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Es mag interessant sein, daß um jene Zeit auch andere Komponisten, so vor allem Carl Orff, auf Sprachen der Vergangenheit zurück griffen. Strawinsky jedenfalls meinte: „Es war stets meine Meinung, daß es zum Ausdruck der erha benen Dinge eine besondere Sprache geben müsse, die mit der des Alltags nichts gemein habe." haben sollte. Ein das Geschehen mit Kommen taren begleitender Sprecher hingegen liest sei nen Part in der jeweiligen Landessprache, aus dem Französischen übersetzt. Das Lateinische jedoch bot den Vorteil, sich ohne Rücksicht auf eine vorgegebene Sprechpraxis kompositorisch gebärden zu können. Auch ist diese Sprache in ihrem archaischen Lautbestand bestens geeig net für einen antiken Stoff. Innerhalb kurzer Zeit hatte Cocteau das Libretto erstellt, das dann mit Ausnahme der Sprecher-Texte von dem katholischen Geistlichen Jean Danielou ins Lateinische übersetzt und von Strawinsky zwi schen Januar 1926 und März 1927 vertont wurde. Aus zeitlichen und finanziellen Gründen fand die Uraufführung am 30. Mai 1927 in Paris als Geburtstagsgabe zum 20jähri- gen Bestehen von Sergej Diaghilews Ballets Russes nur konzertant statt. Strawinsky diri gierte selbst. Das Werk fand keinen rechten Beifall. Auch die szenischen Aufführungen 1928 in Wien und Berlin, von Otto Klemperer dirigiert, konnten das Werk nicht durchsetzen. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Stück verschiedentlich gespielt und fand eine zunehmende Resonanz. Aber erst nachdem es Jean Cocteau als Regisseur und Sprecher selbst auf die Bühne gebracht hatte, folgten auch im deutschsprachigen Raum zahlreiche Inszenie rungen. Peter Sellars gelang 1994 bei den Salz burger Festspielen die bisher wohl stärkste Inszenierung (gekoppelt mit Strawinskys „Psalmsinfonie“). In einer ganz auf den Chor zentrierten Choreographie stellte er einen be stimmenden religiösen Grundzug heraus. Strawinsky hat seinem Werk - er selbst nannte es „Opem-Oratorium“, um diese aus szenischen und statuarischen Elementen zusammenge setzte Mischform bewußt zu verdeutlichen - drei Ebenen zugeordnet: eine neuzeitlich rationale des Sprechers, eine emotional anteil nehmende beim Auftreten der Personen und