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Aufführungsdauer: ca. 35 Minuten hätte „doch keinen Begriff davon, wie es un- sereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen [Beethoven] hinter sich marschieren hört“ - meinte Brahms. Nach Beethoven müsse man Sinfonien schreiben, die „ganz anders aus sehen“. Und so versuchte es Brahms denn im mer wieder und fand Wege und Mittel für einen eigenen Weg. Er blieb zwar einer über kommenen Tradition treu, bediente sich auch traditioneller Formmodelle, unterschied sich aber insofern von Beethovens Art, Themen auf zustellen und zu verarbeiten, sie rhythmisch auszubeuten und motivisch zu zerkleinern, als er weitaus mehr Wert darauf legte, größere me lodische Zusammenhänge zu formen durch kleinste motivische Substanz, die oftmals als Keimzelle einem Werk vorangeht. Schönberg nannte dieses Kompositionsverfahren „ent wickelte Variation“ (und benutzte es selbst). Diese motivischen Beziehungen innerhalb eines Werkes schließen das Ganze zusammen, bilden eine geschlossene Form. Brahms gewann dar über hinaus seine Spannungsfelder aus wirk lichen Raumbeziehungen, gegensätzlichen musikalischen Parametern - nicht so sehr aus kontrastierenden Themen in der Art seiner Vor gänger. Er setzte hoch und tief gegeneinander, weit und eng, dicht und locker, kammermusi kalische Elemente gegen orchestrale Ballungen und heroisches Pathos gegen lyrische Verson nenheit. Er mischte Gefühle und Empfindun gen, benutzte volksliedhafte Einfachheit und kunstvolle Ausdruckskraft. Brahms baute sein Sinfoniegebäude als planender Architekt. Im Jahr 1883, am 2. Dezember, wurde die Sin fonie Nr. 3 F-Dur op. 90 von Hans Richter in Wien uraufgeführt und durch eine Truppe der Wagner-Bruckner-Partei arg ausgepfiffen. Brahms sollte vor aller Augen als Konservativer bloßgestellt werden. Durch den jungen Hugo Wolf gar, der als frischgebackener Kritiker