Ton-Musik), wendete italienischen Belcanto ebenso an wie russische Folklore, liebte die Klassik der Haydnschen Sinfonik nicht weniger als das postromantische Superorchester oder mischte die strenge Polyphonie der altnieder ländischen Schule mit surrealistischen Übertrei bungen. Er benutzte diese unterschiedlichen Stilrichtungen als eine eigene Spiegelung in fremder Musik, nahm sie auf, ahmte sie jedoch nie gänzlich nach, tat nur gelegentlich so, als wolle er kopieren. So ist sein umfangreiches, vielfältiges, ja viel schichtiges und stilistisch sehr widersprüchli ches Lebenswerk nicht auf einen Blick erfaßbar oder gar unter einem gemeinsamen Aspekt zu subsumieren. Auch sind seine, mitunter sich widersprechenden ästhetischen Anschauungen nicht immer nachvollziehbar. Und doch können seine einzelnen Schöpfungen - gleichzeitig so wohl historisierende als auch zukunftsweisen de - als einzigartige, formvollendete, in sich geschlossene Meisterwerke angesehen werden, als individuelle Leistungen eines ausgeprägten Individualisten. Ganz ohne Zweifel gehört Igor Strawinsky zu den namhaftesten Komponisten unseres Jahr hunderts. Kaum ein anderer Autor - Arnold Schönberg sicherlich ausgenommen - hat so starken Einfluß auf unsere Zeit genommen wie er. Aber die Wirkung von beiden ist grundver schieden. Der Russe befruchtete ganz unbe wußt zahlreiche Komponisten, die sich von sei nen Klängen, seiner Dissonanzenbehandlung, seinen Formversuchen und seinen Erneue rungen auf dem Gebiet der Instrumentation angezogen fühlten. Der Andere aber, der Wiener „Neutöner“ mußte erst eine regelrechte „Schule“ gründen, um seine Lehre von den „zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“ in die Welt zu tragen. Und auch als Künstler waren sie Antipoden. Strawinsky war ein emotionaler Musiker, dem