärung des Ministerpräsidenten Mac donald berichtet worden, die von einer „unbefriste ten Verlängerung des Hoover-Mora toriums* sprach. Diese sehr weitgehende Mitteilung wurde dann durch das Bekanntwerden des Wortlauts der Erklärung Macdonalds bedeutend zurückgebremst auf ihre tatsächlich eingeschränktere Bedeutung. Wie Bedeutung der Erklärung Macdonalds liegt vor allem, wie es auch der Reichskanzler betont, in der Kundgebung der Gläubigermächte, daß sie den besten Willen haben, die Arbeiten der Konferenz zu einer end gültigen Regelung zu führen. Dieser Wille, wenn er wirklich auf allen Seiten aufrichtig ist, deckt sich mit den von der Reichsregierung für ihre Bestrebungen aufgestell ten Grundsätzen. * Der Reichskanzler spricht. Reichskanzler von Papen legte in der ge heimen Vollsitzung der Tributkonferenz in einer großen, allgemein mit Spannung erwarteten Rede den Standpunkt der deutschen Regierung zur Tributfrage dar. Der Reichs- kanzler ging zunächst kurz auf die Bemerkungen ein, die der englische Ministerpräsident Macdonald in seiner Eröffnungsrede hinsichtlich der bestehenden Ab- Machungen gemacht hatte. Er erklärte, daß es sich auf dieser Konferenz nicht darum handele, die Reparations- frage unter juristischen Gesichtspunkten zu erörtern. Es bedürfe daher nicht der Feststellung und werde auch von Niemandem geleugnet, daß die Haager Abkommen rechts- llültig unterzeichnet worden seien. Es komme letzt allein darauf an. die heute aeaebenen Tat. sachenins Auge zu fassen und die unabweisbaren Folge- rungen daraus zu ziehen. Der Reichskanzler behandelte sodann die Entwick - lungderWeltwirtschaft seit dem Jahre 1929, der Zeit der Aufstellung des Young-Planes. Er schilderte den Sturz aus dem blühenden Optimismus von damals in den Pessimismus und die Verzweiflung von heute. Nichts von den damaligen Verheißungen habe sich erfüllt. Durch die Arbeitslosigkeit seien gerade in den stärker industrialisierten Ländern soziale Spannungen er zeugt worden, die zu einer immer größeren Gefahr für die Weltordnung und die kulturellen Errungenschaften eines Jahrtausends geworden seien. Eine Anzahl von Staaten habe sich schon gezwungen gesehen, die Zahlungen nach dem Auslande einzustellen. Das sei eine ernste Mahnung, rechtzeitig Vorsorge zu treffen, daß nicht große Länder in die gleiche Lage kämen, wodurch die Weltkrise eine unübersicht liche Erschwerung erfahren würde. Die jetzige Krise des Güteraustausches sei überdeckt von einer zweiten Krise, nämlich von einer Kreditlrise von nie gekannter Ausdehnung. Ihre wichtigste Ursache liege in der internationalen, öffentlichen Verschuldung und in denwirtschafts- widrigen, politischen Zahlungen. Die Krise des Güteraustausches könne nicht überwunden werden, wenn nicht die Krise des Kredits überwunden werde, und diese könne wiederum nicht überwunden werden, wenn nicht ihre besonderen Ursachen radikal beseitigt würden. In der Reihe der Rundfunkvorträge in der Stunde der Reichsregierung sprach am Freitag Reichsinnen minister Freiherrvon Gayl über die neue politische Notverordnung und über die Aufhebung des Verbots der politischen Verbände. Einleitend kündigt er an, daß der heutige Vortrag zunächst ein abschließender sei, denn die Reichsregierung werde erst wieder im Rundfunk sprechen, wenn sie etwas Wichtiges mitzuteilen und zu erläutern haben wird. Einleitend betonte der Reichsinnenminister, daß die politischen Kämpfe in Deutschland seit einer Reihe von Jah ren die Bestimmungen gegen politische Ausschreitungen notwendig gemacht hätten. Die bisher geltenden haben sich jedoch vielfach gegen verschiedene Gruppen und Verbände ausgewirkt, wodurch ein sehr großer Teil unseres Volkes sich in der Kundgebung seines politischen Willens behindert fühlte. Dieser Zustand wurde mit Recht von Millionen Deutscher bitter empfunden, und die neue Notverordnung wollte ihn endlich beseitigen. Jeder Deutsche soll im Rah men der Gesetze sich politisch möglichst frei betätigen können. Wir wollen weiter, daß keine Partei jetzt zu Be ginn des Wahlkampfes sich mehr behindert fühlen soll, als die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung es zwin gend erfordern. Darum hat sich die Reichsregierung einstimmig ent schlossen, dem Herrn Reichspräsidenten eine neue Notver ordnung vorzulegen, in der eine Reihe von bestehenden Vor schriften über Versammlungen, Umzüge, über die poli tischen Verbände nunmehr gegenstandslos geworden sind. Die Verordnung selbst ist durch die Tageszeitungen be kannt. Die Bestimmungen über die Presse wurden zum Teil wesentlich gemildert; die Presse hat jedoch die Pflicht, sich vorher zu überlegen, ob ein Artikel oder eine Nachricht dem deutschen Volke frommt oder nicht. Der Minister hoffe, daß der Negierung kein Anlaß zu Verboten gegeben werde. Der Regierung wird es vielfach zum Vor wurf gemacht, daß sie nicht sofort gegen Zeitungen eingeschritten ist, durch die sie leider tatsächlich und gröb lich beschimpft wurde. Die Regierung wolle aber zuerst einmal volle Freiheit lassen und selbst sehen, wie die Dinge sich entwickeln werden, und weil in der neuen Ver ordnung alle Verbote mit einem Schlag aufgehoben wurden. Ein neuer Zeitabschnitt soll beginnen. Wer fortan den Anstand außeracht läßt, den jede ord- nungs- und verfassungsmäßige Negierung verlangen muß, wird die neue Notverordnung fühlen. Wir wollen nicht kleinlich sein, wenn in der Hitze des Wahlkampfes einmal scharfe Worte fallen. Die Regierung ist aber zur Wah rung der Staatsautorität entschlossen, und wird grobe Be schimpfungen durch sofortige Verbote beantworten. Die politischen Verbände, deren Mitglieder in geschlossener Ordnung aufzutreten pflegen, werden nunmehr wieder gestattet. Wer zu diesen Im Anschluß an diese Darlegungen über die augemetne Weltkrise ging der Reichskanzler ausführlich auf die Lage in Deutschland ein. Die Arbeitslosigkeit sei in Deutschland größer als in irgendeinem anderen Lande, und besonders verhängnis voll sei dabei, daß ein immer größerer Teil der Heran wachsenden Jugend keine Hoffnung habe, zu Arbeit und Verdienst zu kommen. Verzweiflung und po litische Radikalisierung seien die Folge. Der Reichskanzler wandte sich dann den Einzelheiten des Reparationsproblems zu. Er kritisierte, daß die Atempause, die Präsident Hoover seinerzeit mit seiner Aktion beabsichtigt habe, ungenützt verstrichen sei, und daß man die dringenden Empfehlungen der Sachverständigenausschüsse bis jetzt unbeachtet gelassen habe. Die Auslandsverschuldung Deutschlands mit ihren hohen Zinsen sei zum weitaus größten Teil auf die Substanzübertragung und Kapitalentzichung zurückzuführen, die sich aus den bisherigen Reparations leistungen ergaben. So habe der beratende Sonderaus schuß festgestellt, daß von den 18 Milliarden Mark, die Deutschland nach der Stabilisierung der Mark vom Auslande entliehen habe, mehrals 10 Milliarden allein durch die baren Reparationszahlungen wieder in» Ausland zurückgeflossen seien. Die Höhe der bisherigen deutschen Leistungen müsse nach ihrem wirklichen Wert veranschlagt werden, nicht nach dem Empfangswert, den ste für die empfangenden Länder gehabt haben. Das Angebot von Gütern im Werte von Milliarden habe natürlich zu einer unwirtschaftlichen Verwen dung im Empfangslande geführt, so daß der Nutzen des Empfanges viel kleiner gewesen sei als die Höhe des Ver lustes für Deutschland. Hier liege überhaupt die Pro- blematik des ganzen Reparationssyftems. Vervanven geyorr, bestimmt der Reichsinnenminister allein, der auch im Falle der Zuwiderhandlung das Recht zur Auslösung hat. Es können somit die SS. und Sa. wieder aufleben und sich ebenso wie alle anderen auf der Grundlage der Verfassung und der Staatsordnung stehen den Verbände wieder betätigen. Das war ein Akt aus gleichender Gerechtigkeit, den ein überparteiliches Kabinett ausführcn mußte. Weiter verboten bleiben die auf Grund des Republikschutzgesetzes verbotenen Organisationen, die sich bewußt gegen die Staatsordnung stellen — die Kom munisten. Auch das Verbot des Tragens einheitlicher Kleidung ist gefallen. In der Öffentlichkeit sind scharfe Bedenken gegen diese Neuordnung, besonders gegen die Aufhebung des Uniformtragens geäußert worden. Man befürchtet Zusammenstöße und weist besorgt auf die Folgen hin. Auch bei einigen Länderregierungen bestehen ernste Be denken, die die Reichsregierung erwogen hat. Der Reichs präsident und die Reichsregierung stehen aber auf dem Standpunkt, den der Reichspräsident v. Hindenburg in seinem Begleitbriefe mitgeteilt hat. Reichsinnenminister von Gayl verliest nochmals das bekannte Schreiben des Reichspräsidenten und schließt seine Ausführungen: Jeder Deutsche kann es deutlich erkennen, daß die Reichsregierung, wenn wider Erwarten Ruhe und Ord nung gestört werden, nicht zögern wird und entschlossen ist, die gewährten Freiheiten wieder einzuschränken. Ich richte an alle Deutschen die Bitte und die ernste Mahnung, auch im Wahlkampf die notwendige Achtung vor der Person des politischen Gegners niemals zu vergessen. Wir sind ein auf hoher Stufe stehendes gesittetes Volk und wollen es bleiben! Wenn wir auf der einen Seite Frei heiten wiedergegeben haben, so wollen wir, daß nach der neuen Verordnung jeder, der im politischen Kampf sich so weit vergißt, den Gegner leicht oder schwer zu verletzen, mit der größten Schärfe bestraft werde. Es ist die Frage aufgetaucht, ob die Landesregierun gen das Recht haben, Verbote zu erlassen. Was in der Verordnung reichsrechtlich geregelt ist. die Zulassung der politischen Organisationen, ist zwangsweise Reichsrecht und nicht nach altem Recht bestehendes Landesrecht. In die Pflichten und Rechte der Länder, der Störung der Ruhe und de» Ordnung vorzubeugen, will und darf dis Verordnung nicht eingreisen. Wenn die Länder auf Grund der Reichsverfassung 123z Versammlungen unter freiem Himmel glauben verbieten zu müsseso bleibt das ihr Recht. Eine solche Anordnung kann der Neichsinnenminister nicht aufheben. Wer sich von solchen Anordnungen beschwert fühlt, kann gegen sie nach Landesrecht die gegebenen Rechtsmittel anwenden. Möge das deutsche Volk von dieser neuen Ordnung einen weisen Gebrauch machen und sich dessen bewußt sein, daß wiedergegebener Freiheit die Pflicht gegenüberstehh alle politische». Auseinandersetzungen in ruhiges und sach- lt-L-m Formen zu führen. < Freiherr« GW über die BW MerordnW