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Herbstblätter. Auf dem Wege liegen braune Blätter, rote, sonnenklare, Sturmgesät in bunter Laune, Liegen alle meine Jahre. Alles Leben, süß erworben, Ist zu Gott nun heimgestorben. Wilhelm Schüssen. Zum naiionalen Gpartag. Ein Wort an die deutsche Hausfrau. Deutsche Hausfrau! Durch deine Hand fließen vier Fünftel des deutschen Volkseinkommens. Du hast darüber zu entscheiden, wie dieses Geld-ver wendet wird. Auf dich kommt es also entscheidend an, wenn es darum geht, die deutsche Wirtschaft wieder auf den festen Stand zu bringen, den sie einstmals gehabt hat. Einstmals, als man es noch nicht sür notwendig hielt, ausländische Früchte zu essen und sich in ausländische Stoffe zu kleiden, damals, als man aber auch jeden Monat einen, wenn auch bescheidenen, Teil des Ver dienstes zur Sparkasse brachte. Wohin die Einstellung der Nachkriegszeit uns geführt hat, haben wir alle er fahren. Heute müssen wir wieder sparen. Heute müssen wir uns über jeden ausgegebenen Groschen wieder Rechenschaft ablegen, ob er auch richtig angewandt ist. Das sollte sich besonders jede Hausfrau zu Herzen nehmen. Denke an deine Zukunft und an die deiner Kinder! Denke daran, daß nur erarbeitetes und erspartes Gut im neuen Staate etwas gilt, und denke auch daran, daß du mithilfst am Aufbau und der Festigung der deutschen Wirtschaft, an der Freimachung Deutschlands vom Aus landskapital, wenn du deine ersparten Gelder zur Sparkasse bringst. Und dann noch eins: Erziehe auch deine Kinder zur Sparsamkeit! Gib ihnen Heimsparbüchsen und Spar buch in die Hand. Du machst ihnen den Lebenskampf dadurch leichter, denn die zur Sparsamkeit erzogenen Menschen werden den Anforderungen des Lebens slets gefestigter gegenüberstehen. Lege noch heute ein Spar buch auf deine Kinder an. Dazu mahnt dich der 3 0. O k t o b e r: der Nationale Spar tag. Ser Deutsche Luthertag verschoben. Auf den 19. November. Durch eine Verfügung des Reichsbischoss ist der Deutsche Luthertag im Hinblick auf die bevor stehenden Wahlen aus den 19. Novemberver schob e n worden. In der Verfügung des Reichsbischofs heißt es u. a.: Die Politik des deutschen Volkes ist gegenwärtig so ver antwortungsschwer, daß in diesen Wochen alleKräfte für ein geschloffenes Z u s a m m e n sie h e n des deutschen Volkes am 12. November eingesetzt werden müssen. Diese Notwendigkeit gebietet, die für den 10. November dieses Jahres angesetzten Luther-Feiern zu verschieben. In dem gleichzeitigen Wunsche, die Feier des 450. Geburts tages des Reformators zu einer Feier für das ganze deutsche evangelische Volk zu gestalten, an der auch die werktätige Bevölkerung teilnehmen kann, ordne ich an, daß der Deutsche Luthertag in allen Gemeinden der Deutschen Evangelischen Kirche am Sonntag, dem 19. No vember, begangen wird. Dr. SSener und Dr. Luther beim Zeppelintag in Wlago. Dr. Eckener und Botschafter Dr. Luther werden sich von Akron mit der Eisenbahn nach Chikago begeben, um an dem dort angesetzten „Zeppelintag" teilzunehmen. Das Luftschiff wird von Akron aus eine Rundfahrt über Chikago unternehmen und wieder nach Akron zurück- kehren, da eine Möglichkeit zu landen in Chikago nicht besteht. As MMMiimt im ReiHstU Geheimnis um zwei Aktentaschen. Brand stoss mit Zeitzündung im Reichstag. Nachdem durch die sensationellen Sachverständigen gutachten festgesteltt worden ist, daß die Brandlegung im Reichstagssitzungssaal durch felbstentzündliche Stoffe verursacht worden ist, wird heute eine Reihe von Zeugen gehört, die über den Aufenthalt und das Ver halten Torglers am Brandtage Auskunft geben sollen. Am Verteidigungstisch sieht man heute an Stelle des Verteidigers Torglers, Dr. Sack, dessen Sozius Rechts anwalt Pelkmann. Dr. Sack hat sich wegen eines schweren Katarrhs für die nächsten Stunden entschuldigen lassen. Der Sachverständige Dr. Schatz macht dann dem Gericht Vorschläge, um die Wirkung des selbstcntzündlichen Brennstoffs vorzuführen. Oberreichsanwalt Dr. Werner hält es für notwendig, daß bei diesem Experiment auch Feststellungen getroffen werden über den Geruch an den bei dieser Vorführung beteiligten Personen. Torgler fragt den Sachverständigen, ob ihm bekannt ist, wie in der Anklage schrift festgesteltt wird, daß der Tapezierer Borchart ein angebranntes Stück Stoff, das neben der Jacke Lübbes im Umgang vom Plenarsaal gefunden worden ist, als ein Stück von dem Vorhang zum Stenographen raum identifiziert hat. Torgler fragt weiter, wie der Sachverständige diese Feststellung mit seiner gestern ent wickelten These vereinbare, wonach van der Lubbe über- h au ptnichtim Plenarsaal gewesen sei. — Vor sitzender: Er habe den Sachverständigen immer vorgehalten, es ist ein Stück Vorhang gefunden worden, und das würde dafür sprechen, daß Lubbe doch einmal dort durchgerannt ist. Darauf hat der Sachverständige geantwortet: Das mutz ich allerdings glauben. Dimitroff fragt nun die Sachverständigen, wie die Sachlage, daß in der Zeit vor dem Brand nichts Auffallendes und Verdächtiges bemerkt worden sei, mit der Tatsache zu vereinbaren sei, datz ein so grotzer Brand entstanden ist. — Der Vorsitzende lehnt diese Frage ab, weil sie nicht an die Sachverständigen zu stellen sei. Diese Frage habe das Gericht und die Verteidiger viel leicht im Plädover zu behandeln. Der Führer auf der Kehlheimer Kundgebung. Unser Bild zeigt Reichskanzler Adolf Hitler bei der Treuekundgebung in Kehlheim, aus der er seine große Rede gegen unehrenhafte Verträge und Diktate hielt. Rechts steht man Stabschef Röhm. Die erste Zeugenaussage bringt gewisse Belastungsmomente für Torgler. Es handelt sich um eine Frau Pretzsch aus Karlshorst, die im Nebenhaus Torglers wohnt. Die Zeugin ist am Tag des Brandes vormittags mit ihrem Sohn in Karls- Horst Torgler begegnet. Dieser trug zwei große schwere Taschen, sah die Frau scheu an, und zwar so, datz der Sohn seine Mutter noch besonders darauf hinwies. Als wir am nächsten Morgen in der Zeitung von dem Reichstags brand lasen, so erklärt die Zeugin weiter, sagte mein Sohn noch: Nun Weitz ich auch, warum der Torgler die schwere Tasche getragen hat. Es wird der Zeugin die Aktentasche vorgelegt, die Torgler auch jetzt als Angeklagter für seine Akten dauernd bei sich führt. Sie erklärt aber, datz die Mappen, die sie damals gesehen hat, ihrer Ansicht nach grötzer gewesen sein müßten. Die Taschen sollen ganz voll gewesen sein. — Vorsitzender: Er hat Sie eigenartig angesehen? — Zeugin: Ich hatte das Gefühl, als wenn es ihm un angenehm war, daß er uns gerade begegnete. — Vor sitzender: Der Angeklagte sagt nun, er hatte in seinen Aktentaschen einen Stoß von Zeitungen getragen. — Zeugin: Die Last Wargrößer, als wenn es sich um Zeitungen gebandelt hätte. Es tritt dann eine Pause ein, während der das Gericht dem von dem Sachverständigen Dr. Schatz im Reichstags sitzungssaal angestellten Brennstoffversuch bei wohnt. Es handelt sich hierbei nur um eine Augenschein nahme des Gerichts, der Reichsanwaltschaft, der Angeklag ten und der Verteidiger, an der das Publikum und die Presse nicht teilnehmen. Der als Zeuge geladene kommunistische Essener Journalist Birken Hauer, mit dem Torgler am 27. Februar zusammen im Reichstag war und mit dem er sich angeblich abends bei Aschinger getroffen hat, ist nach Mitteilung des Oberreichsanwalts nicht auf zu f i n d e n. Die Durchführung des von dem chemischen Sach verständigen Dr. Schatz-Halle angestellten Experimentes im Sitzungssaal fand an der Stelle statt, an der früher die Tribüne des Reichsrats stand. Es wurde der Beweis geführt, daß die selb st entzündliche Flüssigkeit, deren Name geheim gehalten wird, in einem Zeitraum von sechs bis zehn Minuten Feuer fängt. Es ist aber möglich, diese Flüssigkeit in verschiedenen Lösungen herzustellen, und danach die Zeitdauer bis zu ihrer Selbstentzündung vor her zu bestimmen. An die Besichtigung schloß sich zunächst die Mittagspause an. Nach Wiederaufnahme der Ver handlung äußert sich der Gerichtschemiker Dr. Schatz aus Halle eingehend über die Gcruchswahrnehmungen nach dem von ihm vorgenommenen Experiment. Er hat, nachdem er sich die Hände stark mit Petroleum eingerieben hat, zwei Schupobcamte veranlaßt, seine Hände und seinen Anzug anzuriechen. Die beiden Beamten haben erklärt, keinen Geruch wahrgenommen zu haben. Weitere Versuche hatten das gleiche Ergebnis. Dr. Schatz antwortet auf Betragen des Vorsitzenden, daß er Verbrennungsprodulte des ungenannten Zünd stoffes nach dem Brand an fünf verschiedenen Stellen gefunden habe. Der Vorsitzende richtet dann an den Zeugen Fragen über die Brandspur im Mantel van der Lübbes. Der Zeuge hatte die Taschen Lübbes genau durch sucht. Die Möglichkeit, daß die Spur von diesem Mittel! herrühre, bestehe, sei aber nicht mehr nachzuweisen. Vorsitzender: Liegt die Möglichkeit vor, daß van der Lubbe den Mantel abgelegt hat, um der Feuerwirkung zu entgehen? Zeuge: Das halte ich für sehr wahrscheinlich. Der Mantel muß gebrannt haben, solange ihn Lubbe noch am Leibe batte, oder als er ihn tzSLMgstens hochgehalten hat. MWUUMWMNI Roman von Lhlotilde von Stegmann-Stein. 8. Fortsetzung Nachdruck verboten In seiner Stimme war die tiefe Zärtlichkeit für das Mädchen an seiner Seite und jagte einen leisen Schauer durch Beate. Sie wußte ja nicht, aber sie ahnte es vielleicht, daß sein Entzücken nicht nur der Landschaft galt. Aber schon sprach Allan ruhig weiter: „Ich habe nicht gewußt, daß Deutschland so schön ist. Meine Mutter hat es mir manchmal erzählt, denn der Vater hat sie sich ja als junges Mädchen von hier geholt. Aber alles, was sie mir sagte, war doch nur ein schwacher Ab glanz der Wirklichkeit. Sie lieben wohl Ihre Heimat sehr, Miß Diesterweg?" „Ich liebe sie über alle Begriffe," erwiderte das Mäd chen, „und darum habe ich mich für ein Weilchen von der fröhlichen Gesellschaft dort drüben weggestohlen. So oft ich auch schon die Nheinfahrt gemacht habe, immer wieder überwältigt mich der Zauber und die Erinnerung an die großen Zeiten der Vergangenheit, die hier lebendig wird." „Das kairn ich mir vorstellen, Miß Diesterweg. Wir in Amerika haben das ja nicht, dieses Hineinreichen der Ver gangenheit in die Gegenwart. Bei uns ist alles Gegenwart, ober auch die ist groß und gewaltig. In dem Jagen und Ha sten der Riesenstädte wie in der Einsamkeit der unendlichen Prärien. Noch ich vostie, ich könnte Ihnen auch einmal unser Land drstben zeigen, n»t seinem unberührten Zauber, mit dem freien Leven, den tage la «gen Ritten durch die Stille der menschenleeren Steppen und dem hohen Himmel dar über." „Warum sind Sie eigentlich hierher gekommen, Mr. Par ker?" fragte Beats nnt umarmem Interesse. „Wer wie Sie ko lange weitab von aller Kultur gelebt hat, dem muß es Koch hier bei uns mitunter sehr eng und unfrei vorkom- men." Allan Parker wurde rot. Jetzt mußte er wieder lügen, wenn er sein Geheimnis nicht verraten wollte. Und so sagte er denn etwas hastig: „Das waren private Verhältnisse, Miß Diesterweg." „Verzeihen Sie." Das Mädchen sah ihn warm an. Sie glaubte nichts an deres, als daß es ihm peinlich wäre, an seine Armut er innert zu werden. Hubert MerÄrügge hatte einmal auf eine Frage aus dem Freundeskreise angedeutet, daß finanzielle Verluste durch den letzten amerikanischen Bankkrach auch Parker schwer betroffen. Durch geschäftliche Beziehungen, die der alte Kommerzienrat Mersbrügge hinüber nach Ame rika Hatte, hätte dann, so erzählte Hubert, Allan Parker die Stelle als Sekretär und Reisebegleiter bei ihm erhalten. Allan Parker sah mit heißem Entzücken die zarte Ver legenheit, mit der Beate sofort das Gespräch wieder auf etwas anderes lenkte. In welchem Gegensatz stand der seins Takt, den sie bewies, gegen die Neugier, mit welcher Ma rietta von Herward ihn Uber sein früheres Leben ausge- fragt hatte. So lenkte er denn auch sofort ab. „Was haben Sie für Nachrichten von Ihrem Herrn Va ter, Miß Diesterweg? Ich hoffe, es geht ihm gut und er kommt bald zurück." „Ich hoffe es auch, so sehr dankbar ich auch Frau Pro fessor Lenius dafür bin, daß sie mich als Vizetochter für die Zeit von Papas Abwesenheit angenommen hat. Ich ver misse meinen lieben Vater doch sehr. Unsere Ferienreisen sind die einzige Zeit, in der ich ihn einmal wirklich für mich habe. Wenn er erst im Beruf ist, wird er von seinen Mandanten und seinen Akten ganz aufgefreffen. Da ist es nur gut, daß auch ich meine Arbeit habe." „Ja, ich habe schon Wunderdinge von Ihrem Fleiß ge hört, Näß Diesterweg, aber, Gott sei Dank," er lachte fröh lich auf, „wenn man Sie fo anschaut, sieht man Ihnen die Gelehrsamkeit gar nicht so schrecklich an, wie manchen Frauen, die man in den Hörsälen und aus den Universi täten trifft." NE mußte auch Beate lache«. „Muß denn Lernen und Lernenwollen wirklich einer Frau immer an der Nasenspitze abzulesen sein? Sie haben doch, hoffentlich nicht noch die alte Vorstellung, daß eine Frau, die lernt und strebt, eine Vogelscheuche sein müsse, häßlich, alt, schlecht angezogen, mit einer Brille auf der Nase?" „Nein, Miß Diesterweg, seitdem ich Sie kenne, habe ich diese Vorstellung nicht mehr." „Und werden sie auch in Zukunft hoffentlich überhaupt nicht mehr haben. Der Trieb, zu lernen und sich zu bilden, hat doch gar nichts mit dem Aeußeren zu tun. Das ist doch eine seelische Anlage." „Die Sie vermutlich von Ihrem Herrn Vater geerbt ha ben, Miß Diesterweg. Man rühmt Ihren Herrn Vater als einen der bedeutendsten Köpfe des Landes." Ein Schatten flog über Beate Diesterwegs schönes, klu ges Gesicht: „Er ist nicht mein richtiger Vater," sagte sie leise, „er hat mich adoptiert, als ich, zweijährig, nach dem Tods meiner Mutter, ins Waisenhaus gebracht wurde." Ein schmerzlicher Zug um ihren Mund zeigte ihre inner liche Erregung. Allan Parker war tief erschrocken. „Verzeihen Sie, Miß Diesterweg, ich hatte keine Ahnung davon, Hubert, — Mr. Meersbrüggs —" verbesserte er sich schnell, „hat mir nie ein Wort davon gesagt." „Es weiß auch niemand davon. Das alles geschah längst, bevor Vater nach Köln zog. Ich habe es auch bisher noch niemandem gesagt und ich weiß»nicht, warum ich zu Ihnen..." sie schwieg plötzlich. Eine heiße Welle floß über ihr lichtes Gesicht und sie sah in jäher Verlegenheit von dem Manne neben ihr fort. Durch Allans Herz floß ein unsinniges Glücksgesühl. N'.s hatte sie zu einem anderen Menschen davon gesprochen. Ec war also der erste, dem sie ihr Geheimnis enthüllte. Wac dies Zeichen des Vertrauens nicht ein Beuieis dafür, daß sie anders und mehr für ihn fühlte als für irgend einen Menschen aus dem fröhlichen Kreis, der sie umgab? (Fortsetzung folgte