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fürchtungen gehegt, daß ein gleiches Ergebnis den Syndizierungsbestrebungen für Grobbleche bevorstehe. Die ganze Art und Weise der Behandlung der Kartellierungsbestrebungen erweckt den An schein, als ob erst recht schmerzliche Verluste, die zum Teil ja schon eingetreten sind, die ein zelnen Widerstrebenden zu derartigen Abschlüssen bereiter machen müssen. Es ist dies um so be dauerlicher, als es gerade die Verbände gewesen sind, die durch ihre Preismäßigung die letzte Hochkonjunktur so lange erhalten haben, und es ihnen sicherlich mit zu danken ist, daß der Rückschlag nicht in eine Krise, wie vordem, sondern nur in eine Depression überging. Diese Tatsache gewinnt eine um so höhere Bedeutung, als der Tiefstand des Wirtschafts lebens sich auf alle Industriestaaten erstreckte, und man nicht, wie in früheren Krisenjahren, durch starke Steigerung der Ausfuhr sich ein vergrößertes Absatzgebiet im Auslande er schließen konnte. „Der ruhende Pol in der Erscheinungen Flucht“, der Stahlwerks-Verband, hat, obwohl er am Rande der Hochkonjunktur, also in der für ihn denkbar ungünstigsten Zeit, er neuert wurde, sich doch bewährt. Manche An griffe richteten sich naturgemäß gegen ihn. Unter anderem wurde auch behauptet, daß er den Preußischen Eisenbahnfiskus bezüglich der Lieferung von Schienen und Schwellen in eine Zwangslage versetzt und auf Kosten seiner Steuer zahler ausgebeutet habe. Mit dieser Legende und Verdächtigung hat der Eisenbahnminister in den Beratungen der Budgetkommission über die dauernden Ausgaben des Etats der Eisenbahnverwaltung für das Etats jahr 1909 gründlich aufgeräumt. Er führte aus, die Eisenbahnverwaltung habe in den vorher gehenden Jahren durch ihren Abschluß mit dem Stahlwerksverband zweifellos ein glänzendes Geschäft gemacht; sie habe zu einer Zeit ab geschlossen, in der die Schienen und Schwellen billig waren, und habe in den Zeiten aufsteigen der Konjunktur von den niedrigen Preisen pro fitiert. Der Gewinn beziffere sich auf 20 bis 25 Millionen Mark. Der Minister legte dann weiter dar, daß er nur dem Verlangen des Ab geordnetenhauses nachgekommen sei, wenn er mehrjährige Verträge abgeschlossen habe. Im übrigen stände es durchaus noch nicht fest, welches Risiko mit den Verträgen vom Staate über nommen worden sei; anderseits könne nicht ver langt werden, daß nur die eine, Seite, der Stahl werksverband, das Risiko trage, und die andere Seite, der Fiskus, sich davon loslöse. Endlich stellte der Minister noch fest, daß durch den mehrjährigen Abschluß gegenüber einem ein jährigen der Staat allein im Jahre 1908 2 Mil lionen Mark mehr verdient habe. Es sei hier hinzugefügt, daß der Minister auch die gleichgerichteten Angriffe über seine Abschlüsse mit dem Rheinisch-Westfälischen Kohlensyndikat zurückwies und darlegte, daß er gerade aus diesem Vertrage die größten Vor teile ziehe; denn die englischen Lokomotivkohlen erforderten einen Mehrverbrauch von 20 bis 25 °/o und die oberschlesischen Kohlen müsse er weit teurer bezahlen als die Ruhrkohlen, ohne daß er überhaupt zu einem mehrjährigen Ver trage hätte gelangen können. Der Absatz des Stahlwerksverbandes stockte naturgemäß; erst in letzter Zeit ließ sich die Ausfuhr etwas vergrößern. Auch die mit dem Frühjahr erhoffte starke Zunahme des Absatzes in Formeisen trat nicht ein, da die Bautätigkeit bisher keine wesentliche Belebung erfuhr. Der Reichsbankdiskont war zwar von seiner schwindelnden Höhe zu Anfang des Jahres 1908 auf 31/, °/o im Januar 1909 herabgestiegen; doch fehlt es an der für eine regere Bautätig keit unumgänglichen Lust zur Gewährung von langfristigem Kredit. Erst wenn dieser in größerem Umfange gegeben wird, wozu die un sichere politische Lage wenig ermuntert, kann auf besseren Absatz in diesen Produkten ge hofft werden. Die Montanindustrie benutzte den herabgehenden Diskontsatz bezw. die Verbil ligung des Geldes zu großen Kapitalserhöhungen. Auch das erste Viertel des Jahres 1909 hat bekanntlich recht umfangreiche derartige Er höhungen gebracht, so daß die zukünftige Bes serung der Konjunktur in ganzem Umfange von der Montanindustrie ausgenutzt werden kann und ihre erweiterten Anlagen allen Ansprüchen genügen dürften. In bezug auf unsere auswärtigen Han delsbeziehungen hat sich während der Be richtszeit nichts Besonderes für die Eisen- und Stahlindustrie ereignet; denn der Abschluß des Handelsvertrages mit Portugal, der zudem noch der definitiven Zustimmung des Reichs tages unterliegt, berührt sie nicht nennenswert. Nur die Kleineisenindustrie machte stärkere Ein wendungen gegen den Vertrag. Zolltarifrevisionen, die im allgemeinen gleichbedeutend mit Zolltariferhöhungen sind, scheinen nun endgültig in Amerika und Frankreich bevorzustehen. In Amerika be gannen die Verhandlungen über den neuen Zoll tarif. Angeblich soll derselbe starke Ermäßi gungen vorsehen; für die Eisen- und Stahlzölle scheint dies aber nicht der Fall zu sein, da die amerikanische Eisen- und Stahlindustrie sich ziemlich ruhig verhält. Genauere Einzelheiten sind noch nicht bekannt geworden. In Frank reich ist bereits der Deputiertenkammer ein Tarifentwurf vorgelegt, der eine wesentliche Er höhung der Zölle auf Metalle und Metallwaren vorsieht, trotzdem der Bericht feststellt, daß