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Lacht sicht, sicht in sich seiber — Was an ihm gut und böse rst — gut sür alle guten Geister — böse für den bösen Feind. Daher das Interesse, das die Geistlichkeit immer an diesem Widerstreit des göttlichen Reichsapfels und des höllischen Totenkopfs nahm. Da ist zum Exempel die Historie von dem Geheim- schr^ber Ein Fürst in Böhmen sitzt bei Tisch und schickt einer Edelknaben hinauf in seine Kanzler, etwas zu holen. Der Junge kommt wieder, blaß und aufgeregt, und erzählt unter an der Tafel, in dem Kabinett sitze ein fremder Mönch an Tisch und schreibe. Ein Kammerjunker lacht, geht hinauf Als er zurück ist und sich wieder setzt, ist ihm das Lachen ver gangen. Da oben ist wirklich solch ein unbekannter Sekre- tarius. Das Gemurmel läuft die Tafel lang. Der Potentai hört es. Erhebt sich. Windlichter her! Hofjunker und Pager die Hand am Seitengewehr. Hinauf in die Kanzler. Dort sitzt der Mönch, ehrbar, unverrückten Stuhles, feir sM. Ein Talglicht flackert vor ihm, und er schreibt uni schreibt, ohne sich um die seidenen Herren und Buben an der Lür zu kümmern. Dann gibt der Fürst einen Handwink ihm nicht zu folgen. Er schreitet allem auf den gespenstiger Sekretär zu, tritt nahe vor ihn hin und redet ihn beherzi an: „Was machst du hier?" Hebt der Aktuarius in der Kutte den Kopf und spricht, den Gänsekiel in der Hand: „Hier sitze ich und schreibe dein« Sünden auf!" Was soll der Potentat nun tun? Vor den Augen seines Gefolges schlottern und zittern und um Vergebung flehens Er weiß: Alles mögliche mag einem Herrscher durchgehen Nur schwach darf man ihn nicht sehen — nicht als einer Menschen wie Hinz und Kunz. Er ist von Gottes Gnaden! Er steht mit unserem Herrgott auf einem anderen Fuß. Uni so antwortet er laut und kurz: „Hat dir Gott die Mach! gegeben, so schreib immerhin!" Damit verläßt er samt seinen Kavalieren und Auf. Wärtern den Raum, setzt sich unten wieder zu Tisch und tafeli weiter, als sei nichts geschehen. Und als er um Mitternacht noch einmal in seine Kanzlei schaut, ist das Zimmer leer und dunkel, die Talgkerze niedergebrannt, der gespenstig« Sekretarius samt seinen Akten verschwunden. Der Fürst legi sich geruhsam schlafen. Er hat vor der Welt sein Gesichi bewahrt. Was ist Wahrheit? — spricht der Landpfleger. Das ist auch die Schlußfrage in der Historie von dem König Chuni- bert und der kundeschaffenden Rohmucke. Diesem Langobardenkönig stellen zwei seiner Großen heimlich nach dem Leben. Er weiß das. Er entbietet seinen Vertrauten, den Kronmarschall, in den Turmsöller seiner Burg zu Pavia, überzeugt sich, daß keine Horcher hinter der Wandvorhängen oder der Tür, und eröffnet ihm sein Vor haben: Er hat den beiden Verrätern, dem Aldo und den Grauso, eine gute Kappen zugemessen und die zwei, die fick keiner tödlichen Ungnade versehen, für heute zur Lafel ge beten. Sind sie erst tüchtig trunken — dabei spielt Herr Chunibert oder Kühnbart schon mordlustig mit einem blanker Dolch in seiner Hand — dann... Das Gebrumm einer Pferdebremse stört ihn in seinem Geflüster. Er haut mit dem Stilett nach ihr. Die Roßmucke läßt ein Bein vor dem Messer fallen. König Kühnbart will ihr den Kopf abschlagen. Tut einen Fehlschnitt. Die Mucke saldiert sich, unter Hinterlassung des einen Beins, durch das offene Fenster und summt eilig davon. Chunibert schaut ihr nach. Siehe: Da unten kommen schon die Herren Aldo und Grauso ahnungslos angeritten! Doch was ist das? Dicht vor cher Burg werfen sie die Gäule herum, jagen mit verhänaten^Zügeln davon, fliehen in das Asyl der nächsten Kirche oes heiligen Romanus. Der König schickt hinterher: Was ist denn l§s? Antwort der beiden: Sie wüßten schon, daß es um ihren Kopf ginge! Neue Post «res Herrschers: Sie sollten ihm, bei Zusicherung "einer künftigen Gnade, den Verräter seines Anschlags ber aten! Gut. Die Langobardenherren treten aus der Kapelle und Berichten: „Vor dem Burgtor ist uns ein vermeinter lahmer irüppel begegnet, der auf einem Stelzen ging und eines Beines beraubt war. Der hat uns gewarnt, es sei ein Schluß verfaßt, uns ums Leben zu bringen. Die Totenglocke sei schon über unserm Haupt gegossen! Diese Weissagung haben wir nicht zur Erde fallen lassen, sondern sofort die Flucht er griffen!" Da merkte der König Chunibert: Das war die Rache des Insekts, dem er den Fuß abgeschnitten, und er sprach wütend zum Marschall: „So hat mich der Teufel in Gestalt einer tüncheüüaen Rokmucke arpreM"/ Lne ortoen Herren aber falteten die Hände und beteten: „So hat uns ein Engel des Herrn in Gestalt eines ein beinigen Bettlers gerettet!" j Und wer von ihnen hat nun recht: der König oder di» Ritter?... Der Feuerfresser. Eine Rabengeschichte von Max Geißler. Es mochte Sommer oder Winter sein — ein Feuerchens wußte der Rabe Tschockerle immer zu finden; entweder - draußen im Walde bei den Holzleuten oder in einem Berghof, wo die Bäuerin Kaffee gebrannt hatte und in dem Häuschen der Trommel die Kohlen sachte verglühten. Manchmal spa zierte er sogar in die Küche zum offenen Herdfeuer — wenn gerade niemand dabei war. So keck hatten ihn die Holzarbeiter gemacht, die ihm immer etwas von ihrem Essen abgaben, eine Wursthaut oder eine Käserinde, wenn ihnen Tschockerle seine Kunststücke ge zeigt hatte. Sie saßen bei der Mahlzeit um em Scheit- feuer und rösteten ihm ein paar Erdäpfel, die er vom Rande ües Brandes wegnahm. Funken stoben dabei, Flämmlein hüpften auf, fingerlange kleine Dinger, die faßte er in der Luft und schlang sie hinunter. Ungeheuren Spaß machte ihm das. Nun, Tschockerle war längst nicht der einzige in seiner Sippe, der dies Fakirstückchen fertig brachte; aber er betrieb das Feuerfresfen aufsehenerregend. Er störte solch ein Flämm lein empor, daß es aufflog wie ein goldroter Schmetterling, dann schlang er es in sich hinein und sagte: „Quark!" Daran verlustierten sich die Waldleute über die Maßen. Tschockerle brachte mit ihnen, wenn sie sich dankbar er wiesen, auch eine Art Plauderei in Gang, unterhaltsam und herdstattgemütlich; aber nur, wenn die Leute sich ihm gegen über keine plumpen Vertraulichkeiten erlaubten. Streckte nämlich einer die Hand nach ihm aus — und wäre selbst eine Wurstschale darin gewesen! — dann hüpfte er zur Seite und sagte etwas, das klang beinahe wie „Schafskopf". Auch wenn die Leute schon wieder bei der Arbeit waren, befaßte er sich mit dem Brande, in dem sie den Kochtopf stehen hatten. Dieser kümmerte ihn jedoch nicht, sondern er gaukelte mit den glühenden Holzbrocken, fing sie mit dem Schnabel aus der Luft, fraß Feuer. Wieder einmal war er draußen bei den Waldleuten ge wesen, da verspürte er noch Lust nach einer ordentlichen Kröpfung, die er im Düngerhaufen des Bergbauern zu finden hoffte. Weil es schon dämmerig wurde, flog er gleich hin und betrachtete sich zunächst von einem Baum ans die Lage der Dinge. Er sah, daß eine Magd aus dem Keller kam, die trug einen vollen ErdäpfelkcnW und eine Tranfunzel, Ein Flämmchen flackerte am Doch! Wind wackelte damit; die Magd setzte das Fünzlein neben ^en Korb vor die Tür und stieg die Treppe wieder hinunter. Tschockerle zielte gleich scharf auf das verheißungsvolle Lämpchen, und als die Magd außer Sicht war, schwang er sich im Gleitflng hinab. Nur ein bißchen zu spielen gedachte er. Er zerrte an dem goldnen wackelnden Dinge, und Plötzlich hatte er den Docht im Schnabel, den brennenden Docht, Hal und trug ihn auf den schmalen Strohsims unter dem Vor sprung des Scheunendachs. „Na", dachte die Magd, die inzwischen heraufgekommen war, „ich hatte das Lämpchen doch ganz ordentlich hingestellt, und jetzt liegt es da?" Sie betrachtete sich's; dann wuchtete sie mit den Erdäpfel- körben und dem leeren Zinnschälchen von hinnen. Den Tschockerle konnte sie nicht sehen. Der wedelte aus dem Strohsims ein bißchen mit seiner goldenen Peitsche. Au einmal glühte das Tächlein, kriegte feurige Zungen, zwei, drei, eine ganze Menge, damit bleckte es den Tschockerle an. Erst hüpfte der dazwischen herum — es war ein Haupt spaß. Dann aber... Es kam die Nacht und fiel ins Feuer, fiel auf brüllendes Vieh, auf schreiende Menschen, auf rasselnde Fuhrwerke, heransausende Spritzen. Der Wind saß im Feuer. Der Rabe Tschockerle hatte sich da längst davongemacht. Er betrachtete dies Schauspiel aus seiner Wohnuna in der' hohen Bergfichte. TageSspruch. Im Bestreben uns zu trösten, Schießt man leicht vorbei am Ziel; Ist in uns der Schmerz am größten, Hören wir aus Trost nicht viel. » 8