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zu sein, daß bei den Eisenhüttenprozessen die Bedingungen zur Bildung von Diamanten ge geben sind, und zwar nicht nur von Diamanten in Gestalt mikroskopisch eben sichtbarer Körnchen, sondern von Exemplaren, die technisch ver wertbar sind. Mittlerweile ist über ein Jahrzehnt vorüber gegangen, ohne daß das im Jahre 1896 schon seiner Lösung so nahe Problem der Herstellung von Diamanten aus Eisenkohlenstoffschmelzen auch nur einen Schritt weiter gefördert ist. Im Gegenteil, dieser damals sehr populäre Gegen stand ist wieder in Vergessenheit geraten. Viel leicht interessiert es aber trotzdem noch, daß ich vor einiger Zeit in Hochofensauen Kristalle gefunden habe, die den Hochofendiamanten Leon Francks in jeder Hinsicht gleichen. Ich versuchte nämlich, aus der Bodensau eines zwecks Neubau ausgeblasenen Hochofens der Haibergerhütte bei Brebach a. d. Saar, wel cher vierzehn Jahre lang auf luxemburger Gießereieisen gegangen war, ein Reinpräparat von Cyanstickstofftitan herzustellen. Dabei zeigte es sich, daß das nach dem Behandeln der Masse mit Säuren zurückbleibende Cyanstickstofftitan durch einen farblosen „Sand“ verunreinigt war, der von Flußsäure nicht angegriffen wurde. Zur näheren Untersuchung der Substanz wurde das Cyanstickstofftitan nach dem Vorgänge Leon Francks durch Salpetersäureflußsäuremischung entfernt. 1 kg Rohmaterial der Bodensau lie ferte auf diese Weise 6 g des farblosen Sandes. Der Sand zeigt unter dem Mikroskop schönen Glanz. Kristallflächen waren nicht zu entdecken. Das Produkt gleicht vielmehr einer amorphen Masse, z. B. gepulvertem Glas. Das spezifische Gewicht wurde im Pyknometer zu 3,6 ermittelt. Hiernach ist es wahrscheinlich, daß dieser Sand mit den „Kristallen“ identisch ist, welche Leon Franck in dem „Hochofenerzeugnis“ des luxem burger Hochofens gefunden hat, und es erscheint nach dem bisherigen Befund tatsächlich nicht unmöglich, daß wirklich Diamanten vorliegen. Leider hat die chemische Untersuchung den Traum von den „Hochofendiamanten“ gestört. Meine „Diamanten“ verbrannten im Sauerstoff nicht, dagegen schmolzen sie vor dem Knallgasgebläse zu einer undurchsichtigen porzellanartigen Masse zusammen. Durch schmelzendes Alkali, Salpeter und Kaliumbisulfat wurden sie langsam ange griffen. Die Boraxschmelze löste sie glatt auf. Die chemische Analyse ergab, daß hier reine Tonerde vorlag. 0,500 g Substanz lieferte nach dem Aufschließen und nach dem Fällen mit Ammoniak 0,497 g Al,0, entsprechend 99,4 °/o A1 2 O 3 . Die Tonerde wurde durch die Bildung von Thenardsblau und von schwerlös lichem Kalialaun sichergestellt. Titan war nicht zu finden. Ich habe auch die Bodensau eines andern Hochofens derselben Hütte untersucht, welcher nach einer vierjährigen Schmelzreise (auf luxemburger Gießereieisen) niedergeblasen war, und darin gleichfalls solche Tonerdeabsonde rungen in reicher Ausbeute gefunden. Die „Kristalle“ waren größtenteils nicht so schön wie die aus dem andern Ofen. Leon Franck hat seine Hochofendiamanten nicht analysiert. Aus der Aehnlichkeit des von ihm untersuchten Vorkommens mit den hier be schriebenen Fällen darf man wohl schließen, daß auch er nur Tonerde reinster Form unter den Händen gehabt hat. Jedenfalls lehrt meine Untersuchung, daß in Hochofensauen noch eine andere, in ihren Eigenschaften den Diamanten ähnliche Substanz vorkommen kann, so daß die bloße Konstituierung schwerer, von Säuren nicht angreifbarer farbloser „Kristalle“ nicht genügt, um das Vorkommen von Diamanten zu beweisen. Es bleibt noch die Frage nach der Herkunft dieser Tonerdeausscheidung zu erörtern. Da die Substanz in den Ofensauen zweier Hochöfen gefunden wurde, muß man annehmen, daß sie kein Zufallsprodukt ist, also z. B. schwerlich von zerstörten bauxithaltigen Schamottesteinen herrührt. Wahrscheinlicher ist es, daß die Tonerde dem Tongehalt der Erze (oder der Koksasche) entstammt. Vielleicht handelt es sich um Tonerde, welche dadurch aus dem Ton des Möllers in Freiheit gesetzt ist, daß die Kiesel säure von Eisen unter Bildung von Eisensilizid aufgenommen ist. Auf welche Weise sich diese Tonerde dann der auflösenden Wirkung der Schlacke entzogen haben könnte, vermag ich nicht anzugeben. In allen Fällen dürfte der hohe Tonerdegehalt des Möllers eine Rolle spielen. Die Schlacke der beiden Hochöfen der Haibergerhütte enthält 20 bis 23 °/o Tonerde, ja beim Erblasen hochsilizierten Eisens bis 28 °/o Tonerde. Durch diese Untersuchung scheinen die „Hoch ofendiamanten“ Leon Francks stark in Zweifel gesetzt zu sein. Wenn es auch für den Eisen hüttenmann recht angenehm gewesen wäre, sich die bekannte unangenehme Arbeit des großen „Sauschlachtfestes“ durch die gewinnbringende Nebenbeschäftigung des Diamantensammelns ver süßen zu können, so halte ich die Hoffnung darauf doch für trügerisch.