Volltext Seite (XML)
Frankenberger Erzähler Urrterhattmtgsbettage zm» Krsakrr^erger Tage-tatt Nr. 83 Mittwoch des 8. AllM 1S34 Sein Mund verschob sich in verächtlichem Mitleid. Er hatte seine Wanderung wieder ausgenommen und blktzb jetzt dicht vor ihr stehen. „Diese deine große, über alles gehende Liebe, die du zu mir gehabt haben willst, war gar nicht echt, sonst hättest du verzichtet, du hättest „Markus!" Seine Hand gebot Schweigen. „Du hättest lieber alles, selbst eine Trennung von mir ertragen, als mich unglücklich gemacht." „Unglücklich gemacht?" „Ja!" „Ich habe gehofft, meine Liebe könnte sühnen." Er fiel ihr barsch in die Rede: „Laß das Phrasenwerk! Es paßt so schlecht zu dem. was wir uns zu sagen haben. Es ist und bleibt unverrückbare Tatsache: Lein Vater Hot den meinen getötet. Aus Fahrlässigkeit zwar, nicht aus — ach, was red' ich denn. Er hat ihn ganz einfach getötet. Und du, die Tochter dieses Mörders bist meine Frau und die Mutter meiner Kinder. Begreifst du diese Unge heuerlichkeit? — Und nun suche einen Ausweg, wenn du kannst! Ich bin am Ende!" Was er jetzt tat war fürchterlicher als jedes Wort, mit dem er sie getroffen hatte. Die Arme gegen die gekalkte Mauer werfend, grub er das Gesicht hinein und stöhnte wie ein Gepeitschter unter den Hieben seiner Schergen. Sie lehnte ihm gegenüber und trug ein verzweifeltes Flimmern in den Augen, als sie sich jetzt von der Wand löste und auf ihn zukam „Wenn du nicht an meine Liebe zu glauben vermagst, Markus, dann erinnere dich an mein Verzeihen damals, als du aus Island zurückkamft. Sei barmherzig, wie ich es gewesen bin! — Hab' Erbarmen. Markus!" Ihre Arme umfingen ihn an den Schultern. Ihr Gesicht preßte sich zu ihm. Sie fühlte sich abgeschüttelt und zur Sette geschoben. Seine Augen standen als dunkle Punkte unter der weißen Stirne eingemeißelt. „Du hast vergeben! Jal — Aber ich habe auch bekannt. Vergiß das nicht! Doch du — host verschwiegen. Das ist es. Und das trennt uns, denn du hast kein Recht, mir aus deinem damaligen Verzeihen eine Kette zu schmieden, mit der du mich jetzt hatten willst. Daß es kein Zusammenleben mehr zwischen uns geben kann, wirst du begreifen." Sie fühlte sich in graue Nebel geschleudert, die sie rings um einkreisten. Sie wurden immer dichter, stiegen höher und höher, bis nichts mehr von der Decke über ihr zu sehen war. Ihre Hand griff und tastete ins Leere. Der hoch beinige Stubl ächzte, als sie darauf niederfiel. Sie stammelte etwas und verstummte jäh. Die Stimme von Markus Lente kam jetzt vom Fenster her: „Du hast an meine Barmherzigkeit appelliert! Gut! — Die beiden Mütter sollen nicht um das Fürchterliche wissen. Es genügt, wenn mein Leben dadurch verpfuscht ist. Die Kinder bleiben bei mir! — Sagtest du etwas?" Er umklammerte das Fensterkreuz, um Zeinen Händen zu wehren, ihr zu Hilfe zu kommen. Sie hing im Stuhl und wurde von einem tränenlosen Schluchzen hin- und hergeschüttelt. Zwei Schritte machte er auf sie zu. dann hielt er inne und sah mit der Strenge eines Richters nach ihr hinüber. „Hast du dir etwas ande res erwartet?" Sie versuchte sich hochzuheben. Aber es mißlang. „Nur eins der Kinder! — Eins der Kinder, Markus!" „Welches?" Ihre Finger gruben sich in den Katt der Mauer. Wet« ches? Nein, Ls war.keine LarncherMkeit. ihm zu er- ' hoffen. „Der Junge Mrdt, wenn du ihn plötzlich von meiner ' Brust nimmst." z „Wie lange willst du ihn noch haben?" Weiß und ver zerrt stand sein Gesicht unter dem dunklen Haar, das ihm feucht um die Schläfen klebte. „Ich habe jedes der Mädchen zwölf Monate genährt. Der Junge ist sieben. Noch fünf Monate, Markus. Dann kannst du mir auch das Herz aus dem Leibe reißen. Ich , brauche es nicht mehr." „Du kennst nur dich!" schrie er sie an. „Mein Herz ist wahrscheinlich ein Steinklotz, auf dem man Quadern häm mern kann." Und dann brach es über seine Lippen, daß sie ie Ohren mit beiden Händen decken mußte, um das Ent- .tzliche nicht mehr zu hören, das er jetzt in die Nacht schrie. Sie hob die Hände zu ihm auf und drückte sich schreck- i füllt gegen die kalte Wand. „Markus! — Um deiner selbst oilleu, Markus, halte ein!" Der Schweiß klebte ihm auf der Stirn. Weißer Schaum land in den Winkeln seines Mundes. Die Arme zuckten I ruf und nieder. Cs hatte den Anschein, als wolle er sich s ruf sie stürzen und sie erwürgen. Mit der Demut einer i Sklavin hob sie sich vom Stuhle auf und kam ihm entgegen. „Wenn es dich erleichtert, Markus, dann schlage mich neder." Und als seine Hände sich in den Taschen seines Nockes vergruben, nickte sie schmerzlich. „Es soll alles so ein, wie du es betreffs der Kinder wünschst. Ich verzichte ruf jedes Anrecht auf sie." „Ich will das vor einem Notar bestätigt haben." „Jal Vor einem Notar!" Noch immer lag da» demütig Unterwerfende in ihren Zügen, als sie sagte: „Darf ich noch eine Bitte an dich richten, Markus?" „Welche?" Er sah sie dabei nicht cm. „Daß du die Kind-r nicht um die Schuld ihres Großvaters wissen läßt und... um die meine." Er nickte und mußte sich Zwang antun, zu ihr zu sprechen: „Ich habe erwartet, daß es dich interessiert, von wem ich über die Sache gehört habe." Sie schüttelte den Kopf. Es war ja jo gleichgültig, wer ihr Leben zertrümmert hatte. Ob es diese Ä>er jene Hand gewesen war, die den Stein nach ihrem Glück geworfen und es in Scherben schlug. Sie sech kaum auf, als er einen Brief aus der Tasche nahm und ihn auf die Kante des , Tisches legte. i „Kann ich gehen wohin ich will? Oder hast du auch , darüber schon Bestimmungen getroffen?" Während sie sprach, irrten ihre Augen in die Nacht, die schwarz und drohend vor den Fenstern stand. „Bei deinem Vater wirst du wohl am besten aufgehoben sein." Ihr Körper schnellte auf. Das Demütige wich aus ihrem Blick. Ihre Augen wurden zu blauem Äahl: „Dann will ich also zu meinem Vater gehen!" „Wer gibt mir die Garantie, daß er den Jungen nicht auch aus Unachtsamkeit zur Seite schafft, wie einstmals meinen — — —" Sie fiel ihm ins Wort, ihre Wangen flammten. „Run ist es genug! Auch jede Grausamkeit muß ihre Grenze haben. Den beiden Frauen kannst du sagen, was du für gut findest. Du wirst sie schonen. Die Mädchen sind bei Christme in bester Hut. Von mir wirst du nichts hören. Es wäre denn, daß dem Jungen etwas sei." . „ . „ Sie wollte zur Türe, sah, daß er eme Bewegung nach ihr hinmachte und verhielt den Schritt. „Würdest du in eine Scheidung willigen? „Nie", sagte sie schroff. . „Ich würde nicht wieder heiraten", beschlch er. „Des- wegen ist es nicht. Nur so hat es doch auch keinen Sinn mehr." „Ich will nicht vor aller Wett gebrandmarkt sein", stieg ! sie mit der letzten Kraft der Verzweiflung hervor. „Wie du dein Leben einrichtest, das überlasse ich ganz deinem Gut- dünken, nur die Kinder, wenn du es sie nicht ent gelten lassen möchtest, daß ich es war, d« sie dir geboren hat." Sie wartete auf eine Erwiderung und Äs nichts kam. l schluchzte sie auf und drückte di« Türe hinter sich ins Schloß, s Lr nerivürte den tÄneu LoÜLua und hürte, wie die Klink