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Bon Drinnen Berlin, dritte ONoberwoche 1982. Die Tveit soll nicht zur Ruhe kommen. Immer wieder wird „historisch" die Vergangenheit auf- gerührt; immer wieder wird „prophetisch" die Zukunft gefälscht. In der „Revue des deur Mondes" — eine monde genügt nicht Kazu — veröffentlicht Maurice Palelogue eine diploma tische Studie: ein Vorspiel zur Invasion Bel giens. Darm behauptet Maurice, ein deutscher, dem Eeneralstob angehöriger General habe vor dem Krieg den Franzosen den berühmten Auf marschplan des Generals Schlieffen für sechzig- tausend Franks verkauft. Man ist stark versucht, diesen Enthüllungen des Herrn Maurice Palä- logue in der deutschen Uebersehung die Ueber- schrift zu geben „Wie sich der kleine Moritz den preußischen Generalstab vorstellt". Und während Maurice-Moritz die Vergangenheit mif- und um rührt, warnt ein nicht minder emsiger Förster vor der Zukunft. Nicht uns warnt er, fondem vor uns. Dieser angeblich deutsche Ober-Förster der Frcmzostn-Cligue, der den traurigen Mut besitzt, in Frankreichs Riefenarmeen den antr- militaristischen Gedanken verankert zu sehen, hat jüngst wieder als den wirklichen Feind Eu ropas und seines Friedens — den heutigen preu ßischen Militarismus und sein Programm deut scher Wiederherstellung bezeichnet. Diesem Göt terliebling und Professor können gar nicht Ver bots genug gegen dos geknebelte Deutschland ergehen. Und dabei weiß er — wenn er nicht gary irrsinnig ist und wenn er nicht das Ge dächtnis zusammen mit jedem Anstand verloren hat — ganz genau, daß wir vor lauter Verboten uns selber schon nicht mehr auskennen. Dem — Wir „dürfen" nicht dies, wir „dürfen" nicht das, Kaum können wir atmen, und schnaufen. Bon draußen — Verbot. Von innen — Erlaß. Und Notverordnung ein Haufen. Wir dürfen nicht eiserne Schiffe bau'», Nicht schützend verschallen die Hügel; Wir dürfen uns nicht der Luft vertrau'n Muf windgetragenem Flügel. Wir dürfen entzünden kein spähendes Licht Ueber gefestigtem Hafen; Wir dürfen am Rhein den elenden Wicht, Der uns verriet, nicht bestrafen. Wir dürfen nicht in die Fremde hinaus Mit mehr als mit zwei Scheinen; Wir dürfen di« Brüder vom Deutschen Haus Nicht sammeln und vereinen. Mr dürfen bilden kein Trommlerkorps Für uns're marschierenden Buben; Mr dürfen den übelsten „Korridor" Nicht um-bau'n zwischen den Stuben. Wir dürfen entfalten kein Freiheitspanier Und kein« Flint« laden; Und geh'n wir ins Wasser, so dürfen wir Nicht ohne „Zwickel" baden... Wir hören knirschend Verbot und Diktat — Nicht di« Geduld verlieren! Eins weiß ich: der übelste Winter naht, Uns're Kinder dürfen nicht frieren! Der Winter mit Schnee und mit Schauern zieht Des gilt sich's zu erinnern — ^sein, To redet uns keiner von Außen hinein Und verbietet uns keiner im Innern. Ta enllgen sich Bürger und Volkstribun Und Bauern und Doktoren, Wir müssen uns tapfer zusammen-tun, Eh' deutsche Kinder erfroren. Ta spüren wir Zwang des heiligsten Bunds: Tas Mitleid ist nicht erloschen. Und Hilst uns keiner, so helfen wir uns Mit unsern armseligen Groschen. Wir mildern der Aermsten trauriges Los Und tragen Scheit zu Scheiten — Und ziehen am Herd eins Jugend groß Mr schönere, bessere Zeiten! Das Hemd ist uns näher als der Rock. Die Winterhilfe muh Deutschlands nächste Sorge, muß und Draustem Deutschlands wichtigster Gedanke sein. Mr müssen zusammenkratzen, daß wir die Frierenden und Darbenden durch den Winter bringen. Wir haben's ja noch — so scheint'-, wem man gewisse Dinge und Geschehnisse aufmerksam betrachtet. So zum Beispiel den unter den Vorsitz des überaus gewissenhaften Herrn Ohnesorge geführ ten „Prozeß Caro". Vier Monate zieht sich diese widerliche, schleimige Angelegenheit schon hkn! Und die gute alte deutsche Justiz hat nichts Besseres zu tun, als ohne Sorge mit Ohnesorge immer weiter die Wahrheit zu suchen, — von der jedes Kind schon längst überzeugt ist. Gewiss die Tugend großer Seelen ist Gerechtigkeit. Aber daß nur vier Monate lang für schreMch viel Geld und mit unendlich viel Vergeudung von Zett und Gerede diese Gerechtigkeiten, die „Tugend großer Seelen" laufen lassen zu einem Ziel, das längst jeder sieht — das ist bei den «normen Kosten dieser sportlichen Leistung, scheint mir, ein Un ding. Genau wie im Falke des Schwindlers Taubmann... Der hat sich eine Weile als „Held" und „Dulder" tücktrq feiern lassen, bis ihm — da es eine Unvorsichiigkeit war, seine Finger in schwarze Schmiere zu tauchen — durch die unfehl bare Daktyloskopie bewiesen wurde, daß er der Christian Hummel aus Offenburg in Baden ist und nicht der aus Neapel so pompös ang «kündigte „Heimkehrer", der leider Angst tote Gefreite Taubmann. Auch da ist Geld, viel Geld — i und nicht wenig Enthusiasmus — ganz unnütz vertan worden. Und auch da stehen wieder — wie bald im FMe Caro — die Mühlen, die noch eben so munter und laut und so wichtig geklappert haben, plötzlich still und leer. Wir hier oben in Norddeutschland — und je näher wir der holländischen Grenze kommen — wir kennen die auf Ofenkacheln und Flachlandbildern ganz hübsch sich präsentierenden, aber eigentlich so be denklichen Symbole... Diogenes. Tpielplan der Theater in Chemnitz von Sonnabend, 22.10., bis Sonntag, 30.10. 32. Schauspielhaus: Sb.: 8.00 (Sckmulpieivreise) Alle Wege führen zur Liebe. So.: 7.30 (Außer Abonnement Schau- lvielpreile) Die endlose Straße. Mo.: 8.00 (Volks bühne) Mädchen in Uniform. Di.: 8.00 (Bühnen- Volkbund) Die Räuber. Mi.: 8.00 (Schauspiel- preise) Di« endlose Straße. Do.: 5.00 (Vorstellung nur für Erwerbslose) Schneider Wibbel. Fr.: 8.00 (Volksbühne) Schneider Mbbel. Gb.: 800 (Schau- svielpreise) Die endlose Straße. So.: 7.30 (Außer Abonnement Schaulpielpreise — Erstaufführung) Der Vetter aus Dingsda. Opernhaus: Sb.: 8.00 (Operettenpreise) Der Zigeunerbaron. So.: 3.30 (Letzte« Märchen-GaMpiel Erika Graf) Schneeweißchen und Rosenrot; 7.30 (Auher Abonne ment Opereiienvreis«) Ein Walzertraum. Mo. (Ge- schlossen.) Di.: 7.30(Opernpreile) Tannhäuler. Mi.: 8.00 (Opernpreise) Ariadne auf Noros. Do.: 8.00 (Konzert-Abonnement Nr. 1 — Konzert - Preise) 1. Jubiläums-Konzert. Fr.: 5.00 (Vorstellung nur für Erwerbslose) Der Zigeunerbaron. Sb.: 730 (Letzte öffentliche Aufführung - Opernpreile) Aida. So.: 7.30 (Außer Abonnement Operettenpreise) Peer Gynt. Zcntral-Theater: Ab Sonntag, den 23. Oktober, die letzte Woche mit dem Dchlierleer Bauerntheater und den großen neuen Barittä-Attraktionen. Bühnenvolksbund Chemnitz Sonntag, 23. Ostober, abends 7.45 Ubr (Schau spielhaus): Der Vetter au« Dingsda, Gruppe St und Overetten-Sondergruvpe. Dienstag, 25. Ok tober, abends 7.45 Uhr (Schau'vielbaus): Die Räu ber, Gruppen C, D, K, L. Donnerstag, 27. Ok tober, abends 7.45 Uhr (Opernhaus), Opernhaus- Konzert, Gruppen A, E und Wahlveranstaltung. Chemnitzer Volksbühn«: Montag, 24. Ostober, Thgdn. 8 und 19: Mäd chen in Uniform, 8 Uhr im Sch.-H. Freitag, den 28. Oktober. Thgdn. 13 und 20: Schneider Wibbel, 8 Uhr im Sch.-H. „Der Seechertod" Heimatliche Maleret von I. G. Sattler, Frankenberg. Ueber das silbrige Band Kes Flusses dort führt die Brücke. Eine der ältesten des Sachssn- landes und wohl die wenigstens, die mit Roß und Trüß darüberwalken, wissen davon, daß es Steinsetzer des alten Kurfürsten Moritz waren, die die einfachen Schwibbogen einst wölbten. Träge, unendlich müde zieht das Wässerchen durch das Bollwerk vergessener Tage. Tausends, mit Schaumdiademen gekrönte Weilchen zerschellen an der felsigen Mauer; die sich noch retten konnten, tänzeln und ringeln gar wehmütig weiter. Binsen und Schilf strecken verlangende Arme ins Wasser und ein schlaublinzelndes Fröschlein läßt sich, in der Erosionsrinne hockend, die wohligen Sonnen strahlen auf die erdgraue Kutte tummelst. Alte, mit Rasen umsäumte Steinstiegen führen zur Uferhöhe auf einen Weg. Hüften und Häuschen schmiegen sich an die in Grün sich kleidenden Talhänge. Hier und dort kräuselt ein friedliches Rauchwölkchen «mpor, die Zurichtung des Nacht mahles verkündend. Von drüben aber kommt der liebliche Klang der Abendglocke. Es sind alles traute Nestchen hier, in denen oiu altes, zufriedenes Geschlecht heimset und der Landfahrer, der in das niedrige Stübchen tritt, findet bei aller Not und Armut stets ein treues Herz und eine offene Hand. Ekn altes, Ängst verwehtes Jahrhundert schlummert noch in diesem Talwinkel. Ach, war «inst ein Leben hier! Da stiegen sie herunter von der Berglehne, pilgerten mit dem Grubenlicht über die alte Brücke und zogm hinaus über die Höhen. Längst schon, wenn die Sonne dann Herauflam und in die kleinen Butzenscheiben blinkte, saßen sie im Schoß der Erde. Längst schon Mert der freundliche Ruf des Bergglöckchens nicht mehr über das Tal, längst schon sind die Schritte über die morgendliche Höhe verhallt, schon lange nicht mehr rollen die Erzwagen die Schwibbogen. Der rötlich verblaßte Wetterkasten hängt in den Hütten über der Tür und träumt beschaulich von den täglichen Fahrten in die dunkle Welt der Gnomen. Ein größter Teil derer, die sich ernst in erzreicher Tiefe ein „Sei willkommen, Silberblick" zurkefen, denen das Häuerglöckchen vor dem Hinabsteigen stets erst zuläutete: „Auf, auf, zur Grube ruf ich Euch! Ich, die ich oben steh. So oft Ihr in die Tiefe fahrt, So denket kn die Höh!" liegt dort drüben hinter jener moosüberwucher ten Mauer, geduldig und treu, wie sie es km Leben auch waren. — Nur einer von denen, die in den Hüften wohnen, sah das dunkle Reich der Erze nicht. Schlägel und Eisen, Wetterkasten und Leder, Zscherper und Filzhut blieben ihm fürs Leben fremd. Sein Reich war der Wald, der die Höhen des Tales in unendlicher Tiefe bedeckte. Aber seitdem er vor einigen Jahren in einer alten Binge einen Topf ausgegraben hafte, in dem er Schätze des dreißigjährigen Krieges ver mutete, war es aus mit ihm. Er war gelähmt. Die Tage der Wildhegerei waren vorüber und der „Tüchelfritze" der von Zeit zu Zeit in die Hütten kam, um seine baumwollenen Schürzen und Brust lätze zu verkaufen, sagte mit gewichtiger Miene, daß der da unten ganz bestimmt wohl über etwas „Versprochenes" geraten sek. Ein kleines blau- äuarges Mädel aber, das sich die blonden Flech ten wie Kränzchen um's Ohr wank, verriet mir auf meine Frage, wer Ker alte Mann vor Ker Hütte da sei, recht keck und naseweis: „Der da. der dort, das ist der Seechertod" und lief lachend ms Haus. Grüßend trat ich zu dem Alten, der, auf den Steiststufen der niedrigen Haustür« sitzend, vor sich auf die Steinplatten sah, wo sich der Sonnenschein ringelte. Im Gärtchen zirpten die Grillen, in der Baumkrone zwitscherte ein Star. Der Alte hob den Kopf und ich sah in ein treues Augenpaar, aus dem eine unendliche Fülle von Treue und Herzftchkett taucht«. .M» Mach, auf, Herr!" sagte der liebe, alte Munk EkW arbeitsschwielige Hand schob den Hut vom ftopsß und hielt ihn vor dis Brust Sie kam wie «st freudiges Frösteln über mich, clk der Zauber gruß der Berge mein Ohr traf. Ws war mir, alß hätten mich die Fittiche längst «BchwWidonsri Tage gestreift, in der Zufriedenheit und WLck noch weilten. Astgeheimelt setzte ich mich zu dem Alten und tat, als ob ich von der Wanderung er müdet, mm rasten müsse. Toch das wollte er nicht dulden und ins niedrige HauS tretend, di« eigelb gestrichene, in uralten Bändern hängend« Tür« öffnend, sagte er: „Wir wollen ins Stübchen gehen, Herr." Eintretend lieh ich meine Micke auf dis Wände fallen, an denen 5 öder 6 alte Uhren hingen. In der tiefbogigen, blau bemalten Fen, steröffnung hing ein vergilbtes Papptäselchen, in dessen Mitte der dürr« Zirkel der Wetterpslanz« stech«. Ihr gegenüber hing der klapprige Holz käfig, m den: «in ziemlich altes Bürschlsin von einen! Kreuzschnabel kick aufgeblasen auf dem Stängelchen Hoche. Sein« zwinkernden Aeugleip verrieten, daß er einen hartnäckigen Kampf mit dem aufkommenden Sandmännchen führte und «S dauerte auch nicht lange, dann hatte er da« Köpfchen ins Gefieder gesteckt. Eins uralte Sand uhr stand als der primitivste Begriff menschliche» Zeitbestimmung auf Kem morschen Gesimse. Jetzf erst, nachdem ich sah, daß kein Sand durch das Glas rieselte, fiel mir der eigenartige Rhythmus aus, der das Zimmer belebte. Rückwärts schauend fiel mein Blick wieder auf die alten Uhren, di« in gewichtiger Parade die Wand schmückten. „Tick tack, tick, tack" — scholl es hart von 'ihnen herüber. „Sie werden sich gewiß wundem, daß ich so viel Uhren im Zimmer habe," sagte mit gutmütigem Läch eln n^ein liebalter Wirt, indem er sich mit dein Rücken an den kaffeebraunen Kachelofen lehnte und seinen Uhren einen liebkosenden Blick zuwarfi — „Ja, aber es ist nun mal von Kind auf so meine Passion, die Uhren, wissen Sie. Ich kann eine stillstehende Uhr nicht ausstehen, noch viel weniger aber eine falschgehende. Na, und weil wohl keiner weiter im Dorfe war, der eine irgend wo stehen gebliebene Uhr wieder in Gang bringen konnte, so nahm man seine Zuflucht Lei mir« So bin ich denn der Uhrendoktor geworden und sehen Sie, dort hängen meine Patienten. Es sind alles solche, die ich wieder in Gang gebracht habe, die ich nun noch einige Zeit beobachten !muß." Dabei lächelte er mich an und mochte wohl merken, daß ich über die Rede nachdachte. Dann wurde er ernst. Wie von einem gelinden Aerger über seine schnelle Offenheit erfaßt, sprach er: „Ich verlange aber nichts dafür." Die mir zur Verfügung stehende Zett näherte . sich ihrem Ende. Nach herzlichem Händedruck wanderte ich der kleinen, im Grünm verborgenen Haitestelle zu, von wo aus mich das klein«, in den Schmalspurgleisen hoppelnde Züglein nach der Großstadt entführte. Von der Feme noch sah ich lange das trauliche Häuschen am Berge, wo der Alle an den „Seechern" baute und bastelte, sie „zu Tode" reparierte. Uebers Jahr, als der Lenz wieder ins Land und in das friedliche Tal gezogen war, kam ich desselbigen Weges gefahren. Nun grüßte das schmucke Häusel schon von der Höhe — doch fand ich die Türe verschlossen. Im Gärtchen zirpten die Grilen, in der Baum- kröne zwitscherte ein Star. . Als ich durch die leicht versandeten Butzen scheiben blickte, war das Stübchen leer. Die „Seecher" und der Kreuzschnabel waren verschwun den — die Wetterpflanze hing vertrocknet im Fenster. — Der Seechertod war heimgegangen. Drüben, hinter den Bergen, lag ein neuer, schweig, samer Hügel. Sinnend stand ich daneben und ein zartes Reis aus dem jungen Lenz fiel aus meiner Hand auf den Anger des Friedens. (Aus den heimatlichen Werken von I. G. Sattler, Frankenberg: „Erlebtes — Verwebtes — Erson nenes — Versponnenes") / Aus Kunst und WWenMaft / Arebserkranlumen dm- Krimtermittel heilbar? Dr. Salzborn, der „Wunderdoktor von Bockfließ", dessen Heil methode des Krebses (Hungerkur und Kräuter) jetzt von der Wiener medizinischen Fakultät wissen schaftlich nachgeprüft wurde. Tatsächlich kann Dr. Salzborn einige Fälle von Heilerfolgen nachweisen. Selsttze Berufe In Not Von Dr. Otto Roeseler. Manch junger Akademiker steht in seinem Le- benswsa heute vor einer dunklen, Kchtlosen Schluchst Reiche persönliche Begabung unk ein vorwärtsdrängender WM, die Aufopferung eines fühlbaren Kapitals seilens der Eltern und eine langjährig« akademische Berufsausbildung haben di« Tnvartung und das Anrecht auf eine sozial hochstehende und finanziell gesjcherle Lebensstellung gegeben. Statt dessen nun «in hoffnungsloses Sich-Ekndrängen in schwer ringende Berufe, ein Leben der Sorge und des Unbefrisdigtseins. Lähmend legt sich ein bitterer Kontrast auf die junge Tatkraft, die rasch ermüdet: was nützt die schwer errungene Geistesschulung, was die Berufsausbildung eines ganzen Jahrzehnts, wenn nun im Kampf um das tägliche Brot die Be wegungsfreiheft geringer ist als für den schlichten Obsthändler, der mit Kem Wagen an der Ecke steht? Der Strafen Händler arbeitet sich schlecht und recht über den Tag hinüber, schafft sich vielleicht gar langsam vorwärts. In ein paar Jahren ist aus ihm ein Geschäftsmann mit wachsendem Einkommen geworden. Aber der Philologe ohne Anstellung, der akademisch aus gebildete Volkswirt, der nirgends unterkommen kann, der Mathematiker, nach dessen Wissenschaft niemand Nachfrage hält — sie stehen ohne alle Möglichkeit da, sich den eingeengten Verhältnissen anzupassen. Besonders kraß wirken sich die Gegensätze auf dem juristischen Beruft gebiet aus. „Für einen guten Juristen ist immer Platz ..." Mit diesem einst vielverbreiteten Losungswort haben immer mehr Väter ihre Söhne der juristischen Lauf bahn zugeführt, haben immer mehr junge Men schen mit dem Studium der Rechtswissenschaft ein Leben des Glanzes und bestgesicherter Ein- kommensverhättnisse zu beginnen geglaubt. Der Beruf des Rechtsanwalts hat «inen skutartig an- geschwollenen Nachwuchs zu verzeichnen, der nach der gegenwärtigen Belegschaft der Universitäten in weiteren drei, vier Jahren vollends zur rest losen UeberfMnng des Berufs führen wird. Gerade aber auch mis der beruflichen Lage des Anwalts läßt sich erkennen, welch umfassendes Betättgungsfeld der Not der geistigen Berufe gegenüber produktive Maßnahmen des Staates finden könnten. Für den Anwaltsstand fehlt nicht nur die regelnde Hand, die den ungehemmten Zustrom junger Menschen zu einem jetzt schon überfüllten Beruf abstoppt. Es fehlt auch der staatliche Wille, der jetzt bereits vorhandenen Juristenschaft die volle Auswirkung zum Wohle der rechtsuchenden Allgemeinheit zu ermöglichen. Hätten wir zu wenig Anwälte, um eine ge sicherte Rechtsberatung des Publikums durchzu führen, so würde man es verstehen, wenn zugleich auch noch eine an keinerlei Berufsvorbildung ge bundene Schicht sogenannter freier Rechtsberater geduldet würde. So aber begünstigt die schran kenlose Ausdehnung unkontrollierbarer Rechtsbe rater in wachsenden! Maße die Unkundigreit des Publikums, das sich dann in seiner Rechtsnot und in dem Wunsch nach gewissenhafter Förderung Menschen ausgeliefert sieht, die mit einem völlig unzulänglichen Rüstzeug und ost genug auch mit unlauteren Machenschaften Kem Rechtsuchenden folgenschwere Enttäuschungen bereiten. Derselbe Staat der auf der einen Seite vom Rechtsan walt die denkbar gewichtigsten Kautelen für eine gediegene wissenschaftliche Berufsausbildung und selbstverständlich auch eine restlos« moralisch« Un bescholtenheit verlangt und verlangen muh, darf aus der anderen Seite nicht gleichgültig Zusehen, wenn an die nämlich« Berufsarbeit sich unge eignete und nicht einmal auch immer moralisch zweifelsfreie Existenzen heranmachen. Dieser Widerspruch ist um so unhaltbarer, als ja ge- rade die Anwaltschaft selbst in «in«r notorischen Berufsüberfüllung steht und für ihren Nachwuchs jedes Betätigungsfeld offen gehalten werden müßte.. .. Aehnliche, wenn auch nicht immer gleich grell« Kontraste finden sich auf ankeren akademischen Berussgebieten. Hüben «in herandrängender Nachwuchs, drüben aber für die im Beruf Stehen den selbst ein unzulänglicher Schutz gegen Erb stenzen, die — Verwirnmg in die Reihen des Publikums tragend — der Entfaltungsmöglichkeit der dank ihrer Ausbildung Berufenen hemmend im Wege sind. Man kann sich des Gefühls nicht erwehren, daß gerade unser« besten, gerade unsere geistigsn Be rufe schutzlos einer fortschreitenden Gefährdung des eigenen Niveaus zutreiben. Sollen auch wei terhin unbehindert Scharm hoffnungsvollst« jun ger Menschen Opfer an Lebensjahren und Kap-k- tak. an Lernwillen und vorwärtsstrebendem Fleiß bringen, nur um nachher, einem überfüllten Fach« zur Last, ohne jede Eristengmöglichkoit bazu- stehen? Mr eine gerechte Fundierung notleidender gei stiger Berufe ist ein Jahrzehnt Anlaufszett kein allzu großer Spielraum. Es wird Zett, daß sich der Staat und dis beteiligten Berufskreise zst einem Anfang zusammenfinden. * DI« Erlebnlsbücher Alma M. Karlins, der un gewöhnlichen Weltreisenden, die acht Jahre längs allein und mittellos um die Welt fuhr, hattest innerhalb von zwei Jahren den für ein so um> fangreiches und verhältnismäßig kostspielig «s Werk seltenen Absatzerfölgvon 20000 Er emplarest zu verzeichnen. Der Wilhekm Kühle r- Merlalg, Minden i W. bringt nun das große Wektr«isewerk als ungekürzte und durch Illustrationen «wetteret« Volksausgabe in dreck in sich abgeMosstnttr Bänden zum Preis von je RM. 2.85 heraus. Der erste Teil „Einsam« Weltreise" erscheint rechtzeitig zu WEnach- len. Wir kommen aus die Büch« nach Er scheinen noch zurück.