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Trennung Wie wag’ ich es, mein Lieb, allein, ganz ohne dich zu sein, was muß ich leiden, wie trag’ ich den Gedanken, dich zu meiden? Es geben meinem Herzen das Geleit mein Flehen, meine Seufzer, meine Klagen. Wie soll ich es, Madonna, je ertragen: der Tod, ich weiß es wohl, ist nicht mehr weit. Kann ich nicht bei dir sein, um dir zu dienen, so laß mich stets dir im Gedächtnis sein und nimm zu dir mein Herz, das nicht mehr mein. Corn’ arö dunque ardire Senza vo’ ma’, mio ben, tenermi ’n vita, S’ io non posso al partir chiedervi aita? Que’ singulti, e que’ pianti, e que’ sospiri Che ’l miser core voi accompagnorno, Madonna, duramente dimostrorno La mia propinqua morte e’ miei martiri. Ma se ver e ehe per assenzia mai Mia fedel servitu vadia in obblio, II cor lasso con voi, ehe non e mio. Um 1530 entstanden. Eines der über einhundert Madrigale Michelangelos, die inhaltlich zumeist den Zustand seiner häufigen und heftigen Verliebtheit widerspiegeln. Sie wurden von ihm - oft von launig-freimütigen Briefzetteln begleitet - an die Adressen der von ihm Erwählten gerichtet. Zorn Hier schmiedet man aus Kelchen Helm und Klingen, verschachert Christi Blut nach Kannen schwer, aus Kreuz und Nägeln macht man Schild und Speer: des Heilands Langmut schweigt zu diesen Dingen. 0 kehre nie zurück an diese Stätte, dein Blutpreis stiege bis zum Himmelszelt, man nähme selbst für deine Haut noch Geld, vor deiner Güte niemand Achtung hätte. Mir kann der Reichtum keine Sorgen bringen, doch fürchte ich den Papst in seinem Kleid, der mich zu solchem Nichtstun konnte zwingen. Es dient die Armut zwar der Seligkeit, doch frag’ ich, wie soll man das Heil erringen, wenn nichts als nur das Geld regiert die Zeit? Qua si fa elmi di calici e spade, E ’l sangue di Cristo si vend’ a giumelle, E croce e spine son lance e rotelle; E pur da Cristo pazienzia cade! Ma non c’ arivi piü ’n queste contrade, Che n’ andre’ ’l sangue suo ’nsin alle stelle, Poscia ehe a Roma gli vendon la pelle; E eci d' ogni ben chiuso le strade. S' i’ ebbi ma’ voglia a posseder tesauro, Per ciö ehe qua opra da me e partita, Pub quel nel manto ehe Medusa in Mauro. Ma se alto in cielo e povertä gradita, Qual fia di nostro stato il gran restauro, S’ un altro segno amorza 1’ altra vita? Das 1512, ein Jahr vor dem Tode Julius IL, entstandene Sonett schildert die Priesterschaft in Rom. Die Priester, der Papst an der Spitze, beuteten die Frömmigkeit des Volkes aus. Anstatt den Künstler zu beschäftigen, wurde er vom Papst zur Untätigkeit verdammt. Die [unter das Sonett gesetzte] Unterschrift „vostro Miccelagniolo in Turcho" deutete darauf, daß der Dichter sich zu Rom wie in der damals noch unzivilisierten Türkei vorkam.