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15. Oktober 1903. Mitteilungen aus dem Eisenhiittenmännischen Institut usw. Stahl und Eisen. 1133 Ist jedoch der Sättigungsgrad für Kohlen stoff noch nicht erreicht, so wandert der durch die Bildung von Schwefeleisen verdrängte Kohlen stoff so lange an die Stellen, wohin der Schwefel noch nicht gelangt ist, bis hier der Sättigungs grad für Kohlenstoff erreicht ist; diese Tatsache hat ja bereits Karsten* festgestellt. Etwas anders liegt die Sache, wenn der Schwefel nicht als solcher, sondern als fertig gebildetes Schwefeleisen zur Anwendung gelangt. Reines Eisen legiert sich bekanntlich in jedem Verhältnis mit Schwefeleisen. Diese Legierungs- ' fähigkeit wird aber sehr erschwert, wenn statt reinen Eisens solches mit hohem Kohlenstoff gehalt vorliegt. Das hochgekohlte Eisen hat an sich nur eine sehr geringe Neigung, sich mit Schwefeleisen zu legieren, und letzteres muß sich daher seinen Zutritt in das Eisen gleichsam erzwingen, in dem es nach und nach den Kohlenstoff hinaus drängt. Diese Verdrängung wird noch verlang samt infolge des erheblichen Unterschiedes im spez. Gewicht. (Schwefeleisen hat das spez. Gewicht 4,84; Gußeisen etwa 7,2.) Das Schmelz- ; resultat wird also im allgemeinen, d. h. wenn nicht sehr geringe Mengen Schwefeleisen zur Anwendung kommen bezw. sehr lange geschmolzen wird, folgendes sein: Unten Eisen mit einem gewissen Schwefelgehalte und dem für diesen I Schwefelgehalt erreichbar höchsten Maß an Kohlenstoffgehalt; darübereine Schicht Schwefel eisen (das seinerseits eine sehr geringe Menge i Kohlenstoff — nach obigen Versuchen etwa 0,2 % — aufgenommen hat). Kommt der Schwefel nicht als Schwefeleisen, sondern als Legierung von Eisen mit Schwefel- [ eisen zur Anwendung, so tritt die mangelnde j Legierungsfähigkeit hochgekohlten Eisens für । Schwefeleisen durch die Abscheidung des letzteren zutage, wie die auf Seite 1132 beschriebenen Ver suche 1 und 2 sehr deutlich erkennen lassen. Die ziemlich auffallende Tatsache, daß bei den oben bereits erwähnten Versuchen von Smith und W. Weston nirgends eine Abscheidung von Schwefeleisen bemerkt wurde, läßt sich dadurch er klären, daß diese nicht bei Sauerstoffabschluß arbei teten. Jeder, der einmal Schwefeleisen geschmolzen hat, wird die Beobachtung gemacht haben, daß schon bei verhältnismäßig niedriger Temperatur, wo das Schwefeleisen kaum geschmolzen ist, sich ein deutlicher Geruch nach schwefliger Säure bemerkbar macht, der von verbranntem Schwefeleisen herrührt. Wenn sich also das Schwefeleisen schon bei so niedriger Temperatur oxydiert, um wieviel energischer muß dann die Einwirkung des Sauerstoffs bei der im Schmelz ofen herrschenden Temperatur sein, wo das * Wedding: „Ausführliches Handbuch der Eisen hüttenkunde“ 1891 S. 275. Schwefeleisen einige 100° über seinen Schmelz punkt erhitzt ist! Das an der Oberfläche schwim mende Schwefeleisen wird also auch wohl hier, bevor es Zeit hatte, sich vollständig mit dem hochgekohlten Eisen unter Kohlenstoffabschei dung zu legieren, durch den Sauerstoff der Luft verbrannt sein. Daher die gleichzeitige Kohlenstoff- und Schwefelabnahme, welche bekanntlich zur falschen Annahme der Bildung von Schwefelkohlenstoff führte. Die Schmelzversuche Nr. 2 und 3 aufS. 1132, die angestellt wurden, um den Einfluß der atmo sphärischen Luft auf das ausgeschiedene Schwefel eisen kennen zu lernen, zeigen deutlich dessen all mähliche Verbrennung. Während bei Versuch 1, wo unter Sauerstoffabschluß gearbeitet wurde, die Gewichtsabnahme nur 0,53 % beträgt und sich durch die Austreibung von Kohlenstoff (und Sauerstoff [? siehe weiter unten]) erklärt, steigt sie bei Versuch 2, wo nur eine geringe Luft zufuhr möglich war, auf 2,14 % ; bei Versuch 3, wo allerdings der Luftzutritt noch künstlich er höht wurde, fand sich überhaupt kein ausge schiedenes Schwefeleisen mehr, es war vollstän dig verbrannt. Nun bleibt noch die Beantwortung einer Frage übrig: Wie ist das bei den Schmelzungen sich bildende brennbare Gas entstanden? Es ist mit Sicherheit anzunehmen, daß die ver hältnismäßig geringen Mengen Stickstoff aus der Bombe herrühren, also mit dem eigentlichen Gas nichts zu tun haben. Ebenso sicher kann man annehmen, daß das Gas — zu etwa 4/5 aus Kohlenoxyd und 1/5 aus Kohlensäure bestehend — ein Oxydationsprodukt des primär durch den Schwefel abgeschiedenen Kohlenstoffs ist; denn eventuell vorher im Eisen gelöst gewesenes und dann ausgetriebenes Kohlenoxydgas könnte höchstens einen verschwindend kleinen Bruch teil des erzeugten Gases ausmachen. Möglicher weise hat sich der Vorgang in der Weise ab gespielt, daß der durch den Schwefel aus dem Eisen verdrängte Kohlenstoff die ja fast in jedem Eisen befindlichen Oxyde reduziert hat.* Fassen wir die gewonnenen Resultate noch mals zusammen, so sehen wir, daß sich bezüg lich des Siliziums die Vermutungen Ledeburs bestätigt haben; unter gewissen Bedingungen erfolgt tatsächlich die Abscheidung bezw. Ver flüchtigung von Schwefelsiliziumverbindungen. Was jedoch die Einwirkung des Kohlenstoffs auf den Schwefel im Eisen betrifft, so befand man sich im Irrtum bezüglich der Annahme, daß der Kohlenstoff unter Bildung von Schwefelkohlen stoff den Schwefel verflüchtige. Kohlenstoff wirkt nicht direkt entschwefelnd. * Vergl. Ledebur: „Leitfaden für Eisenhütten laboratorien“ 5. Auflage S. 106.