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1812 PAPIER-ZEITUNG. Nr47 Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich auf den Ges am mtbuch handel (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Verschleuderung seltener Bücher. In Sevilla in Spanien besteht mindestens seit dem 15. Jahrhundert eine seinerzeit sehr kost bare Bibliothek im Besitz des Dom-Kapitels, und führte daher ursprünglich den Namen „Biblioteca capitolare“, welcher aber, aus nach stehender Ursache, später durch die Bezeich nung „Biblioteca colombina" ersetzt wurde. Der werthvollste und umfangreichste Theil der Sammlung in ihrer Blüthezeit stammte näm lich aus einem Vermächtniss von Ferdinnnd Columbus, dem Sohn des Entdeckers Amerikas, der im Gefolge Karl V. die Niederlande, Eng land und Frankreich bereiste, um seine Biblio thek zu bilden. Er vereinigte auf diese Art 15- bis 20 000 Bände, die er dem Sohne seines Neffen, Ludwig Columbus, vermachte, wobei er ihn ver pflichtete, jährlich 100 000 Maravedis zu ihrer Instandhaltung und Ergänzung zu verwenden. Da Ludwig Columbus die Annahme dieser Erb schaft ablehnte, so trat nach dem Willen des Erblassers das Dom-Kapitel von Sevilla an seine Stelle. Philipp II. begann bald damit, die kostbaren Manuskripte daraus zu verschleu dern, und die Grossen des Reiches folgten nur zu eifrig seinem Beispiele, und plünderten nach Herzenslust. Später, als einer der Bibliothe kare 1709 an der Pest starb, kamen die Schlüs sel der Colombina in die Hände der Kehrer der Kathedrale, welche die Bibliothek nun als Aufbewahrungsort ihrer Besen und Scheuer lappen benutzten, nicht minder aber auch als Kleinkinderbewahranstalt; boten doch die Minia turen und Kupfer ein willkommenes Spielzeug. Drei Bände, die wegen der Anmerkungen von Christof Columbus’ eigener Hand von ganz un schätzbarem Werthe waren, gingen auf diese Weise mit zu Grunde. Manches mag auch schon früher verdorben worden sein; wenig stens hat jahrelang eine mangelhafte Dachung dem Regen freien Eintritt gestattet, bis hierin 1678 Abhilfe geschaffen wurde. Die Zusammenstellung der alten, auf den Böden zusammengesuchten Reste, einige grössere Geschenke und Ankäufe, und ein weniger liederlicher Bibliothekar als seine Vorgän ger, hatten die Bibliothek in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts wenigstens einiger maassen wiederhergestellt. Nachdem ihr Be stand im Laufe fast dreier Jahrhunderte auf 4—5000 Bände gesunken war, zählte sie 1870 wieder 34 000 Bände und 1600 Manuskripte. Die noch von Ferdinand Colombus herstam menden Bücher hatten sich in der Masse ver loren, ohne irgend ein äusseres Kennzeichen; aber es genügte, sie zu öffnen, um sie wieder zuerkennen. Sobald dieser verdiente Biblio graph ein Werk gekauft hatte, schrieb er eigen händig auf den Kopf des ersten Blattes die Rubrik etc. des Buches, und an den Fuss des letzten Blattes einen Vermerk über Zeit, Ort und Preis des Kaufes, zu dem manchmal per sönliche Bemerkungen traten. Im letzten Winter sind nun, man weiss nicht durch welchen Zufall, eine grössere Anzahl solcher von Columbus gekauften Werke nach Paris gekommen. Ueber die ersten beiden derartigen Sendungen lässt sich folgendes mit- I theilen ; Ein Sammler hatte sich aus Spanien pracht- j volle Tapeten kommen lassen. Wahrschein lich um sie während des Transports vor Scha-1 den zu bew ahren waren die Lücken der Pakete mit prächtigen Manuskripten aus dein fünf- zehnten Jahrhundert und einigen gothischen Drucken ausgestopft worden. Der Sammler scheint nicht geahnt zu haben, welche Schätze ihm in die Hände gefallen waren; er überliess die Bücher einem Händler zum — Makulatur preis. Nachdem der Händler einen Theil ver kauft hatte, nahm er den Rest in einen Kata log auf, aus dem das „Bblt.“ Nr. 201 nach „La Bibliophilie“, 11 der interessantesten aus der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts beispiels weise anführt. Alle diese auf so sonderbare Weise nach Paris gekommenen Bände tragen gleiche Spu ren von Verstümmelung. Man hat mit dem Radirmesser die Bemerkungen entfernt, die Ferd. Columbus an den Anfang und an das Ende seiner Bücher schrieb, ebenso den Biblio- theksstempcl, in der Grösse etwa eines Zwei- frank-Stückes, der die Inschrift „Biblioteca Co lombina“ trägt. Aber diese Radirungen sind nicht so sorgfältig gemacht, als dass der Diebstahl nicht noch nachweislich wäre. Auf einem Exemplar der „Complainte de les cuyer ä la dame, nouvell. imprime. O. O. u. J.“ liest man noch von der Hand Ferd. Columbus’: Este libro costo en Torino ... 12 de enero de 1531. (Dieses Buch wurde in Turin gekauft am 12. Januar 1531); dagegen trägt ein Exemplar der „Faicts et prouesses du puissant et preux Hec tor“ den noch ganz unberührten Stempel der Colombina. Von unserm Büchertisch. Handbibliothek der gesammten Handels- Wissenschaften. In zwölf Bänden. — Bear beitet von Eugen Merkel, Hauptlehrer für Handels wissenschaften an der städt. Handelsschule in München. W. Röhrich, Direktor der Höheren Handelsschule in Stuttgart. F. II. Schlössing, ehern. Direktor der Handelsakademie in Berlin. Eduard August Schroeder, Verfasser der aka demischen Schrift »Das Unternehmen und der Unternehmergewinn«, in Wien. Friedrich Scubitz. Direktor der Handelslehranstalt des kaufmänn. Vereins, vereidigter kaufmänn. Sachverständiger und Bücherrevisor bei den Kgl. Gerichten zu Görlitz C. Spöhrer, Handelsschuldirektor in Calw. Direktor Gustav Wagner in Leipzig. — Verlag von August Brettinger, Stuttgart. (Preis pro Band: M 1,50.) Im Anschluss an die Besprechung der ersten Bände dieser brauchbaren Sammlung in Nr. 34 uns. Bl. können wir unsern Lesern auch die nun erschienenen Bände IV, VII, VIII, und X empfehlen. Nur wäre zu wünschen, dass bei einer erneuten Auflage eine Gleich heit im Satz erstrebt würde. Einem Reihen werke von so grossem innern Werthe sollte auch äusserlich der Ausdruck der Zusammengehörig keit nicht fehlen. Band IV ist aus Antiqua und die anderen vier Bände aus Fraktur gesetzt. Band IV, Handbuch der Münz-, Maass- und Gewichtskunde von F. H. Schlössing bringt in übersichtlicher Weise im ersten Theil die Technik, Funktionen und Zustände im Münz-, Maass- und Gewichtswesen, und im zweiten Theile die Münzen, Maasse und Ge wichte der einzelnen Länder und Städte; ihre Kurssysteme und Handelsusancen: mit einem Anhänge von Tabellen der Münzen, Maasse und Gewichte der wichtigsten Länder. Das Werk bietet viel Neues und Anregendes in kurzer, brauchbarer Form. Band VII, Das Handelsrecht als Leit faden für den Kaufmann, Fabrikanten, Gewerbetreibenden und Industriellen von Eugen Merkel, befriedigt das Bedürfniss nach einem Buche, das, ohne ein Handbuch ersetzen zu wollen, ein zuverlässiger, reich orientiren- der Führer beim Gebrauch des Handelsge setzbuches ist. Zu dem Zwecke enthält der Leitfaden eine systematische Darstellung des Handelsrechts mit detaillirtem Inhaltsverzeich- niss und eine Art Kommentar zum Handels- gesetzbuch . Band VIII, Das Deutsche Wechselrecht von G. Wagner. Das Wechselrecht ist wohl eine der wichtigsten kaufmännischen Wissenschaften, dennoch sind die darüber bestehenden Werke nur spärlich verbreitet, woran hauptsächlich die hohen Preise derselben Schuld sind. Ein aus führliches Werk, wie das vorliegende, das auch vermöge seines Preises Gemeingut aller Kauf leute werden kann, ist also wohl als Befriedigung eines Bedürfnisses in der handelswissenschaft lichen Literatur anzusehen. Band X, Die Volkswirthschaftslehre von Eduard A. Schroeder bietet von neuem Stand punkt aus eine gemeinverständliche Darstellung der Nationalökonomie. Einem eingehendem Studium geben die zahlreichen Quellenhinweise dankenswerthen Rath. Unfall Versicherung. Unfallversicherungs gesetz vom 6. Juli 1884, Bekanntmachung des Bundesraths vom 22. Januar 1885 und Aus dehnungsgesetz vom 28. Mai 1885. Mit einer systematischen Darstellung, fortlaufenden Er läuterungen und dem gesammten amtlichen Aus führungsmaterial von v. Rohr, Regier.-Assessor. Verlag von Franz Siemenroth in Berlin (Geb. 3 Mark). Die vorliegende zweite Ausgabe ist eine er weiterte und umgearbeitete. Dieselbe verfolgt, wie die erste, den Zweck, durch eine gedrängte aber erschöpfende systematische Darstellung der ganzen Unfallversicherung den Gebrauch des schwierigen Gesetzes denjenigen zu erleichtern, welche bei ihrer sozialen Stellung weder ge nügende Gewandtheit in der Auslegung von Ge setzesbestimmungen, noch genügende Zeit hierzu haben, bietet aber durch eine eingehende Er läuterung der einzelnen Bestimmungen auch den jenigen einen Kommentar zu dem Gesetze, welche Amt oder Beruf auf eine ins Einzelne gehende Beschäftigung mit dem Gesetz anweist. In A. Hartloben’s Verlag in Wien erschien der 131. Band der Chemisch-technischen Biblio thek: „Die Fabrikation der Kautschuk- und Leimmasse-Typen, Stempel und Druck platten“ von August Stefan. (Mit 65 Abbil dungen, Preis 4 Jt). Ueber die Kautschuk stempel-Fabrikation, einen Industriezweig, der es in kaum einem Jahrzehnt zu einer ziem lichen Bedeutung gebracht hat, giebt es nur spärliche und zerstreute Mittheilungen. In dem vorliegenden Werke finden sich alle, auch die minder wichtigen Manipulationen erläutert, die erforderlichen Geräthe, die maschinellen Vor richtungen sind geschildert und abgebildet, die verschiedenen Stampiglienarten erläutert, so dass damit eine vollständige Arbeit geschaffen ist. Anschliessend hieran bringt das Werk die Darstellung des Glycerin-Leimes und seine Verwendung zu Stempeln, Druckplatten, Buch- und Steindruckwalzen und zu plastischen Zwecken. Auch bezüglich dieses Theiles gilt das Vorhergesagte, und die Behandlung dieses ebenfalls wichtigen Fabrikationszweiges wird in einschlägigen Kreisen gewiss gern ge sehen. Der Kork und seine Verarbeitung, sowie die Verwerthung der Korkabfälle bildet eine weitere in sich geschlossene Abtheilung des Buches. Einer ausführlichen Schilderung der Abstammung, Gewinnung, sowie der Ver arbeitung des Korkes zu Pfropfen mittels Handarbeit und Maschine folgt die Behand lung der Verarbeitung der Korkabfälle zu Korksteinen, Isolirungsmassen, Linoleum-Matri zen, Lincrusta Walton, über weich’ letztem Stoff wir in Nr. 45 Genaueres mitgetheilt haben. „Sie haben uns Alles vorweggenommen, Die besten Gedanken, das kühnste Wort.“ — Rächt Kuch an Denen, die nach Euch kommen. Und spielt den Enkeln denselben Tort! (Heyse, „ Spruchbüchl ein “.)