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romantischen Irrfahrer zu sehen denn als prahle rischen Industriemagnaten, als der er in der nachfolgenden Szene, an der Küste Marokkos beim Mahle sitzend, gezeigt wird. Die Schön heit des erwachenden Morgens bezieht sich zwar in Verbindung mit dem Drama auf Afrika, erweckt aber in seiner musikalischen Gestaltung eher die Vorstellung eines Sonnenaufgangs in der norwegischen Heimat, mit der Peer Gynt auch in der Ferne verbunden bleibt. Im Thema selbst haben sich eine Reihe von Merkmalen al ter norwegischer Volksmelodik verdichtet. Wie der entfaltet Grieg den ganzen Zauber dieses Themas vor allem mit seiner Kunst der harmoni schen Gestaltung und der Instrumentierung. Mit dem „Arabischen Tanz" huldigt eine Schar arabischer Mädchen, angeführt von Anitra, der Tochter des Beduinenhäuptlings, Peer Gynt als ihrem „Propheten". Das orientalische Kolorit wird hier durch die Instrumentierung mit zwei Piccoloflöten, Triangel und Tamburin und die starken Akzentgebungen in der Melodie erzielt. In derselben Szene folgt „Anitras Tanz". Auch Anitra, die Peer Gynt betört, ihm dann seinen Schmuck und seine Geldbörse entlockt und schließlich auf seinem Pferd davonreitet, zeich net Grieg wie die anderen Frauengestalten des Dramas in ihren positiven Zügen. An Hennum schreibt er: „Das ist ein kleiner sanfter Tanz, von dem ich mir wünschte, daß er recht fein und schön klingt Orientalisches Kolorit wird hier lediglich durch ein dem Streichorchester hin zugefügtes Triangel angedeutet. Mit „Solvejgs Lied" (Der Winter mag scheiden), diesmal in der vokalen Fassung, in der es von Grieg entsprechend Ibsens Vorschlag für diese Szene geschaffen war, wird die Vision der war tenden Solvejg, die vor der von Peer gebauten Waldhütte sitzt und während des Spinnens im Gesang ihre Sehnsucht und Treue zum Ausdruck bringt, zum Höhepunkt des vierten Aktes. Im fünften Akt kehrt Peer als alter Mann in seine Heimat zurück. Aber als sich sein Schiff der Kü ste nähert, wird es von einem Sturm erfaßt und versinkt mit Peers ganzer Habe. Nur er selbst kann sich retten. Das Vorspiel „Peer Gynts Heim kehr" (Stürmischer Abend an der Küste) schildert das Unwetter, die heftigen Windstöße, das Heulen des Sturmes, die aufgewühlte See. Von dem unheilvollen Geschehen künden bereits zu Beginn fanfarenhafte Motive der Bläser, die an Richard Wagners „Fliegenden Holländer" erin nern. Unruhige Tremoli der Streicher, auf- und abwärts jagende chromatische Gänge, plötz liche Sforzati sowie starke dynamische und klangfarbliche Kontraste unter Nutzung aller Möglichkeiten des großen Orchesters gestalten das Geschehen zu einem packenden Tongemäl de. Beim Durchstreifen des heimatlichen Waldes nähert sich Peer der Waldhütte und hört „Sol vejgs Gesang in der Hütte" auf die Worte: „Nun ist hier zur Pfingstfeier alles bereit ... ich warte, wie ich dir's versprach." Die Weise er klingt unbegleitet, ohne Vorspiel und Refrain. Er schüttert wendet sich Peer Gynt mit den Worten „Hier war mein Kaisertum" zurück in den Wald. In der folgenden „Nachfszene", einem Melo dram mit Chor, bedrängt Peer die Stimme sei nes Gewissens. Knäuel, die am Boden rollen, welke Blätter, das Sausen in den Lüften, Tautrop fen, gebrochene Halme und schließlich die Stim me seiner Mutter - alle klagen ihn an. Der „Gesang der Kirchgänger", ein einstimmi ger und unbegleiteter Choral, leitet zum Ab schluß des Werkes über. Wiederum gelangt Peer zu der Hütte, weicht ihr aber diesmal nicht aus, wird von Solvejg willkommen geheißen und findet in ihren Armen den Frieden mit sich selbst. Mit „Solvejgs Wiegenlied" (Schlaf, du teuerster Knabe mein), einer der schönsten Ein gebungen Griegs, endet das Werk. Sein Vor spiel mit dem hellen Klang sordinierter Streicher in hoher Lage bei geteilten ersten und zweiten Violinen offenbart nochmals Griegs Kunst der In strumentierung für Streichorchester. Im weiteren Verlauf wird die Helligkeit des Klanges, die mit Ibsens szenischer Anweisung „Die Sonne geht auf" korrespondiert, durch Harfenakkorde, ein gefügt in die Pausen der Gesangsstimme, er-