Volltext Seite (XML)
Zur Musik Indem Grieg Ibsens Werk mit Musik versah, hob er einige Züge der dichterischen Vorlage besonders hervor. Er unterstrich vor allem die nationalen Züge und den lyrisch-emotionalen Gehalt des Werkes und betonte in Verbindung mit dem „phantastischen" zweiten Akt seine gro tesken Situationen. Nationale Klänge ziehen sich durch alle fünf Akte des Werkes. Die Beto nung der nationalen Züge des Werkes äußert sich darin, daß Grieg den zweiten Akt, der uns in die rauhe norwegische Felslandschaft mit ihren heimischen Naturgeistern, den ungestalten Trollen und ihrem Bergkönig, dem Dovre-Alten, führt, am reichlichsten mit Musik versehen hat. Die norwegische Natur mit ihren von der Volks poesie geschaffenen phantastischen Gestalten, der sich Grieg von Jugend an innig verbunden fühlte, war stets der Bereich, der seiner künstleri schen Phantasie vielfältige Nahrung bot. Die besondere Hervorhebung des lyrisch-emotio nalen Gehalts der Dichtung durch Grieg ergibt sich vor allem daraus, daß in Griegs Musik die Gestaltung positiver Haltungen und Eigenschaf ten im Vordergrund steht. Nicht Peer Gynt, der negative Held Ibsens, ist Griegs Hauptgestalt, sondern die lichte Gestalt des Bauernmädchens Solvejg steht im Mittelpunkt seiner musikdramati schen Konzeption. Nicht zufällig hatte er auch mit ihrem sehnsuchtsvollen, volksliedhaften Lied die Komposition der Peer-Gynt-Musik begonnen. „Solvejgs Lied" erhält geradezu die Funktion ei nes Leitthemas innerhalb der gesamten Musik. Es erklingt bereits im Vorspiel zum ersten Akt und kehrt dann im dritten, vierten und fünften Akt wieder. Die Akzentuierung der lyrisch-emotionalen Seiten des Poems durch die Musik Griegs führt auch bei den anderen Frauengestalten des Stückes zur Betonung ihrer positiven Seiten, sei es in „Ases Tod" oder in „Anitras Tanz". Die grotes ken Gestaltungsweisen sind bei Grieg eng mit der Darstellung des Phantastisch-Märchenhaften der norwegischen Bergwelt verbunden, und da mit auch mit der nationalen Volksmusiktradition. Sie äußern sich besonders eindrucksvoll in rhyth misch und tänzerisch profilierten Musiknum mern. Das Vorspiel zum ersten Akt „Im Hochzeitshof" leitet unmittelbar in die Sphäre norwegischen Volkslebens, und damit in die drei ersten in Nor wegen spielenden Akte. Zugleich nimmt es die für das Gesamtwerk entscheidende Szene der ersten Begegnung Peers und Solvejgs im Hoch zeitshof musikalisch vorweg. Es beginnt und schließt mit dem schwungvollen Motiv Peers, das ihn mit stampfenden Hallingrhythmen als übermütigen und kraftvollen Bauernburschen charakterisiert. Im Mittelteil erklingt, von Holzblä sern vorgetragen, die zarte und innige Melodie Solvejgs. Eingefügt sind Teile eines Hallings und eines Springtanzes, die eine Solobratsche spielt und die den bäuerlichen Hochzeitstanz andeu ten. Den Hauptteil des zweiten Aktes bilden die wilden Abenteuer Peers mit den drei Säterinnen (Sennerinnen) und den Märchengestalten der norwegischen Bergwelt, mit der Grüngekleide ten, dem Dovre-Alten, seinen Trollen und dem Krummen. Uberquellend von Vitalität und ganz im Sinne des Dichters „teuflisch" („... doch Sa tanszeug muß darin sein!") hat Grieg die Szene „Peer und die Säterinnen" gestaltet, die er 1 893 als „das beste von meiner ganzen Peer- Gynt-Musik" bezeichnete. Die drei liebestollen Sennerinnen rufen nach ihren Trollen, umringen begierig Peer, der alle drei Trolle ersetzen will, und ziehen unter wildem Gelächter mit ihm da von. In diesem aus wirbelnden Tanzrhythmen, Rufen der Sennerinnen und melodramatischen Einschüben der Worte Peers bestehenden Stück erweist sich in hohem Maße die - außerhalb Skandinaviens relativ wenig bekannte - Fähig keit Griegs zu wirkungsvoller musikdramatischer Gestaltung. Wie sehr es ihm selbst hier auf die dramatische szenische Wirkung ankam, geht aus seinen Kommentaren für die bevorstehende Uraufführung in Kristiania hervor, die er an den Kapellmeister des dortigen Theaters Johan Hen-