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tür Leipzig end Borerr« durch »uchr» Lrtger and Epediteur» tu» Hau» »«bracht« Autgab« t «nur morgen») »terteljthrltch 3 vi., monatlich I M.; Alllaade v (morgen« und abend») viertel, jährlich «.SU M.. moaallich l.SU M. Dur» dir Voll ,u beztrbeu! (2 mal täglich) innerhalb Deutlchland» und der deutichen Kolonien vierteljährlich S.2S M., monatlich 1,73 M. aulschl. Post- besiellgeld, ,ür Oesterreich v L 66 ll, Ungarn 8 L vierteljährlich. Ferner in Bel gien, Dänemark, den Donauftaalen, Frank reich, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Nullland, Schweden, Schweiz uno Spanien. Zn allen adrigen Staaten nur direkt durch di« Exped. d. Bl. erhältlich. Adonnement-Ännahm«: Uugust»<platz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Brietträgern. Die einzelne Nummer kostet Iv Pfg. Nebakttoo und Lrveditiou: lZohanntägass« 8. Delephon Nr. 14692, Nr. 14693, Nr. I4SS4. iNpzMrTagtblllü Handelszeitung. 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Art.) * In der Zweiten Kammer des sächsischen Landtags wurde das Verhältnis der sächsischen und preußischen Eiienbahnverwaitung eingehend erörtert. (S. Parl.-BcrF * Das Befinden (5 a m p b e l l - B a n n e r m a n s hat sich etwas gebessert, ist aber immer noch besorgniserregend. l2- Ausl.s * Präsident Roosevelt richtete gestern an den Kongreß eine kurze 2 o n d er b o t s ch a f t. (S. Letzte Tep.j Die Virtorv-Re-e. Besprechungen der auswärtigen Politik vor dem Parlament sind in den meisten Staaten, besonders ober in Deutschland, nur ein Eiapopeia, eine Beruhignngs- und Beschwichtigunysaktion. Fürst Bülow hat im Reichstage eine ausführliche Erklärung abgegeben, di« keine Ausnahme von dieser Regel macht. Er hat sich über drei Angelegenheiten geäußert: über die Marokkopolitik, über die Lage auf dem Balkan und über den Brief des Kaisers an den Ersten Lord der englischen Admiralität. Nun verlangen wir durchaus nicht, daß der Reichskanzler alle Hüllen nnd Schleier von seinen letzten Motiven und Zielen entferne, aber das, was er gegeben hat, erscheint uns denn doch recht dürftig. Es ist keine Ucber- treibung, wenn wir es aussprcchen, daß in der ganzen Rede des Reichs kanzlers kein neuer Gedanke enthalten war, und daß sie auch über die Absichten der Verbündeten Regierungen nur in einem einzigen Punkte — den wir später bezeichnen werden — Aufklärung geschaffen hat. Zunächst besprach der Kanzler die Lage in Marokko, die mehrere Abgeordnete mit Recht als „sehr unbefriedigend" bezeichnet hatten. Wenn man diese Lage richtig beurteilen will, so darf mau nicht vergessen, daß der Deutsche Kaiser dem Sultan von Marokko mit unzweideutigen Worten seine Unabhängigkeit und die Integrität seines Landes verbürgt bat. Wir haben die Konferenz von Algeciras gefordert und haben die Annahme dieser Konferenz durchgesetzt — man kann sagen: erzwungen. Auf der Konferenz sind wir dann nicht unerheblich zurückgewichen und die AlgeciraSakte stellte das Mindestmaß unserer Forderungen dar. Jetzt spricht nun der Reichskanzler die Erwartung aus, daß unsere Wirt- schriftlichen Interessen in Marokko nicht verletzt werden, und daß Frank- reich „die Akte in friedlicher und freundlicher Weise anerkennen und beachten werde". Ein wohlwollender Beurteiler kann hierin eine Mahnung zur Vorsicht an Frankreichs Adresse sehen: wer aber an der Hand der Tatsachen die heutige Lage nachprüft, der wird doch zugeben müssen, daß die AlgeciraSakte allmählich Makulatur geworden ist. Die Franzosen haben in Marokko drei feste Plätze besetzt, sie verstärken ihre Truppen ständig, dehnen den Kreis ihrer militärischen Operationen immer weiter aus, erbittern die Eingeborenen durch eine geradezu rüpel hafte Mißachtung der Heiligtümer, spielen — wie dokumentarisch nach gewiesen ist — mit den Sultanen ein doppeltes Spiel nnd schaffen eben an Ort und Stelle eine vollendete Tatsache, mit der Europa später rechnen muß. Frankreich hat bereits heute für die Eroberung Marokkos Gut und Blut eingesetzt und wird selbstverständlich aus diesem Lande nicht mehr weichen und sich mit einer gleichberechtigten Stellung nicht begnügen. So liegen die Dinge, wenn man sie ohne diplomatische Brille sicht, und die Franzosen wissen sehr genau, daß wir Marokkos wegen nicht Krieg führen werden. Es gäbe ein einfaches Mittel, die marokkanischen Dinge zu ordnen, und dies Mittel wäre der Rückzug der Franzosen. Dauert die französische Okkupation fort, so dauern natürlich auch die inneren Unruhen fort. Und was unsere wirtschaftlichen Interessen an- bctrifft, so sind diese für Jahre auf das schwerste geschädigt. Der Reichskanzler sprach dann über das von den Mächten in Mazedonien garantierte Chaos. Er betonte, daß Deutschland Oesterreich natürlich nicht zu den Eisenbahnplänen angestiftet habe, die in letzter Zeit die Öffentlichkeit so intensiv beschäftigten, daß aber Deutschland diesen Plänen natürlich seine volle Sympathie entgegenbringe. In diesem Zusammenhang fiel die einzige wirklich bemerkenswerte Aeuße- rung: daß nämlich Deutschland für Neuerungen, welche die Landeshoheit des Sultans gefährden und die Türkei zum äußersten Widerstand reizen würden, keinen Enthusiasmus anszubringcn vermöge. In dieser Wen dung erteilte der Fürst dem englischen Staatssekretär des Auswärtigen eine Absage, die sich ans den geradezu gemeingefährlichen Plan bezog, in Mazedonien einen von der Pforte unabhängigen Gencralgonverneur einzusetzen. Der Reichskanzler hat darin durchaus recht, daß die lokalen Metzeleien auf dem Balkan im Vergleich mit einem europäischen Welt kriege denn doch immer noch das kleinere Uebel sind. Fürst Bülow sprach sich dann noch über den Brief des Kaisers an Lord Tweedmouth aus. Er erklärte, daß der Brief „zugleich ein privater und ein politischer" sei, daß man dem Kaiser das Recht einer solchen Korrespondenz wicht beschränken könne, und daß hier ein Gentleman zum anderen, ein Seemann zum anderen gesprochen habe. Wir be- bauern, uns mit dieser Auffassung nicht einverstanden erklären zu können. Die Beziehungen zweier Großstädten zueinander sind viel zu kompliziert, als daß sie sich so harmlos behandeln ließen. Ein Staats mann kann nicht immer mit voller Offenheit zu dem Staatsmann eines anderen Landes sprechen, und wenn wir auch über die Periode fort sind, :n der di« Diplomatie ihre vornehmste Aufgabe in einem bisweilen ziem- !ich kindischen Versteckspiel suchte, so ist doch auch ein so ungezwungener Aerkchr, wie der Kanzler ihn schildert, einfach ein Unding. ES läßt sich nun einmal nicht leugnen, daß manche private Kundgebungen des Kaisers unerquickliche Folgen gezeitigt haben, und daß eS besser wäre, wenn ' 'ouarcbcn sich im allgemeinen auf den Instanzenweg beschränkten, auf b in ihnen ja zahlreiche geschulte Oraanc zur Uebermitteluug ihrer Intentionen zur Verfügung stehen. Nach dem Kanzler sprach dann noch Herr v. Schön, der die Er klärung abgab, daß wir an der Algecirasaktc „unverrückbar" festhalten. Clemenceau wird, wenn er diese Worte liest, ein etwas ironisches Lächeln aufsetzen. Das ALaiserpaav iin Deireöig. Zu der Monarchenbegeguung in Venedig schreibt die „Nordd. Allg. Ztg." vom 25. März: „Der K ai s e r u u v v i e Kaiserin sind heute in Venedig eingelroffen, wohin sich König Victor Emanuel gestern von Nom aus begeben hat. Die angetnnvigte Monarchenbegegnung wurde in Italien mit lebhaften Sympathiekundgebungen begrüßt, in denen die innige und freudige Anteilnahme der italienischen Regierung und des italienischen Volkes, insbesondere auch der Bevölkerung Venedigs zum Durchbruch kommt. Wie wir in Deutschland diesen Ausdruck freund schaftlicher Empfindungen mit herzlichem Dank erwidern, so werden bei uns mit besonderer Genugtuung auch die sehr sympathischen Stimmen der italienischen Blätter zur Kenntnis genommen. Die deutsche Presse weiß sich mit der italienischen eins in dec Befriedigung über eine Entwickelung der Dinge, die das freundschaftliche Verhältnis zwischen Deutschland und Italien befestigt und den Fortbestand des Friedens bundes, der seit Jahrzehnten die drei mitteleuropäischen Reiche eng miteinander verknüpft, abermals bekräftigt bat. Unter dem Zeichen herzlichen Einvernehmens vollzieht sich die Monarchenbegegnung in der alten Dogenstadt. Ihrem Verlaufe solgt das deutsche Volk mit nicht minder warmem Interesse als die italienische Nation. Es erblickt darin eine weitere Bürgschaft für die Fortdauer der von dem Bewußt sein ihrer hohen nationalen und internationalen Bedeutun z getragenen Bundesgenossenschaft zwischen beiden Ländern". lieber die Begegnung wird im einzelnen gemeldet: Trotz deS regnerischen Wetters bietet Venedig einen festlichen An blick. Balkone und Fenster sind mit Flaggen in den italienitche» und deutschen Farben geschmückt. Die Straßen sind voll Menschen. Die Zeitungen bringen BegriißungSartikel zu der heutigen Monarchen zusammenkunft in Venedig, in reuen es heißt, daß Kaiser Wilkelm ein gern gesehener Gast sei und begeisterte Anjnahme finden würde, und in denen ans die herzliche Bande bingewicsen wird, die beide Völker zum Vorteil des europäischen Friedens verbinden. — Kaiser Wilbelm, die Kaiserin, Prinz August Wilhelm und Prinzessin Viktoria Luise sind Mittwoch ll Uhr 50 Min. mit Gefolge emgitrofsen und am Bahnvose von König Viktor Emmanuel nnd den Spitzen der Behörden empfangen werde.,. Au dem Empfang des Kaisers und der kaiserlichen Familie nalni außer dem König auch Minister Tittoni teil. Der Kaiserin und der Prinzessin Viktoria Luise wurden vom Bürgermeister von Venedig Sträuße überreicht. Die Herrscher umarmten und küßten sich zweimal mit großer Herzlichkeit. Der Kaiser, die Kaiserin, Prinz August und die Prinzessin Viktoria Luise sahen blühend aus und freuten sich sichtlich des so herzlichen Empfanges. Nach der Begrüßung begaben sich die Fürstlichkeiten unter den begeisterten Zurufen der Volksmenge zum Frühstück in den Palazzo Reale. Die Fahrt des Königs mit den kaiserlichen Gasten dorthin erfolgte in prächtig geschmückten Skaatsgondeln, deren Ruderer teils historische, teils Phaiitasickoslümc trugen. Dir Paläste am Kanäle Grande sind mit Teppichen und Fahnen reich dekoriert; das italienische Geschwader bat über die Toppen geflaggt. Während dem Frühstück im Palazzo Reale tranken die Souveräne gegenseitig auf ihr und ihrer Familien Wohl und auf dasjenige ihrer verbündeten Länder. Der Kalter, die Kaiserin, der Prinz und die Prinzessin begaben sich um 2 Uhr unter Salut an Bord der „Hohenzollcrn". Eine wesentliche Aendernng im Programm, die den Vene zianern Freude macht, ist die Verlängerung des Beisammenseins der Monarchen auf zwei Tage. Sie ist durch die Absage vcS Fürsten von Monaco veranlaßt; der König, der Mittwoch abend wieder nach Rom ab reisen wollte, um dort Fürst Albert zu begrüßen, wird biß Donnerstag Abend in Venedig verbleiben. Wahrscheinlich wird er beute, wenn das Welter einigermaßen günstig ist, zusammen mit ocm Deutschen Kaiser paare und seinen Kindern Dampjersahclen nach dem Lido uno anderen schönen Punkten in den Lagunen unternehmen. Das Programm des gestrigen TageS hat durch die Ausdehnung des Zusammenseins keine Veränderung erfahren. Gin englischev StnaLsMann. Es ist nicht des achten Herzogs von Dcvoiishirc Schuld gewesen, daß er nicht als Liberaler geendigt hat. Disracli war die vielbetrctenc und auch dem Festland wohlbekannte Straße gewandelt, die vom Jugend liberalismus in den konservativen Hafen des späteren ManneöaltcrS hineinführt. Hartington, wie der Name des Erben von Devonshire ge raume Zeit lautete, hat, so gut wie Goschen, Chamberlain und viele andere, nicht die liberale Fahne verlassen, sondern die Liberalen haben sich von ihren besten Männern getrennt. Es war im Grunde dieselbe Ursache, die bei uns die Abwendung des LinkslibcralismuS von dem nationalen Programme des Jahres 1848 bewirkte: die Abneigung gegen den Jmperia- lismuS. Nur daß bei uns die Steucrschcu des Kleinbürgertums die treibende Kraft gewesen ist, in England aber die Anlränkclung des RcichS- gedankenS durch den Puritanergeijt der Bctstuben. Cavendish-Hartington-Devonshire ist zeitlebens ein strammer Libe raler geblieben. Das bewies er, als er der llnionistenregicrung absagte, sobald sie vom FreihandclSprinziv abzufallcn Miene machte. Er war nicht der Draufgänger der rücksichtslosen Konsequenz der nationalen Idee wie Chamberlain, der rücksichtslos liberale Glaubensartikel der nationalen Idee des Greater Britain opferte. So isolierte er sich in seinen letzten Jahren zwischen den großen Parteien der Gegenwart. Es war noch ein Zweites hinzugekommen, nm ibn aus der vorderen Reihe der Kämpfer herauszuschicbcn: die Pairsschast. Selbst der grogc DiSraeli hat unter dem Verhängnis gelitten, daß der Eintritt ins Ober baus für englische Staatsmänner den Anfang des politiscbcn AbsterbenS bedeutet. Aber was bei dein Semiten die freiwillig übernommene SckmlS des Ehrgeizes war, ist für den Engländer durch Verfassung und Familien recht bewirkte Schickung gewesen. Mit dem Obcrhaussitz aber verkümmert der Einfluß auf das zweite Haus, verdorrt die Wurzel der Macht iu dem unaufhaltsam sich demokratisierenden Lande. Es ist ein schwerer Mangel der englischen Verfassung, daß die Volksvertreter genötigt sind, in der , „Times" nachzulesen, was ihre Minister ihnen zu sagen haben, das; sie die dem Oberhause angchörendcn Mitglieder des Kabinetts nur am Tage der Thronrede zu Gesicht bekommen; ein schwerer Mangel, daß Englands begabtesten Männern die politische .'aufballn dadurch verpfuscht werden kann, daß der Storch sic in ein hochadliges Haus getragen bal. ES ist schade, daß wir Hartington niemals als Poemie - aeüben ballen. Nicht allzuhäufig wurzeln moderne Staatsmänner so fest und sillcr in ihren Ueberzeuguugen. Und mit der Entschiedenheit des Denkens, Wollens und Handelns paarte sich aufs glücklichste die schönste Blüte der Humani tät, die liebenswürdigste, verbindlichste Form, mit der die Festigkeit in der Sache zum Ausdruck gebracht wurde. Nicht Chamberlains trotziges Selbst- bewußtsciu, nicht Balfours vrofessorale Pose, nickt RofebervS Biegsamkeit und Anpassungsfähigkeit, nicht Gladstones herausfordernder Radikalis mus schienen in dem Grade zum leitenden Staatsmann«: zu berufen, wie die glückliche Mischung der politischen Qualitäten, die Hartingtou, den liebenswürdigsten und feinstgebildeten Aristokraten charakterisierte, den echten Typ der englischen Erbwcisen wbiggistischer Färbung. Wir fürchten nicht, daß dem erster Minister gewordenen Harlington die Grab- schrift gesetzt wäre, die der alte Geschichtschreiber einem römischen Kaiser widmet: das allgemeine Urteil würde sagen: „Er war fällig, Kaiser zu sei»" — wäre er nicht Kaiser gewesen. Gin Arnch von 200 Millionen. (Von unserem Pariser I-.-Korrespondenten.) * Paris, 24. März. Madame Therese Humbert isc überlrofscu. Sie schwindelte nur 100 Millionen Zusammen. Henri Raoul Rochettc, 29 Jahre alt, früher Groom im Bahiihofsrestaurant zu Melun, daun Kellner, heule General direktor von 20 Banken, Mincngescllschaftcn nsw., brachte es auf 200 Millionen. Er sitzt zur Stunde hinter Schloß und Riegel, seine 400 An- gestellten auf der Straße, wo die Gläubiger und Aktionäre ach und weh schreien . . . Vor ein paar Tagen erbielt Ihr Korrespondent, wie wohl noch hunderttausend andere in Paris lebende Menschen, die Wobnnngs- steuer zahlen, ein elegantes Briefchen, in dem er höflia) daran erinnert wurde, uckt Wochen borller ein äbnliches Brieschen mit dem Rat erhalten ,u haben, Aktien der Hella-Glühsirünwfe zu kaufen; damals hätten dicke Aktien IM Franken gekoster, heute srüudeii sie auf der Börse in hohem Kurs bon 400 Franten und in ein paar Wochen würden sie 600 Franken erreichen. Wie dumm! Wieder einmal eine Gelegenheit versäumt, ans einem Hundeltfrankenbiüen vier zu machen, odnc sich den Kopf zu zer brechen. . . Wer ist der fre»ndlicke Mann, der so glänzende Ratschläge erteilt? „Erödit Minier Jndustriel" steht auf dein Briefbogen gedruckt. Was hat eine Bergwerksgesellschaft mit Glühstrümpfen zu tun? Deren Administratoren sind in Paris schon ost auf anderen Socken davon, gelanfen, wenn der Boden zu glübend heiß wurde. . . Das Briefcken empfieblt neuerdings Aktien einer Socü'tö du Buisson Hella. Neber- schlbfen wir lieber einmal die Sache, bevor wir dem unterzeichnenden Mon sieur Röchelte das bare Gelo iu die Hände schütten. Erwacht, liest man in der Morgenzeitung. daß Monsieur Röchelte arretiert wurde und da«', der Cr-'dik Minier Jndnüriel geschlossen wnrdMan freut sich seiner be- sonderen Klnglleit, nick. >nf den Leim gegangen zu sein, und hat c,n überlegenes, mitleidiges »aneizurten für die Dniinncn, die nicht alle werden. ... Der Held dieses Finanzromans wurde, Ivie gesagt, ans Melun bo- zvgen; dort kam er am 2l. April 1878 zur Welt und verdiente seine ersten Groscken ebrlich als Laufjunge des Bahnhofrcstanrants. Zum Kellner avanciert, machte er eine kleine Erbschaft, die ui ihm den Plan aufkommen ließ, Paris zu erobern. Ta er seine paar tausend Franken in die Bank eines Herrn B. steckte, erhielt er dort eine kleine Anstellung und zeigte sich bald so anstellig, daß er ibr böchfier Beamter war, als .Herr B. wegen betrügerischen Bankerotts die Fluckt ergriff. Rockene war der einzige, der bei diesem fnr iu« ungemein lehrreichen Zusammen- bruch nichts verloren zu baden scheint: iui Gegenteil, es gelang ilun, in:t Hilfe einiger der Gläubiger eine der „Gründungen" des flüchtigen Bankiers fortin'ctzen. die spanischen Kiivfergrubcn „Rio Tenido" (der Nanic erinnerte hübsch an den berühmten Börsenwcrt „Rio Tint>-.">. Obschon dieser „Rio Tenido" enie reckt iavnlöio Sache war, gelang eö Rochette, mit ihm eine Gcjcllscyast „Mines de Ncrva" zu bilden, die ein Aktienkapital von 20 Millionen Franken hatte! Das war der Anfang. Innerhalb dreier Jahre „lancierte" er dann die folgenden Gesellschaften: Erädit Minier Jndustriel, Anfangskapital 550 000 Fr., seitdem ans 8 000 000 Fr. erhöht; Eharbonnages de Labirana, Kapital 2 Millionen; Eharbonnages de Eerbayn 500 000 Fr., Mines de Liat 2 Millionen, MincS dll Val d Aran 2 Millionen, Tyndicat Minier 2>,b Millionen, im Juni 1007 unter Aufsaugung der RinrS de Liat und du Val d'Aran auf l0 Millionen erbobt: Banquc Franco Esvaguole 20 Millionen; Union Franro-Bclgc 21,2 Millionen; Mines de la Rcrva 20 Millionen; Pöcheries d Jslande et du Maroc (Fiscbcrcigesellschastj I Million; die tägliche Zeitung „Le Financier" 2 Millionen; Societ» du Manchon Hella 41/^ Millionen; Societü du Buisson Hella 15 Millionen! Insgesamt wurden also 80 Millionen für diese Gesellschaften cinqezahlt. Aber aus der Börse stiegen die Aktien wie durch Wunder. Die Hella-Glühstrümpfe stiegen vorgestern bis ans 500 Fr., die „englisch" beransgegebene Buinou- Hella zu 10 Schilling stand schon auf 58 Fr., die Aktie deS Syndicar Minier war von 100 auf 200 Fr. gestiegen und so weiter, so daß alle Aktien, die Rockctte lanciert, vorgestern auf der Börse einen Wert von über 200 Milli, neu beben sollten, — bis die Regierung der Justiz den Befehl gab, die „Bude" zuzumachen. Da gab eS einen fürchterlichen Sturz aller Rochette-Papiere; die Glühstrümpfe Hella fielen auf 80 Fr., die Buisson Hella auf 8 Fr., das Syndicat Minier auf 60 Fr., die Banquc Franco-Espagnolc von ihren stolzen 821 ans 50 Fr., die Mines Nerva von 25 auf 3 Fr., die Eharbonnages de Laoinia von >09 ans 20 Fr. . . .! Ein großer Kulissier der Börse, der den Auftrag batte, alle Verkaufs- anträge bon Rochettc-Papieren au der Börse schort zum bohcn Kurs aufzunehmen, hat seine Zablungcn eingestellt — er ist nir 2 Millionen in der Patsckc. Noch andere Banken und Finanziers scheinen von dem Krach ruiniert, und man erwartet böse Dinge. In Paris geschoben noch selten äkmliche Finanzzusainmcnbrücke, ohne daß auch politische Kreise mit hiiicingezogen und kompromittiert wurden; auch diesmal wird geflüstert, daß ein einflußreicher Senator sich mit seinem ganzen Ansehen kintcr Rochettc gestellt habe, daß mehrere Deputierte schwere Verantwortung an dem Geschobenen trügen, und dap der Vizepräsident der Kammer, der radikal-sozialiitisckc RbgeordneG Rabier. der juristische Beirat RocketteS gewesen sei. Herr Radier sagrc Interviewern, er bade vor einigen Tagen dem Bankier, dessen Per- llaftung ibn aufs äußerste überrascht babc, seine Demi,'non als Advokat piqcsandr, „weil seine Zeit ibm Nicki niebr erlaube, sich nm die zabl. reichen Geschäfte des Er-'-dit Minier zu kümmern". Das Gericht batte schon seit Monaten niedrere Klagen gegen Rochettc crbalten, aber keine gcnnaendc Veranlassung gesellen, emznscvreitcn. Einer der Kläger war nvar mit besonderer Scksiirfe voog. - an. en, „namens ie-.ws persönlichen und namens des oiseutlicken Fntercin s : es war das d> r belgische In genieur Gadot. Gadot batte einen Wagern,eher erfunden, der sich gut eerkauste; Rochettc war an ,bn mir dem Bolschlag berangctrctcn. an dem Wasserinesscr eine Aktiengesellschaft zu macben. um bi> auf größerem Fuße vertreiben zu können. Der Ingenieur uallm an. nm so freudiger, als Rochettc ibn, den Adminiüratoipoitcn mit llodew Gedair anllot. Die Aktien wurden ans den Markt gebracht, dock das Ka.nllil nicht für Re Vcrqr^'wung der We tstätten verwandt: Besteiln wen konnten nickt einmal bei ,ediat werden: Gadot wackle Rochettc Bor .i-.ie, Rockctte setzte Gadot auf die strane. Der Fnaenienr war nm kenn P-inire, nm aiie ''Geeckte gekommen. Aller bas Geeicht konnte 'n des ^a kie-s Verfallet.i nickt da- leise'ie Vergeben geaen dw >>-ieva >nn'a e ten- n. Da bc «a:-n