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1856 PAPIER-ZETUNG. N: 48 Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich auf den Ges am mtbuch handel (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Deutsches Buchgewerbe-Museum in Leipzig. Notizen von Otto Winckler. Am 12. Juli d. J. wurde in Leipzig eine in ihrer Art einzige Sammlung zur permanenten Aus Stellung gebracht, welche in ungewöhnlich in struktiver Weise die Entwickelung des Buch gewerbes vorführt. Im grossen Saale der Buch händlerbörse liegen in Glaskasten oder auf Tafeln aufgeschlagen oder stehen in Regalen Tausende der kostbarsten und seltensten Werke der »schwar zen Kunst«. Die in vielen Fällen einzigen Exem plare, deren Werthe anzugeben eine schwere Auf gabe sein dürfte, sind meist von Herrn Kommis- sionsrath Klemm in Dresden mit grossem Samm- lerfleisse, seltenem Verständniss und grosser Sorg falt gewählt, so wie mit enormen Unkosten be schafft und systematisch geordnet. (Vergl. Nr. 26 d. Bl., Jahrg. 1884.) Was den Buchdrucker und den Fachmann mit Ehrfurcht und Staunen erfüllt, vermag auch für uns, die nur zum Theil der Kunst näher stehen, wirkungsvoll zu werden, wenn wir bemüht sind, dem Entwickelungsgange zu folgen und zu ver stehen, welcher Segen aus dieser deutschen Er findung für unser Kulturleben entstanden ist Ein umfangreicher Katalog, (Preis 4 Mark) dessen Studium vor dem Besuche der Ausstellung zu empfehlen ist, erweist sich als eine reiche Quelle der Geschichte unserer Buchdruckerkunst. Wir wollen aber nicht den Studien Einzelner nachgehen, sondern als Freunde der Sache uns einigermaassen orientiren und auf einzelne Merk würdigkeiten aufmerksam machen. Die Anordnung der Sammlung zeigt zunächst eine instruktive Auswahl alter Handschriften, zum Theil mit reicher Malerei verziert, deren mühsame und saubere Arbeit unser Erstaunen er regt. An Nr. 39 dieser I. Abtheilung (Bücher wesen vor Guttenberg’s Erfindung) zeigt die Ein banddecke, dass man schon vor Erfindung des Buchdruckes in hartes Metall geschnittene Buch staben besass, die hier zur Prägung der erhabe nen Umschrift auf der Einbanddecke dienten und welche leicht auf den Gedanken hätten führen können, dass solche Matern zum Giessen erhabe ner Metalltypen zu benutzen wären. Das Werk ist von der Nonne Marie Kath. Urs. Barbara im Katharinenkloster zu Nürnberg 1436 vollendet und ebenso wie Nr. 42 vom Augustinermönch Conrad Forster von Onoldsbach gebunden. Auch letzteres Werk ist ein Prachtstück der Kalligraphie und reich an schöner Miniaturmalerei. Wie schön erscheinen diese 450jährigen alten Bücher. Die sorgfältige Behandlung des Pergaments wett eifert mit der mühsamen Arbeit der Schreiber und Miniaturmaler. Neben diesem Oficiale (latei nisch und deutsch geschriebener Codex) und Breviarium liegen u. A. auch Gesangbücher mit Noten, Gebetbücher, Kaufbriefe u. dgl. andere mehr oder weniger schöne Handschriften vor, welche beweisen, wie eng sich die spätere Druck herstellung der Bücher in Ausführung und Ge schmack der bis dahin gebräuchlichen Kunst an schloss. Bei den gedruckten Büchern der ersten Periode ist Raum zum Einzeichnen und Malen der Initial buchstaben freigelassen, man hat höchstens die einzumalenden Buchstaben durch ganz klein ge druckte Zeichen angegeben und es dem Buch käufer überlassen, sich das Fehlende durch den Rubrikator, Illuminator oder Miniator hinein schreiben oder ausmalen zu lassen. Erst in spä teren Werken sind die Initialen durch Konturen angedeutet oder voll ausgedruckt. Die Klemm'- sehe Sammlung enthält die frühesten Erzeugnisse von gegen 100 Druckstätten, während uns augen blicklich, des obgleich grossen Saales immerhin beschränkten Raumes wegen, nur die ersten Druck arbeiten der 18 ersten Druckorte vorliegen. Hier von sind es zunächst die berühmten Mainzer Ar beiten, voran die herrliche (42 zeilige) Gutten bergbibel in 2 starken Bänden auf Pergament gedruckt und mit schönen Malereien verziert. Man meint ein handschriftliches Werk vor sich zu haben, so intensiv ist der Druck und so eng schliesst sich die Ausführung des Druckwerkes an die übliche Schreibweise an; selbst die rothe Unterstreichung jeder einzelnen Zeile fehlt nicht. Dabei beginnt jedes Buch dieser Bibel mit reich bemalten, goldunterlegten Initialen und mit präch tiger Randmalerei. Hat schon ein viel weniger schönes, nur auf Papier gedrucktes Exemplar dieser Bibel bei einem Verkaufe in London 1873 den Preis von 77 000 Mk. erlangt, so dürfte das hier vorliegende Exemplar einen noch weit höhe ren Werth haben. Neben den Mainzer und Eltville’schen Werken liegen die von Bamberg, Strassburg i.El., Kölna.R., Augsburg, Nürnberg, Subiaco, Rom, Venedig, Mailand, Paris u. a. Orten vor. Ueberall sind es deutsche Männer, welche als erste Drucker auf traten. Wer sich einen wirklichen Genuss bereiten will, der nehme für je einen Tag, wenn der Be such nicht zum ersten Male nur der Orientirung gilt, ein ganz beschränktes Feld, vielleicht nur die Reihe eines Druckortes, vor und folge der Führung des Kataloges. Die Mühe lohnt sich reichlich. Eine besondere Abtheilung ist von den Schätzen der Ermlitzer Bibliothek des Herrn Dr. Heinr. Apel gefüllt. Es sind Holztafeldrucke, Miniaturen und einzelne Inkunabeln. Neben dem der Klemm'- sehen Sammlung angehörenden, durch Reibedruck, also einseitig (anopistographisch) hergestellten Exemplare der »Kunst-Cyromantia« (Kunst aus der Hand zu wahrsagen), welche 1448 von Dr. Johannes Hartlieb aus dem lateinischen übersetzt wurde, liegt zum interessanten Vergleiche eine spätere auf der Druckpresse hergestellte Ausgabe, die zweiseitig gedruckt ist, aus der Ermlitzer Bibliothek. Ein Donatus (lateinische Sprachlehre) in Holztafeldruck, Ablassbrief und andere Selten heiten, unter welchen die fünf Blatt Narrendar stellungen, Vorläufer des bekannten Narrenschiffes von Dr. Sebastian Brandt, einen ersten Rang ein nehmen, ziehen unsere Aufmerksamkeit an. Eine mächtig lange Thorarolle zeigt die auf Leder ge schriebenen Bestimmungen des mosaischen Ge setzes. Auch die Inkunabeln oder Erstlingswerke des Steindruckes finden wir in einer besonderen Aus stellung, aus der reichen, der Firma F. A. Brock haus gehörenden Sammlung, deren Auswahl in den verschiedenen Richtungen der Kunst von 1797—1825 die ältesten Repräsentanten zeigt. Die Holzschneidekunst, welche wir in den älte sten Werken bereits vorfinden, ist .durch Albr. Dürer’s und Burgkmayr’s Triumphzug des Kaiser Maximilian ganz besonders hervorgehoben. Diese grosse, aus 137 Bogen bestehende Sammlung ori gineller und schöner Zeichnungen ist wohl die grösste Reihenfolge von Holzschnitten, die es giebt. Ein von dem erstgenannten Meister ge schaffenes mächtiges Tableau, in Form eines Triumphbogens, setzt sich aus 92 einzelnen Holz schnitten zusammen. Beide Werke, wie auch der in den verschiedenen (auch den seltensten) Aus gaben vorliegende Teuerdank mit Hans Schäufe- lein's Zeichnungen und eine grosse Anzahl von vortrefflichen Reproduktionen, in Schwarzdruck so wohl als in Clair-obscur, der Moden anderer Meister, zeigen im hellen Lichte die Eigenart des deutschen Holzschnittes im 16. Jahrhundert, welches es meisterlich verstand, mit den einfach sten Mitteln die grösste künstlerische Wirkung hervorzubringen. Es ist höchst interessant, die Geschichte der Ent stehung des Werkes »Teuerdank«, sowie die der gen. Bilder von Alb. Dürer und Burgkmayr zu erfahren, doch würde es weit über den Rahmen dieser Notizen hinausgehen, wollten wir versuchen, den vielfachen Anregungen, die der Besuch des Kunst gewerbemuseum gegeben, auch nur andeutungs- weis weiter Ausdruck zu geben. Dass auch der neuen Kunstrichtung durch Auslagen neuester Druck- und Bild-Werke geeignet Rechnung ge tragen wird, sei für diesmal nur nebenbei_er- wähnt. Was den Papierhändler besonders interessirt, ist zunächst die Qualität der vor Jahrhunderten be nutzten Papiere und deren Aussehen nach so langem Gebrauche. Die verschiedenen Wasser zeichen und Färbungen des Stoffes sind besonde rer Beachtung werth. Dem Buchbinder und Lieb haber von seltenen Bänden geben die verschiede nen ächten alten und die diesen nachgebildeten neuen Einbände reichen Stoff zur Belehrung und Unterhaltung. Kleine Notizen. Ueber eine interessante Streitfrage berichtet Publisher's Circular Nr. 1154 aus London. In England besteht die Verpflichtung für die Ver leger, von jedem erscheinenden Werke fünf (!) Exemplare an das British Museum und andere öffentliche Bibliotheken abzugeben. Daraus leiten die Vorstände des British Museum das Recht ab, auch von denjenigen in Amerika ge druckten Werken Pflichtexemplare zu verlangen, auf welchen als Verlagsorte z. B. New-York und London angegeben sind. Der Londoner Vertreter ven G. P. Putnam's Sons hat sich nun aber geweigert, Pflichtexemplare abzugeben, und man sieht in betheiligten Kreisen der weiteren Entwickelung dieser Angelegenheit mit Interesse entgegen. Der „Intermediaire des Chercheurs et des Curieux" bringt in einer seiner letzten Nummern eine Reihe von Mittheilungen über seltene Bücher und die dafür bezahlten hohen Preise. Am interessantesten ist folgende: Ein latei nischer Psalter, mit Hymnen und Gebeten, enthaltend den ersten Druck des Credo des heiligen Athanasius, in Maroquin gebunden, mit farbigen Kapitel-Anhängen, wurde von Bernhard Quaritch in London für 129 000 Fr. erworben. Dieses Werk ist angeblich das zweit- oxistirende. welches auf dorn Titel die Druck firma Fust und Schoeffer, Mainz 1459. trägt. Es war dreissig Jahre früher in Paris für nur 3500 Fr. zugeschlagen worden. Neue Geschäfte: W. E. Grosse Nachf. Ver- lagsh. Jena; Kom. Ed. Kummer, Leipzig. — Carl Glogau, Buch- u. Antiquarh., Hamburg: Kom. Reichenbach'sche Bbd., Leipzig. — J- Saenger, Sort. u. Antiq., Hamburg; Kom. L. Staackmann, Leipzig. — Josef Caesmann, Bkmhdg., Bielitz; Kom. C. Fr. Fleischer, Leip zig u. A. Hartleben, Wien. Geschäftsveränderungen: L. Ficht Sort. Wien, verkauft an G. Anger. Kom. R. Hoffmann, Leipzig. Mit dem Buhhhandel in direkten Verkehr ge treten: W. Stute (Rud. Musterer) Berlin; Kom. E. Heitmann, Leipzig. — C. Kumm, Bchdl. Spandau; Kom. Paul Stiehl, Leipzig. — Posred- nik, Antiqu. St. Petersburg: Kom. Fr. Ludwig Herbig, Leipzig. — S. Haller, Sort., Burgdorf (Schweiz); Kom. R. Hoffmann, Leipzig. Für Grossisten & Exporteure. Schräg-Goldschnitt-Kartenfabrik Fr. Schuppe, BERLIN SO., Brückenstr. 3 Neu! Neu! Marmor-Goldschnitt und Perlschnitt. FaQonkarten über 200 Muster, Grösste Leistungsfähigkeit f. Massenfabrikation.