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Eigener, Gereifter, der sich sehr schnell eine selbständige Position geschaffen hatte. Der „Tristan" wurde für ihn recht frühzeitig - trotz gutgemeinter Warnungen vor dem „Schwindler von Bayreuth" - zum eigentlichen Brevier, zum heili gen Gefäß. Nicht die Wagner sehen Prinzipien des Gesamtkunst werkes, nicht die Gesetzmäßigkei ten der psychologisierenden Motiv technik interessierten den Sin nenmensch Strauss so vordergrün dig, wie die Klanglichkeit des ro mantischen Wagner-Orchesters. Und als der altersweise und über aus erfolgreiche Komponist 1940 notierte, „das moderne Orchester untermalt nicht nur, erklärt nicht nur, - es gibt den Inhalt selbst, ent hüllt das Urbild, gibt die innerste Wahrheit", so bezieht sich dies auf sein äußerst verinnerlichtes Wag ner-Verständnis. Und doch hatte Strauss mit seiner Tondichtung „Don Juan" (1 889) - fast gleichzei tig mit dem „Guntram" entstanden - in jähem Anlauf das Wagnersche Pathos überwunden. Seitdem ver lief eine schöngeschwungene Kur ve spiralartig von der Einflußsphä re Wagner fort zu neuen kühnen Eroberungen eines naturalistisch übersteigerten Tragödienstils in den ersten wichtigen Opern („Salo me" und „Elektra"). Weiß man aber, ob Strauss so gänzlich zu sei nem späteren gelösten, durchsichti gen Stil gefunden hätte, wäre da nicht sein Dichter Hugo von Hof mannsthal gewesen, der ihn uner müdlich daran erinnerte, die „hei ¬ ter-leichten Mozartschen Elemente für das deutsche Musikdrama" wie derzugewinnen? Strauss streifte den „Wagnerschen Musikpanzer" so ziemlich ab und kam doch auf sein Idol immer wieder zurück, auf ei nen Klang, der verzaubert, auf dessen Ausdruckskraft, auf eine Musiksprache, die mit den Mitteln des Kolorits als sinnlich-geistige Er scheinung leuchtet. Wie es Maler gibt, die bei ihrer Gesamtkomposi tion vom Farbigen ausgehen, so glüht Straussens Musik in tausend fältiger Pracht. Die entwickelte Klangwelt fängt aber bei Strauss so eigentlich erst dort an, wo Wag ner aufhörte, denn wo Wagner ly risch-wattig ist, bewegt sich Strauss mit beweglichem Geist, mit schlan ken, klaren, anmutigen koloristi schen Mitteln. Das Stimmgewebe der Strauss'schen Kompositionen ist ein kunstvoll geknüpftes Netz aus leichtfüßigen Bewegungsmoti ven, welche die zarten Fäden bieg samer Melodien zu höchst mobi lem Klang umsetzen. In Strauss' Musik scheint die Sonne gefangen zu sein, stellte bereits Claude De bussy fest. Berlioz hatte das Einfan gen des Lichtes für die moderne In strumentation entdeckt. Strauss hat es zur Meisterschaft durchgebildet. Und dieses Licht wirkt nur, wenn man noch den Schatten erkennt. Den zeichnete Strauss ebenso, ver gaß ihn nie, setzte harmonisches Raffinement ein, stellte großfor matige Orchesterblöcke neben kammermusikalische Episoden, ließ es krachen, malte mit dickem Biographisches: • geb. 11.6.1864 in München, gest. 8.9.1949 in Garmisch • private Musikaus bildung (u.a. Fr. W. Meyer) •1885 Kapellmeister in Meiningen, später auch in München und Weimar • 1888/89 „Don Juan" • 1889/90 „Tod und Verklärung " • 1895 „Till Eulenspiegel" • 1898 Hofkapell meister an der Lindenoper Berlin • 1905 „Salome" • 1908 GMD in Berlin • 1910/11 „Der Rosenkavalier" •1919 Leitung der Wiener Staatsoper (gemeinsam mit Fr. Schalk) • 1933-35 Präsident der Reichsmusik kammer, danach freischaffend • 1935 „Die schweigsame Frau" • 1942 „Capriccio"