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— 486 — „Warum sind Sie so schweigsam? Sie scheinen ver drießlich, daß Sie mit mir oushrtten müssen!" sagte sie schmollend. Sek« Augen flammten ihr da entgegen und ein Blick traf sie, so Heitz und leidenschaftlich, fast drohend, datz sie dre Wimpern niederschlug. Sie fühlte ihr Herz erbeben, und fte ahnte, was ihn so wortkarg, so schroff sein lieh. Und sie dachte an Mar von Hellwig -- der hätte sicher keck versucht, diese Situation auszunützen. Während dieser hier — ach, sie konnte wohl in ferner Seele lesen, sie sah den Kampf in ihm — und er blieb Sieger — —. Stumm stand er da, beachtete sie kaum — und verzehrte sich doch ; nach ihr ... . ' - „Ich habe eine Idee, Herr Förster!" rief sie da fröhlich, ich werde uns «inen Tee machen — oder einen Grog — es ist ja alles dazu da!" Sie schob die Vorhänge von einem kleinen Wandbrett ! zurück, auf dem in musterhafter Ordnung eine Flasche Rum, - Arak, eine Büchse Tee» Jucker und allerlei Tassen, Teller und Töpfe standen; und auf dem Tischchen neben dem kleinen s eisernen Ofen befanden sich ein Spirituskocher und eine Flasche Spiritus. Jutta sing schon an, mit den Tassen zu hantieren. „Bitte nicht, gnädiges Fräulein!" bemerkte er kurz, „ich bin haftbar für das alles." Sie zog «in Mäulchen. „Gott, wenn ich es morgen wieder ersetze! Das bissel Toe und Rum — es merkt doch niemand." s „Auch dann nicht! Ich kann nicht zugeben, datz hier auch nur die geringste Kleinigkeit verbraucht wird!" „Sie sind pedantisch und kleinlich!" rief sie ärgerlich. . „Wenn Sie Pflichtbewußtsein und Gewissenhaftigkeit mit diesen Worten bezeichnen, so mutz ich wohl diesen Vorwurf geduldig hinnehmen," entgegnete er achselzuckend. Erich öffnet« die Tür weit und sah hinaus. Noch mit unverminderter Gewalt rauschte der Regen hernieder. Sie drängte sich in der engen Tür an seine Seite, eben falls ins Freie spähend. Ihr Haar berührt« seine Wange; «r fühlte ihren jungen * Körper dicht an dem seinen — da trat er hastig vor und ließ um seine heitze Stirn die frische Regenlust wehen. Jutta war durch irgend etwas enttäuscht; sie verging beinahe vor innerer Unruhe — die Tränen waren ihr nahe. Verstohlen beobachtete sie ihn. . Wie elegant und vornehm sein« schlanke Gestalt in der knSppen, kurzen Uniform wirkte — wie ausdrucksvoll und schön geschnitten sein Profil — —. So ernst war er immer — fast gedrückt, und sie sah ihn so gerne lachen! Hatte sie denn gar keine Macht über ihn? Jutta stellte einen der Bausrnstühle in die offene Tür, setzte sich in nachlässiger Haltung daraus, faltete die Hände im Nacken und begann halblaut zu singen: Draußen am Wall von Sevilla Wohnet mein Freund Lillas 'Pastias — Dort tanz' ich die Següidrlla „ Und trink Manzanilla Langweilig ist's, allein zu sein — Besser ist's doch zu zwei'n —. „Finden Sie das nicht auch, Herr Förster —?" unter brach sie sich und blinzelte ihn neckisch an; dann fuhr sie in ihrem Gesang fort: „Der Liebste mein, wenn ich ihn hätte — Wenn ich ihn hätte " Erich wandte sich jäh um und sah sie zornig an. Er wußte, datz sie es darauf anlegte, ihn aus seiner Selbst beherrschung zu reitzen. Er schalt sich selbst «inen schwer fälligen Toren, weil er die Gelegenheit nicht beim Schopfe faßte. Aber fein Stolz verbot es ihm —G— und Jutta war ein unberechenbares Geschöpf, dem es Freude machte, die Leute zu quälen. „Hören Sie auf!" gebot er mit rauher Stimm«. „Der Liebste mein, wenn ich ihn hätte," trällerte sie und sah ihn lächelnd an. Das Blut trat ihm in sein blasses Gesicht, «r drehte ihr halb den Rücken^ „Stört Sie mein Gesang —?" »Za!" „Warum?" „Fragen Sie doch nicht," entgegnete er gepretzt. Da stand sie auf und näherst! sich ihm. „Warum? Ich will es wissen —!" Ihre Augen suchten die feinen und hielten sie fest. „Warum —?" „Quälen Sie mich doch nicht so, Jutta!" stieß er hervor. „Ich will Sie nicht quälen, Erich," entgegnete sie langsam. Er sah sie groß an. Ungläubig, stauend. „Erich," hatte sie gesagt, hatte so zärtlich seinen Namen genannt — und da war es^doch geschehen, wogegen er sich gesträubt — er hatte sich von seinem Gefühl überwältigen lassen —7 hatte Artta an seine Brust gerissen, und Heitz lag fern Mund auf dem ihren. „Erich!" jauchzte sie auf, „Erich!" Und willig ließ sie sich küssen, küßte ihn wieder, sich in feine Arme schmiegens, dir sie so fest und stark hielten. Mit Schauern des Ent zückens fühlte sie seine so lange zurückgedämmte und nun um so Heitzer hervorbrechende Zärtlichkeit. Er lietz sie nicht mehr aus seinen Armen — jetzt gehörte sie ihm — in seliger Selbstvergessenhriit standen sie da — und wenn er sie nicht kützte, so kützte sie ihn. „Jutta, liebst du mich?" fragte «r leise. „Dürftest du mich sonst küssen?" „Und du zürnst mir nicht?" „Eigentlich wohl, weil du ein jo schwerfälliger Mensch bist, der vor lauter Bedenken beinahe unser Glück versäumt hätte!" „Jutta, ich dachte: «in einfacher Förster —" . Da hielt sie ihm den Mund zu. „Erich, wenn man liebt, dann denkt man nicht — dann kützt man nur. Und du liebst mich doch?" Mit einem tiefen, rätselhaften Blick sah sie ihm in die Augen. In aufquellender Leidenschaft ritz er sie an sichM „Frag' mich doch nicht, du —! Tu weitzt's doch selbst nur zu guk!" flüsterte er heG, „und hast mich trotzdem so gequält." Er kützt« sie auf dir Augen und auf den trotzigen Mund. , „Törichter Mensch du! Soll ich dir denn um "den Hals fallen?" sagte sie mit reizender Schelmerei. „Ich glaub« zwar, ich hab's nun doch getan." Wie zwei Kinder scherzten und lachten sie. Der frohe Ausdruck verklärt« Erichs sonst so ernstes Gesicht. „Jutta, mein Liebling, mein einziges, süßes Mädchen." „Ach du, sag das noch einmal! Wie seltsam klingt, mir das aus deinem Mund« 7" Sie konnte sich nicht genug tun, ihn zu Herzen und zu küssen, und fast verstimmt wurde sie, als er jetzt mahnend der Zeit gedachte. „Willst du mich allein lassen?" klagte sie. „Dianq bleibt bei dir; da bist du gut beschützt — Diana, hörst du, gib auf mein Herzlieb fein acht," sagte er zu dem Hund«, „>ch kann dich jetzt nicht mitnehmen — hier .bleibst du — —." Und es war, als habe ihn das kluge Tier verstanden; denn gehorsam legte es sich neben Jutta nieder. „Ach, Erich, bleib« doch noch — —! Npr ein paar Minuten." Er nahm den Kopf d«r Geliebten in seine beiden Händ« und sah mit einem heißen Blick in ihre Augen. „Nein, mein Lieb! Halte mich nicht länger — ich brn ja bald wieder zurück." , Er drückte noch einen letzten Kutz auf ihren Mund und eilte dann in den strömenden Regen hinaus. Und sie sah ihm nach. Si« breitete die Arme weit aus — „Erich —!" ! Sie sprach seinen Namen leise und zärtlich vor sich hm, schloß die Augen und dachte an feine Küsse . . Wie sie ihn liebte! Aber was nun werden sollte? Den Gedanken daran wies sie als etwas Unangenehmes wett weg. Die Gegenwart war doch so schön geworden! Erst kurz vor dem Abendessen war es, als Erich sich sei ner Försterei nähert«. Es regnet« noch immer, wenn auch der Regen an Heftigkeit nachgelassen hatte. Mit bloßem Kopf, nur ein Tuch über die Schultern ge legt, kam ihm seine Mutter ein Stückes Wegs entgegen, mit allen Zeichen großer Aufregung. , „Erich, Lori ist vorhin gekommen! Mit d«m Milch wagen vom Rittergut — —" Diese Mitteilung erschreckte Ihn aufs höchste, riß ihn i jäh aus seinen glücklichen Träumen. „Was jst da passiert — ?" „Noch weiß ich es nicht! Sie spricht nicht, sie weint nur, ich kann sie nicht beruhigen. Gut, daß du da bist." „Mutter, hätten wir sie nur nicht in das Haus gelassen!"