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1. Oktober 1903. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 1113 von ihm nur für kohlenstoffarmen Stahl angewandt . worden, während Stead und Richards dasselbe auf die j meisten Stahlsorten ausgedehnt hätten. Im Gegensatz zu Stead hält Ridsdale an der alten Schlagprobe auf die volle Schiene fest, da dieses Verfahren praktisch und leicht ausführbar sei. E. F. Lange ist der Meinung, daß das Verhalten des Kohlenstoffs beim Überhitzen des Stahls vielleicht noch einen größeren Einfluß auf die Beschaffenheit desselben ausübe als das grobkörnige Gefüge und daß man hierüber noch mehr Aufschlüsse sammeln müsse. Er berichtete alsdann über von ihm angestellte Ver suche bezüglich des Einflusses der Sorbitbildung auf die Beschaffenheit des Stahls, deren Ergebnisse ihn sehr überrascht hätten. Er zeigte Photographien eines Probestabes, welcher nach Erhitzen auf 1300° C. nur um einen Winkel von 30" gebogen werden konnte, während er, nachdem er aufs neue auf 900° C. erhitzt und langsam abgekühlt war, die doppelte Biegang ertrug. Ferner bat er Schmiedestücke mit 0,17 bis 0,470/0 Kohlenstoff auf 870’ C. erhitzt, in Wasser abgelöscht, wieder auf 580 ’ oder- 645 ’ erhitzt und als dann langsam abgekühlt. Bei einigen derselben war die Sorbitbildung weit vorgeschritten, und bei allen war eine größere oder geringere Verbesserung der Be schaffenheit wahrzunehmen. Besonders hat er eine Erhöhung der Festigkeit erzielt, wie man sie sonst nur durch Nickelzusatz erreichen konnte. Professor Turner sprach sich zugunsten des von Stead angewandten Prüfungsverfahrens aus, welches, für die meisten Zwecke schnell genug sei, die An wendung kleiner Probestücke gestatte und wenig Kraft erfordere. Ein fernerer Vorteil sei, daß man das Probestück in jedem Stadium des Versuchs behufs mikroskopischer und sonstiger Untersuchung aus der Maschine herausnehmen könne. J. L. Shaw beschäftigte sich in seinem nunmehr folgenden Vortrage mit der Möglichkeit des Vorkommens von Eisenerz unter der Duddon-Bucht. Er ist auf Grund der vorliegenden geologischen Unter- ■ Buchungen zu dem Schluß gekommen, daß noch Erz- i felder von beträchtlichem Wert unter der genann ten Bucht liegen, und schlägt behufs ihrer Erfor schung die Vornahme weiterer Bohrungen vor. Seine Ausführungen wurden von G. J. Snelus lebhaft unter stützt. Der Vortrag von W. F. Pettigrew über das : in Barrow-in-Furness verwendete Brenn material fällt aus dem Rahmen des Eisenhüttenwesens heraus, da in demselben über Versuche, verschiedene Kohlensorten zur Feuerung von Lokomotiven zu ver- 1 wenden, berichtet wird. In einer sehr umfangreichen Abhandlung behandelte darauf Ridsdale die Fehler des Stahls, die er nach Hey ns Vorgang als Krankheitserscheinungen bezeichnet. Er hat den Versuch gemacht, ein systemati- i sches Schema aufzustellen, um die bei Erzeugung und Weiterverarbeitung des Stahls am häufigsten auftreten den Fehler, von denen er 82 aufzählt, zu erkennen und auf ihren Ursprung zurückzuführen. Aus den Vorträgen von H. Ehrhardt über das Walzen nahtloser Röhren und Kesselschüsse und von D. A. Louis über die Regulierung der Verbrennung und der Wärme ausnutzung im Koksofenbetriebe, die dem Leser von „Stahl und Eisen“ bekannte Gegen- | stände behandeln, wurden vom Sekretär des Insti- I tutes, B. H. Brough, Auszüge verlesen. Zu ersterm Vortrage gab R. M. Daelen einige Erläuterungen, | XIX.23 in welchen er in kurzen Worten das Wesen des Verfahrens schilderte und hervorhob, daß es dem Erfinder gelungen sei, im praktischen Betriebe Kessel schüsse von genauen Abmessungen herzustellen. Eine große Anzahl von nahtlosen Kesseln würden jetzt für Lokomotiven und andere Zwecke gebaut, und da bei gleichen Herstellungskosten die nahtlosen Kessel- schüsse fester und sicherer wären als die genieteten, so zweifle er nicht, daß das Ehrhardtsche Verfahren einen großen Erfolg haben werde. Hierauf verlas T. Baker seinen Vortrag: Über den Einfluß des Siliziums auf das Eisen, in welchem er über Versuche mit einer Reihe von Sili ziumlegierungen berichtete, welche bis 11 ’/o Silizium enthielten und von fremden Bestandteilen ziemlich frei waren, indem die Gesamtsumme der letztem in keinem Fall 0,301 °/o überstieg. Er faßt die Ergebnisse seiner Untersuchung wie folgt zusammen: Obgleich der Zusatz von Silizium die Elastizitätsgrenze und die Zähigkeit des Eisens steigert, so wird diese Steigerung doch auf Kosten der Geschmeidigkeit erkauft, welcher Verlust, wenn das Material gut ausgeglüht wird, sehr unbedeutend ist, bis der Siliziumgehalt 3 °/o erreicht; von dieser Grenze ab jedoch sinkt die Geschmeidigkeit sehr schnell und wird bei 4 °/o gleich Null. Die Siliziumlegierungen werden mit steigendem Siliziumgehalt allmählich härter und lassen sieh schon bei mehr als 5 °/o Silizium nur mit großer Vorsicht und Geschicklichkeit bearbeiten, ohne zu zerbrechen. Die Verschiebung des Halte punktes Ars erfolgt proportional dem Siliziumgehalt und beträgt durchschnittlich 8° C. für 1 ’/o Silizium. In der Diskussion bemerkte Campion, daß der Vortragende nach seiner Meinung die Versuchsstäbe nicht sachgemäß ausgeglüht habe, indem die Temperatur zu hoch und die Abkühlung zu langsam gewesen sei; auch bemängelte er, daß bei der Prüfung der Legierungen die Schlag- und Biegeprobe nicht in Anwendung ge bracht seien, da sich nach Versuchen mit den beiden letztgenannten Prüfungsverfahren ein Siliziumzusatz nicht als so vorteilhaft erwiesen habe. Den letzten Punkt der Tagesordnung bildete der Vortrag von E. D. Campbell über die Diffusion von Sulfiden im Stahl. Campbell hat seine früheren diesbezüglichen Ver suche wiederholt, da von Professor Le Chatelier und M. Ziegler die Vermutung ausgesprochen war, daß das dünnflüssige Sulfid durch die Fugen des Rohres, in welchem die Erhitzung vorgenommen war, ausgesickert sein könnte. Trotzdem bei Wiederholung der Versuche alle Vorsichtsmaßregeln, diese Fehler quelle auszuschließen, getroffen waren, fand Campbell seine früheren Schlüsse, nach welchen die geschmol zenen Sulfide durch den Stahl zu wandern befähigt sind, bestätigt. Nach Schluß des wissenschaftlichen Teils der Tagesordnung lud Kirchhoff, der bekannte Redakteur und Herausgeber des „Iron Age“, im Namen der führen den amerikanischen technischen Vereine und Werke das Iron and Steel Institute zu einem Besuch in den Vereinigten Staaten ein, was von der Versammlung dankend angenommen wurde. Derselbe soll im Herbst nächsten Jahres statt finden, während das Frühjahrsmeeting wie üblich in London abgehalten werden soll. Hierauf wurden die Sitzungen geschlossen. Im Anschluß an die Versammlung des Institutes fand eine Reihe von Werksbesichtigungen statt, von denen die nach den Barrow-Hämatit-Stahlwerken und den Askam-Eisenwerken für den Eisenhütten mann die bemerkenswertesten waren. Die Barrow- Hämatit-Stahlwerke sind bereits in „Stahl und Eisen“ 1902 Nr. 4 S. 241 beschrieben. Die Askam-Eisenwerke 4