Volltext Seite (XML)
1716 PAPIER-ZEITUNG. Nr 45 hatte und diese Summe ebenfalls vor deren Fällig keit einklagte und zur Pfändung treiben liess, ihre Befriedigung. Den Erlös für die fingirte Forderung der Ww. Benzenberg ad 1230 M musste die Genannte gleich nach der ersten Auktion dem sauberen Schwiegersöhne Robert nach Oberhausen überliefern, woselbst dieser sie schon auf dem Bahnhofe erwartete, damit er für die folgenden Auktionen wieder die nöthigen Gelder zum An kauf der Pfandobjekte flüssig hatte. Auch nach der Auktion trafen noch fortwährend grosse Waarenposten für Wilhelm B. ein. Diese gelang ten aber nicht mehr in dessen Geschäftslokal, sondern blieben gleich auf der Güterexpedition in Oberhausen, wurden dort umkartirt resp. mit neuen Frachtbriefen versehen und an den Bruder Robert nach Dortmund und Ernst B. nach Gelsen kirchen weitergesandt. Diese Versendungen be sorgte zum Theil noch Robert B. selbst für seinen Bruder Wilhelm, während er schon längst seine eigene Firma in Dortmund angemeldet und dort Domizil genommen hatte. Ernst B. ging soweit, auf einer mit seinem Stempel versehenen Post karte für Wilhelm B. noch Waaren nach Ober hausen zu beordern und mit seines Bruders Namen zu unterzeichnen, als dessen Geschäft dort längst geschlossen war, und derselbe quasi vagabondirend (wie der Herr Staatsanwalt es bezeichnete) sich in Düsseldorf herumtrieb. Friedrich B., der frühere bankerotte Bäcker, welcher zu einem der Zeugen gelegentlich äusserte, er habe sich reich gebacken, man müsse kein dummer Kerl sein, wenn man rasch Geld verdienen wolle, trat aus dem aufgelösten Geschäfte seines Bruders Wil helm in dasjenige des Ernst B. in Gelsenkirchen als Handlungsgehilfe ein, während der Haupt macher Wilhelm nunmehr als Leiter der Robert Barlen’schen Buchbinderei, Buchdruckerei und Papier - Handlung nach Dortmund übersiedelte. Für die nähere Qualifikation des Wilhelm B. zu dieser Stellung ist es bezeichnend, dass der als Zeuge geladene Buchbindermeister Schulze aus Düsseldorf erklärte, Wilhelm B. habe noch weit weniger als seine (des Schulze) Lehrlinge vom ganzen Geschäfte verstanden, und sei Wilh., als er bei ihm Arbeit gesucht habe, desshalb auch nur einen Tag beschäftigt worden. In Dortmund und Gelsenkirchen sind dann die Gebrüder, wie festgestellt wurde, in inniger brüderlicher Verbin dung zum Schaden der früher von ihnen in der raffinirtesten Weise betrogenen Kaufleute geblie benen. Nur wenige kleine Posten bezahlte der Bruder Ernst noch, als ihm und seinen Brüdern die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung immer näher rückte. Er hatte ja auch, wie er sich jetzt äusserte, das ganze Geschäft seines Bruders Wil helm übernommen, d. h. nur die unbe zahlten Waaren etc., nicht aber die darauf haften den Schulden, was der gerichtliche Sachverstän dige, Herr Kaufmann Endersen, auf Grund der von ihm revidirten Geschäftsbücher des Ernst B. ausdrücklich hervorhob. Die Bücher des Wilhelm B. sind zum Theil garnicht, zum Theil sehr mangelhaft geführt, so dass sie keinerlei klaren Ueberblick über seine Geschäftslage zur Zeit bie ten. Beläge und Bilanzen existiren nicht, und ist das Kassabuch erst später neu und in sehr ver dächtiger Weise angelegt und beigetragen; Nach tragungen, durch verschiedene Tinten kenntlich, finden sich mehrfach vor. Auch Ernst B. hat eine neue Bilanz bei Uebernahme des Geschäftes seines Bruders Wilhelm nicht angefertigt, und ent- spinnt sich dieserhalb zwischen dem Herrn Sach verständigen und dem Herrn Vertheidiger der Ge brüder Barlen eine Kontroverse darüber, ob bei Uebernahme eines neuen Geschäftes die Auf stellung einer Bilanz erforderlich sei. Die Bücher des Robert B. über das Dortmun der Geschäft, welche event. als weiteres Beweis material für die Anklage sehr wohl hätten dienen können und dieserhalb wohl auch mit Beschlag belegt worden wären, sind nach der Aussage des Angeklagten Robert B. vor einiger Zeit bei dem Brande seiner Dortmunder Druckerei mitverbrannt (!) — Die mitangeklagte Ww. Benzenberg giebt an, dass Wilhelm Barlen bei dem Geschäfte seines Bruders Robert zu zwei Drittel betheiligt und da rin ganz selbständig als der eigentliche Ge schäftsinhaber aufgetreten sei, und will sie dies näher nachweisen können. Diese Behauptung der Ww. Benzenberg würde, wenn thatsächlich wahr, ein weiteres eigenthümliches Licht auf den Angeklagten Wilhelm B. werfen, da derselbe vor dem hohen Gerichtshöfe als durchaus vermögens los gelten und nur als Kommis gegen Kost und Logis bei seinem Bruder Robert thätig gewesen sein will. Das ihm gehörige Haus in Oberhau sen ist über den heutigen Werth hinaus mit Hypo theken belastet. Dasselbe ist in Pachtung des Bruders Ernst; Wilhelm B. weiss auf Befragen des Herrn Vorsitzenden aber nicht einmal, ob er Miethsvertrag mit diesem Bruder habe, Letzterer zahle für ihn die Zinsen. Nach der ersten Hypo thek von 15 000 M. für einen Dortmunder Herrn seien noch 3000 M. für seine jüngste Schwester, die ihm lange Zeit den Haushalt geführt habe, als Vergütung eingetragen, viel wahrscheinlicher aber, wie der Herr Präsident bemerkt, nur, um den Gläubigern des Wilhelm B. auch die letzte Aussicht auf eine geringe Bezahlung abzuschnei den. Ernst B. ist, äusser Hehlerei, Beihilfe und Be günstigung bei den betrügerischen Operationen seines Bruders Wilhelm, noch der Beleidigung des Gerichtsvollziehers Arnold zu Gelsenkirchen an geklagt, welcher Strafantrag stellt, indem er durch ein Schriftstück des Angeklagten an dessen Rechts anwalt beleidigt sein will. Friedrich B. hat sich, neben der gleichfallsigen Begünstigung, noch über ein Vergehen gegen die öffentliche Ordnung, sowie wegen Pfandsiegel bruchs zu verantworten. In letzterer Beziehung wirft ihm die Anklage vor, dass er eine unter Siegel gelegte Thür zu einem der Lokale, in welchem die Pfandobjekte des Wilhelm B. unter gebracht waren, geöffnet und von den Letzteren verkauft habe. Robert B. ist der Begünstigung und Beihilfe bei den schwindelhaften Handlungen des Wilh. B. und der Hehlerei angeklagt. Die Ww. Benzenberg wegen Begünstigung, weil sie die ihrem Schwiegersöhne Robert B. zunächst gezahlten Gelder in Höhe von 1200 M. gegen Wilh. B. geltend machte und fälschlich sich von diesem als erste drängende Gläubigerin vorschie ben liess, und zwar war dies zu einer Zeit, als sie von Wilhelm B. ein Pianino für 520 M. kaufte, welcher Posten sich in den Büchern desselben als bezahlt eingetragen findet. Die Angeklagte ist, wie auch der Herr Staatsanwalt mit erregter Stimme bemerkte, durch jahrelanges Drängen und Drohungen der Gebrüder verführt und hat sich lediglich aus Rücksichten gegen ihr unglückliches Kind herbeigelassen, zu einem Schurkenstreich der Brüder die Hand zu reichen, ist desshalb aber auch mit strafbar. Im Publikum und beim Gerichtshof fand die bedauernswerthe alte Frau grosse Theilnahme. Das Geschäft in Dortmund beschäftigte zu Zeiten 30 bis 35 Leute, die Arbeiten gingen zu Schleuderpreisen fort, bis die hochver sicherte Druckerei in der Nacht vom 14. auf 15. August total niederbrannte. Wie es heisst, soll Untersuchung wegen Brandstiftung ein geleitet sein. Französische Strohpapier- Fabrikation. Vbm Rhein, Oktober '85. Im Anschluss an den Artikel unter der obigen Ueberschrift in Nr. 43 dieses Blattes bestätigt Schreiber d., der selbst in Aiguilles bei Limoges einige Tage die Fabrikation studirte, dass es in dortiger Gegend und besonders in St. Juvien viele Strohpapierfabriken giebt, die nach ganz eigenem Verfahren ein schönes, sehr zähes Stroh papier anfertigen. Bekanntlich fertigen die fran zösischen Fabriken verschiedene Sorten Strohpapier, die aber alle von unserm deutschen Strohpapier sehr verschieden sind und immer eine gewisse gute Qualität haben, so dass die genannten Fa briken, wenigstens damals, nicht nöthig hatten, wie viele unserer Fabrikanten, das Stroh papier zu verschleudern. (In Nrn. 10 und n, Jahrg. 1880, haben wir eine genaue Beschreibung der in verschiedenen Gegenden Frankreichs üb lichen Art der Fabrikation von Strohpapier ge bracht. D. Red.) Die Fabriken bei Limoges besitzen meistens sehr bedeutende Wasserkräfte, billiges Stroh und billige Arbeitslöhne, dabei wird oft die ganze Fabrik von nur einem Werkführer mit ganz be scheidenen Ansprüchen dirigirt, und die ganze Produktion nach Paris in’s »Depot« gesandt, von wo der Verschleiss erfolgt. Damals wurdejimmer noch der Doppelzentner zu Fres 40 verkauft, und glaube ich kaum, dass die Preise für Strohpa pier in ähnlicher Weise wie bei uns zurückge gangen sind. Ich habe doch hier schon vor einem halben Jahre Strohpapier-Offerten zu 7 Mk. für 100 l'fd. gesehen! Wie dabei von einem Verdienst die Rede sein kann, ist mir nicht recht erklärlich. In Frankreich ist übrigens der Verbrauch in Strohpapier immer noch ganz bedeutend, und diese Papiersorte bildet in Spezereigeschäften, Charcuterieen, auf Wochenmärkten u. s. w. fast das einzige Einwicklungsmaterial, da der fran zösische Kaufmann, und zwar mit Recht, auf Packung in neuem reinlichen Papier mehr hält, als der deutsche Verkäufer, welcher mit der grössten Ruhe dem Publikum Käse, Wurst, Seife, etc. in altes, beschmutztes, dünnes, ver brauchtes Zeitungspapier einhüllt, so dass oft das Paket nicht einmal wohlbehalten bis zur Laden- thüre gelangt! Eine kleine Besserung ist zwar schon hie und da eingetreten, indem doch in grösseren Städten Wurstlereien und bessere Ko- lonialwaarengeschäfte bei uns auch endlich an fangen, ihre Waaren wenigstens in sauberes Papier zu wickeln. Das oft unsinnige massenhafte Fa- briziren hat, wie es scheint, in Frankreich im Strohpapierfach ähnliche Früchte getragen, wie bei uns im Druckpapierfach — hoffen wir aller orts Besserung und Einsicht, da billige Preise den wirklichen Verbrauch ja nicht erhöhen können. — n — Bleichen des Zellstoffs. Ein Abonnent in England ersucht uns, an dieser Stelle mitzutheilen, welche Menge von Chlorkalk zum Bleichen von Zellstoff, beson ders Natron-Zellstoff, erforderlich sind. Es ist jedoch leider unmöglich, hierüber bestimmte Angaben zu machen, da die erforderliche Menge unterchlorigsauern Kalks von dem gewünschten Grad von Weisse, von der Art der Verwen dung des Chlorkalks und vor allem davon abhängt, in welchem Zustand sich der zu bleichende Zellstoff befindet. Ist der Zellstoff ungenügend gekocht oder ausgewaschen, so dass er noch ungelöste Inkrusten oder Verun reinigungen enthält, oder war das verwendete Holz, Stroh u. s. w. angefault oder sonst un geeignet, so wird viel stärkere Bleiche nöthig sein, als bei reinem gut gekochtem Stoff. Es gilt bei den Zellstoff-Praktikern als Regel, dass das, was man am Rohstoff, an Soda, an Dampf druck oder Zeit beim Kochen erspart, meistens durch Mehrverbrauch von Chlorkalk ausge glichen werden muss. Wir glauben daher, ungefähr das Richtige zu treffen, wenn wir den Bedarf an gutem Chlorkalk auf 10 bis 25 Prozent und mehr vom Gewicht des damit erzeugten Zellstoffs (trocken gedacht) beziffern. Es wäre jedoch sehr er wünscht, wenn uns aus den Kreisen der Papier- und Zellstoff-Fabrikanten recht viele vielleicht genauere Erfahrungs - Ergebnisse mitgetheilt würden. Ein solcher Austausch von Erfahr ungen würde Allen nützen. Gutes Urtheil hat Derjenige, welcher sich nicht ganz auf das eigene und nicht ganz auf das Anderer verlässt.