DRESDNER PHILHARMONIE neue Farbigkeit, die seine Musik so sehr aus zeichnet und zum körperlich erspürbaren Erlebnis macht. „Strawinskys Leistung liegt so mit in seiner Erfassung und Vermessung des tonalen Raumes, wobei er diesen durch neuar tige rhythmische und strukturelle Mittel akti viert, bei denen das Prinzip der variierten Wiederholung auf die kleinsten ebenso wie auf die größten Elemente angewandt wird. Seine hohe Erfindungskraft wurde immer wieder vom gleichen Gedanken angetrieben, nämlich den Schrecken des Konflikts in der Welt zu über winden, indem er historische Fragmente über nahm und sie in einem Raum zusammen preßte, den er erforschen und beherrschen konnte ... Strawinsky Witz und Sarkasmus, sei ne rituellen Elemente und sein spielerisches Wesen verfolgten alle nur ein Ziel: die Geschichte zu objektivieren, die Zeit aufzuhe ben und so den Tod zu besiegen“ (Richard Orton). Aber hat Strawinsky deshalb in seiner Musik außermusikalische Inhalte aufgefangen, litera rische Programme vielleicht oder gemalte Bilder? Hat er in Tönen erzählen wollen wie viele seiner Kollegen, Zeitgenossen vor allem? Das nun gerade nicht, meinte Strawinsky, denn „alle Mißverständnisse entstehen dadurch, daß die Leute in der Musik immer etwas anderes als Musik finden wollen. Für sie ist es wichtig zu wissen, was die Musik ,ausdrückt‘, was der Komponist wohl gedacht hat, als er sie nieder schrieb. Sie können nicht begreifen, daß die Musik eine Sache für sich ist und völlig unab hängig von den Gedanken, die sie in ihnen er weckt. Die meisten Leute lieben die Musik, weil sie in ihr Gemütserregungen finden wollen, Freude, Schmerz, Trauer, Begeisterung an der Natur, einen Anlaß zum Träumen oder das Vergessen des prosaischen Lebens. Sie suchen in ihr ein Rauschmittel, ein Stimulans ... Wenn diese Leute doch lernen wollten, die Musik um Kostümentwürfe zur Uraufführung von Strawinskys Ballett „Der Feuervogel" (Paris 1910)