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Ver - rückt Verliebte sind Verrückte, so nannte einmal George Tabori eine Collage über den Zauber und die Zerstörungskraft Shakespearescher Liebender. Ein Mädchen sagt nein, nein zu der vom Vater angeordneten Heirat im wohlgeordneten, zivili sierten Staat. Nein, wir befinden uns nicht in Italien, und das Mädchen heißt nicht Julia, denn dann hätten wir es mit einer Tragödie zu tun. Das Mädchen heißt Hermia, und die hat sich Knall und Fall in Lysander verliebt. Julia und Hermia - eine Tragödie und eine Komödie - »Ein Sommernachtstraum«. Kann man aber in der Welt der Ordnung und der Gesetze so einfach sei nen Gefühlen, seinen Instinkten folgen? Die Gesetze sind eindeutig, das Mädchen hat sich dem Willen der übergeordneten Instanz - in diesem Fall, Liebe hin oder her, des Vaters - zu unter werfen oder geltende Strafe, Tod oder Abgeschiedenheit eines Klosterlebens, zu ertragen. Und auch Theseus, Herrscher über Athen, weiß diesen Fall nicht so recht zu entscheiden, denn gera de hat er sich die Amazonenkönigin Hippolyta zwecks Heirat mittels Gewalt unterworfen. Die Komödie kann beginnen. Der Wald ist das Reich der Wesen der Nacht, die Welt von Titania und Oberon, eine Welt, in der die Ordnung unserer Zivilisation außer Kraft gesetzt ist, in der die Spielregeln des Traums und der geheimen Sehnsüchte gelten. Hier mischen sich Blütenduft und Modergeruch, wilde Tiere und Schmetterlinge, mischen sich Dunkelheit und Helligkeit wie in unseren Träumen. Und hier her fliehen Hermia und Lysander, um der Ehe mit dem vom Vater bestimmten Mann, Demetrius, zu entgehen - eifersüchtig verfolgt von Helena, deren Geliebter Lysander einst war, und Deme trius. Aber auch im Reich der Elfenkönige Titania und Oberon herrscht ungezügeltes Chaos, denn die Herrscher befinden sich ihrerseits im Eheclinch. Und dieser Streit reicht bereits in die zivilisierte Welt. Flüsse treten über die Ufer, Jahreszeiten sind nicht mehr zu unterscheiden. Fra gil ist das Gleichgewicht zwischen beiden Welten. Chaos herrscht. So kann das Verwirrspiel be ginnen, und die Gefühle aller geraten in schwindelerregende Höhen und Abgründe, ein Taumel, in den außerdem noch fünf Handwerker stolpern und schließlich auch ein Esel, der Oberons Absicht, seine unbotmäßige Gemahlin wieder gefügig zu machen, lautstark untermalt.