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Druck-Industrie. Unter dieser Ueberschrift bringen wir Artikel und Mit- theilungen, welche sich auf die vervielfältigenden Künste: Buch-, Stein-, Kupfer-, Licht- etc. -Druck beziehen. Sachliche Mittheilungen finden stets kostenfreie Aufnahme, Mitarbeiter angemessene Bezahlung. Deutscher und fremdländischer Druckstil. Eine Vergleichung der auf der Wiener Aus stellung des Jahres 1873 zur Schau gestellten internationalen Druckerzeugnisse gab dem Be richterstatter der Deutschen Reichskommission, Herrn Karl B. Lorck, Veranlassung, den Mangel an Stil in unseren deutschen Drucksachen, im Gegensätze zu den englischen und französischen, hervorzuheben. Haben wir uns im Verlauf dieses Jahrzehntes in dieser Hinsicht gebessert oder nicht? Es will nrir scheinen, als sei die Stillosigkeit nach wie vor dieselbe geblieben, trotz alles Wirkens typographischer Vereine, trotz aller Fachjournale und Fachschriften. Indessen trifft den deutschen Buchdrucker nicht allein die Schuld hierin, unsere Autoren tragen nicht minder Antheil daran. Die deutsche Typographie ist gegen die ihrer Nachbarn schon durch das Nebeneinanderbestehen von Fraktur und Antiquaschrift wesentlich benach- theiligt. Der englische und französische Buch drucker kann seine ganzen Mittel auf die Be schaffung ausreichender und guter Antiqua- Schriften verwenden. Der deutsche Buch drucker ist gezwungen, seine Anschaffungen zu zersplittern, und aus diesem Grunde ge- nöthigt, nicht nur mit geringeren Vorräthen zu arbeiten, sondern er hat auch mit den häufig wechselnden Geschmacksrichtungen des Publi kums zu rechnen. Eine Vergleichung schon weniger Jahrzehnte wird dem aufmerksamen Beobachter einen oft sehr verschiedenen Charakter oder Typus bei Büchern erkennen lassen. Weit mehr ist dies noch beim Satze von Titeln, allen sogenannten Aecidenzen und namentlich bei dem Anzeigen theile der Zeitungen und Zeitschriften der Fall. Unsere Schriftgiesser überbieten sich oft, die bizarrsten Verrenkungen für ihre neue Schriften zu erdenken. Der Buchdrucker lässt sich leicht verleiten, die „neue“ Schrift anzu schaffen, und wenn diese da ist, muss sie ver- werthet werden. Aus diesem Grunde begegnet man oft, besonders bei Titeln, einer sehr bunten Musterkarte wunderlicher Typen, deren stil loses Durcheinander das Auge beleidigt. Noch schärfer tritt dieser Uebelstand hervor bei gemischtem Satze, und hier unterstützt der Schriftsteller nicht selten die verwerfliche Neigung des Setzers für die Verwendung möglichst verschiedener Typen. Während Franzosen wie Engländer auch bei gelehrten Stoffen einen besondern Werth auf die Form der Darstellung legen, und einen klaren durchsichtigen Stil nicht für unvereinbar mit gelehrtem Schriftstellerthum halten, wird bei uns nicht immer die gleiche Sorgfalt auf die Durcharbeitung der Form, wie auch des Stoffes selbst, verwendet. Ist es eine uns Deutschen von vornherein anhaftende Pedanterie, oder eine böse Ange wohnheit, dass der deutsche Schriftsteller es vorzugsweise liebt, diejenigen Worte, auf welche er einen besondern Accent legen will, durch gesperrte oder fette Lettern herauszuheben? Es scheint fast, als ob er auf mechanischem Wege durch den Setzer diejenige Klarheit und Sicherheit des Ausdruckes zu erreichen suchte, die guter Satzbau und klarer Stil von selbst ergeben. Der Franzose und Engländer, welchen ohnehin nicht die bunte Abwechselung unserer Fraktur type zur Verfügung steht, muss sich für Citate mit Kursiv-Schrift oder „Gänsefüsschen“ be gnügen. Für Eigennamen pflegt er mit Vor liebe das kleine Versal — sogenannte Kapitäl chen — welche zur Textschrift passen und in Linie stehen, zu verwenden. Jemehr es üblich wird, dass für gelehrte Stoffe die Antiqua-Schrift auch bei uns fast ausschliesslich zur Verwendung kommt, desto bessere Erfolge darf man sich für die innere und äussere Haltung der deutschen Bücher und deren typographischen Stil versprechen. □ Wie lernt der Setzer die Stilformen kennen? Diese Frage wird jetzt sehr häufig aufge worfen, und der Gegenstand ist so wichtig, dass der Verfasser gern Veranlassung nimmt, die Rathschläge, welche er privatim mehrfach zu ertheilen Gelegenheit hatte, öffentlich zu wiederholen. Eine Uebersicht über die verschiedenen Stil arten kann man nur dann gewinnen und ihre charakteristischen Unterschiede kann man nur dann erfassen, wenn man eine grosse Menge von Beispielen aufmerksam betrachtet — wenn möglich — auch skizzirt. Zur Orientirung auf diesem Gebiet giebt es eine Anzahl von Werken, die sehr gut, aber auch meist so theuer sind, dass eine Privat person sie nicht anschaffen kann. In allen kunstgewerblichen Bibliotheken, auch in denen einzelner Typ. Ges., sind sie indess vertreten, sie können also immerhin für zugänglich gelten. Das wichtigste Werk ist: Owen Jones, Grammatik der Ornamente. 112 meist far bige Tafeln. Preis84. Dies Werk ist nicht allein werthvoll als Bei spielsammlung für den Unterricht, sondern es ist auch eine grossartige Fundgrube für ein fachere Ornamente, die von unsern Schrift giessern schon tüchtig benutzt worden ist. Die besten Muster der beliebten Theinhardt’schen Ornamente z. B. sind aus dem Owen Jones. Ein erläuternder Text weist auf die Entwicke lung der Stilformen und auf ihre bedeutsamsten Merkmale hin, ohne freilich den Gegenstand auch nur im Entferntesten erschöpfen zu können. Aehnliche Ziele verfolgt: Racinet, Das polychrome Ornament. 100 Tafeln. Preis K 132. Die Ausstattung ist noch prächtiger wie Owen Jones, und namentlich ist auf wirksame Farbenstellungen Bedacht genommen, so dass das Werk besonders auch für Farbendrucker Werth erhält. Wenn unsere Maschinenmeister den Racinet tüchtig studiren wollten, so würden manche wunderliche Farben - Experimente auf Umschlägen und Karten vermieden werden können. Besonders für die Verwendung von Dunkelgrund ■ Einfassungen mit untergelegtem Lokalton ist reichstes Material vorhanden. Ein deutsches Werk ähnlicher Tendenz ist der in der Fachpresse mehrfach erwähnte Formenschatz von Prof. Kolb. Er ist sehr viel billiger als Owen und Racinet, aber nicht so erschöpfend und technisch minder voll endet. Auch Schulz, Vademecum des Orna mentzeichners, der sehr viel aus den beiden Hauptwerken entlehnt, ist brauchbar und —■ billig. Die Bedeutung der verschiedenen ornamen talen Formen wird am besten erläutert in „Matthias, Formensprache des Kunst gewerbes.“ Preis 7,50 M Dies ist ein ausgezeichnetes Buch, das jeder Accidenzsetzer sich anschaffen sollte, so lange ein brauchbares Spezial werk über typographische Ornamentik nicht existirt. Denjenigen Kollegen, welche des Französi schen mächtig sind, wird das geistreiche Werk von Bourgoin, Theorie de l’Ornement, sehr viel Anregunggewähren. Bourgoin ist Mathe matiker von Fach und stellt deduktiv die zu lässigen und nicht zulässigen Verbindungen einfacher ornamentaler Formen dar. Was er z. B. mit dem einfachen Bogen, oder mit der Spirale alles anstellt, ist geradezu verblüffend und wird den Accidenzsetzern, welche gern aus dem Unbedeutenden etwas Hübsches zu schaffen bestrebt sind, viel Freude machen. Was die Stilarten von einander unterscheidet, ist nicht die Besonderheit der Motive, sondern die eigenartige Behandlungsweise derselben. Es hat ja allerdings jede Stilart ihre Lieblings formen, aber so einfach liegt die Sache doch nicht, dass man, wie der Buchdruck-Ornamen- tiker des „Archiv“ thut, einfach sagen könnte : Kleeblatt ist gothisch ; und wo in der Renaissance ein dreilappiges Blatt vorkommt, da ist die Ornamentform nicht stilrein. Jene Besonderheit in der Auffassung, Be handlung und Gruppirung herauszufinden, ist ziemlich schwer, und um dafür Gefühl zu be kommen, muss man immer den Blick aufs Ganze richten und darf nur beste Muster zum Studium wählen, wie sie eben in den vorstehend genannten Werken enthalten sind. A. 11 • Englisches Buchdrucker-Asyl. Herr Biggs, Verleger des Family Herald in London, bestimmte vor 24 Jahren testamenta risch £ 15 000 (300 000 () zur Pensionen von £ 10 für Buchdrucker. Ausserdem giebt es ein Asyl-Haus in Wood Green bei Hornsey, welches 24 alten, arbeitsunfähigen Buchdruckern und Wittwen von solchen Unterkunft gewährt. Zur Aufnahme berechtigt sind nur Solche, die 5 Shilling jährlichen Beitrag zahlen und dafür eine Stimme haben. Die Aufnahme erfolgt durch Wahl und berechtigt zu Wohnung, Hei zung, ärztlicher Hilfe etc. Diejenigen, welche neben eigenen Mitteln noch eine Biggs-Pension erhalten, sind damit reichlich versorgt. Der jetzige jüngste Einwohner ist 60, der älteste 87 Jahre alt. Viertelhundertjährige Druckjubiläen des Jahres 1886 (deren Tag sich nicht ermitteln liess): Aug. Adams, S, Bielefeld; C. Ahrens, S, Ham burg; W. T. Arnold, S, Dresden; Berliner Lithographisches Institut, Berlin; H. C. Bestehorn, B, Aschersleben; M. Kloos, S, Bibe rach; G. Knauer's B, Hoya; A. Langheinrich. S, Plauen i. V.; C. L. Mettcker & Söhne, B, Jever; Jos. Millmann, B, Wien; F. Müller, BS. Breslau; E. Neugebauer, B, Grottau; Nord deutsche Buchdruckerei und. Verlags- Anstalt,Berlin;CarlOttoNuhr,B,Öl nitzi.W.: A. Paul & Co., B, Berlin; C. Pet, B, Hoogeveen (Holl.); Heinrich Pfeifer, B, Rumburg; Ed. Pieper, B, Clausthal; II. Streuli, B, Zürich; C. F. Pilgers, B, Bernau; A. W. Pistors Ww.. S, Göttingen; G. Prunar, BS, Taus (Böhmen); Ed. Quatz, B, Königsberg; J. Quitting, S, Schwelm; A. Riedel, B, Troppau; Rieder & Simmen, B, Bern; Hermann Risel & Co. Hagen; F. Rosenfeldt, B, Stettin; Rosenthal & Co., B, Berlin; Albert Sayffaerth, B, Berlin: Schatt & Raisberger, B, Mannheim; A. H. Schmitter, BS, Crefeld; Carl Schönhuth, BS, Mergentheim; Schürmann & Aschenbach, B, Hagen; H. Schwantes, B, Schrimm; H. Schwarz, S, Altona; W. Steinbeck, B, Strausberg: Jul. Wagner, S, Annaberg; Ph. Waizmann, B, Gunzenhausen; C. Weigand, B, Dux; Wilh. Winkel, B, Berleburg; B. Wylezol & Co., BS, Beuthen; J. Zürcher, B, Zug (Schweiz). Kleine Notizen. Dem Fachmann wäre es erwünscht, eine ge naue Klassifikation der unzähligen meist grie chischen und lateinischen oder gar gemischten (Photogravüre) Ausdrücke für die verschiedenen mehr oder weniger mechanischen Reproduktions verfahren zu haben, womöglich deutsche Aus drücke an Stelle der vielfach unverständlichen Fremdwörter. Das französische Blatt „L'Im- primerie“ zählt an siebzig Ausdrücke für neuere graphische Verfahren und drückt den Wunsch