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-Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt M. 122 Somrtag de« 8. Dezember 1S18 Brich an, du schönes Morgenlicht! Das ist der alt« Morgen nicht, Der täglich wiederkehret: Es ist ein Leuchten aus der Fern, Es ist ein Schimmer, ist ein Stern, Von dem ich längst gehöret! Der H,mmel ist jetzt nimmer weit, Es naht die selige Gotteszeit . Der Freiheit und der Liebe. Wohlauf, du frohe Christenheit, Daß jeder sich nach langem Streit In Friedenswerken üb«. - Mar v. Schenkendorf. Vis Mlwösdsus Roman von Fr. Lehne 18 K Nachdruck verboten , Siebzehntes Kapitel Am äußersten Ende seines Reviers hatte 'Erich Berger eine Fichtenschonung angelegt, der er seine ganz besondere Sorgfalt zuwandte. Der weite Weg dahin war ihm sehr lieb — vielleicht, weil er ihn an der Oberförsterei Vorüber führte — vielleicht, weil er dann noch jedesmal dort ein schlankes, blondes Mädchen getroffen, das so oft und so absichtlich seinen Weg kreuzte. ' Es war ein Heitzer Tag. Schwüle lag unter den Bäu men. Erich Berger rückte die Mütze zurück und trocknete sich die Stirn; warm war es ihm geworden beim Gehen. Er warf einen besorgten Blick nach dem Himmel, der sich plötz lich verdunkelt hatte. Die Sonn« gab noch «inen fahlen, gelben Schein, und dann war sie gänzlich verschwunden. Erich hatte das Heraufziehen des Gewitters nicht be merken können, da die hohen Bäume jeden weiteren Aus blick verhinderten. Ein geheimnisvolles Rauschen und Rau nen ging durch die Zweige; sie bogen und duckten sich, als ob eme mächtig« Hand drohend über ihnen schwebte — dann grng ein scharfer Windstotz über die Wipfel weg, daß die Vögel ängstlich aufflatterten. „Wir kommen nicht mehr heim, Diana!" sagte Erich zu der schönen, braunen Jagdhündin, die ihn begleitete — „Mutterle wird sich sorgen." Er beeilt« sich, wenigstens das „Borkenhäuschen", eine Jagdhütte des Herzogs, zu erreichen, di« ungefähr auf der halben Wegstrecke zwischen dem Dorfe Steinfurt und der Försterei lag. Der ersten schweren Tropfen fielen jetzt; ein greller Blitz zuckte, dem ein krachender Donner folgte. Er erreichte gerade die schützende Hüll«, als es in Strömen zu regnen anfmg. Den Schlüssel zum „Borkenhäuschen" trug er immer bei sich, um sich stets davon überzeugen zu können, ob drinnen alles in Ordnung war. Er ging um die Hütte herum nach der Eingangstür, neben der sich eine einfache Bank mit einem Tisch davor befand. Und auf dieser grob gezimmerten Bank satz ein blondes, weitzgekleidetes Mädchen — eng an die Wand ge drückt, um sich vor den Wasserbächen w schützen, die schon jetzt von dem weit hervorsprtngenden Dach der Hütte her- unterstürzten. Freudig bellend sprang Diana an d«m Mädchen empor. Erne flammende Glut schlug über Erichs Gesicht, als er in die wohlbekannten, ach so geliebten Augen blickte, die ihm spitzbübisch entgegenlachten. „Gnädiges Fräulein!" stammelte er. „Ich wurde beim Bummeln vom Wetter überrascht, Herr Förster! Bis nach Haus« war es zu weit; natz bis auf di« Haut wäre, ich in diesem Fähnchen geworden und in den dünnen Schuhen." Jutta von Eggert streckte ihm zur Bekräfti gung die schmalen Fütze entgegen, die in durchbrochenen Strümpfen und hellfarbigen, wett ausgeschnittenen Schuhen steckten, — „und wo kommen Sie her? Waren Sie bei Papa?" „Ich komme von der Fichtenschonung." „Ah, und-nun suchen Sie hier auch Zuflucht! Dieser Zufall!" „Gnädiges Fräulein müssen nun schon für eine Weil« meine Gesellschaft ertragen." „Ach ja, das wird sehr schwer sein!" seufzte sj«, „be> nahe unmöglich." Sie sah sein verdutztes Gesicht und lachte laut auf: „Glauben Sie das wirklich, Herr Berger?" Kokett blickte sie ihn an, und ihm wurde Heitz unter diesem Blick. Sie stand auf, trat etwas vor, doch der- strömende Regen scheuchte sie zurück; sie drückte sich gegen die Hüttentür, vor einem flammenden Blitz, dem d«r krachende Donner folgte, heftig zusammenschreckend. „Sie haben doch den Schlüssel, Herr Förster — schnell — öffnen. Sie!" Jutta stand dicht neben ihm und sah, wie seine Hand denn' Aufschlietzen leise zitterte, wie er ihren Blick vermied. Und sie lächelte vor sich hin, pries den Zufall, den sie halb gesucht, und war überglücklich, datz er sich ihr so gefügig gezeigt. ' - Sie traten über die Schwelle. Eine dumpfe Luft schlug ihnen entgegen. Erich stietz bedie Flügel des kleinen Fensters weit auf, während Jutta neugierig im Raum herumgrng. „Ist das gemütlich.". „Haben gnädiges FrAulein irgend einen Wunsch oder einen Auftrag?" fragte Erich. „Wird das Gewitter bald aufhören? Ich fürchte mich rmmer so sehr!" „Das Gewitter, ja —l Wir haben offenbar nur die Ausläufer eines Gewitters abbekommen! Aber der Regen — er schernt sich zu einem richtigen Dauergutz zu entwickeln, der uns zwingen könnte, bis zum Abend oder noch länger hier auszuharren, wenn wir ihm nicht Trotz bieten wollen." Sie fegte den Kops auf die Seite und sah ihn'mit schrägem Blick an. „Wäre das wohl so schlimm? Zu essen gibt es ja genug hier!" Er pretzte die Lippen aufeinander und atmete schwer. Nach einer Weile sagte er, ihren Einwurf übergehend: „Es wird das richtige sein, ich gehe nach der Ober försterei und hole Ihr Regencape, sowie ein paar feste Stiefel." „Und werden dabei selbst ganz natz! Nein, so lange es so gietzt, nehme ich diesen Ritterdienst nicht an! — U«brigens, warum stehen Sie denn in der offenen Tür — so kommen S»e doch 'rein und schlietzen Sie! Es zieht doch." Sie schauert« ein wenig zusammen. Unaufhaltsam rauschte der Regen nieder; schwer von der Nässe bogen sich die Aeste. Eine wundervolle, erquickende Luft strömt« zu dem kleinen Fenster herein, an dem Erich jetzt stand — und doch war ihm Heitz und beklommen. Er konnte nicht so unbefangen wie Jutta über dieses Zusammentreffen lachen — er, der an sich halten mutzt«, um nicht den frischen, blühenden Mädchenmund zu küssen! Seligkeit wäre es gewesen, diese zarte Gestalt einen Herz- schlag lang an seiner Brust zu halten! Er war doch auch nur «in Mensch. Ein Mensch mit starken und leidenschaftlichen Gefühlen. Mit fest zusammengepretztem Munde stand er da und starrte in den strömenden Regen. Ihres nmnteren Geplauders achtet« er kaum. Da rührt« sie kicht an seinen Arm.