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1045 über ob, welches Oberhaupt an die Spitze Deutschlands gestellt wer den soll. Wir find auch darüber einig, daß der Krone von uns der Rath ertheilt werden soll, die von Frankfurt angctragene Oberhaupts würde anzunehmen. Es hat sich hiergegen wenigstens keine Stimme erhoben. Wenn man Bedenken hat wegen der Zustimmung der deut schen Fürsten, so erwäge man, daß die Fürsten Deutschlands abhän gig sind von den Beschlüssen der Vertreter ihrer Völker. Wenn diese eine Abänderung der Verfassung wünschen, so wird die Acnderung auf verfassungsmäßigem Wege geschehen. Einer solchen Aenderung würden auch wir beistimmen. Die Verfassung macht cs aber auch un möglich, daß Preußen sein Polizeielement auch in die Theile Deutsch lands trage, die sich bis jetzt noch davon frei gehalten haben. Der Fürst, der durch diese Verfassung an die Spitze Deutschlands gestellt wird, wird sich um die Sympathien der Völker bewerben, er wird sich von Bündnissen losmachen, die ihn an den Absolutismus ketten. Das Arnim'sche Amendement setzt einen Bund der Regierungen voraus, von Beschlüssen der deutschen Volksvertretung thut es keine Erwäh nung. Es legt ein besonderes Gewicht darauf, daß Garantien gewährt werden mögen für jedes Recht. Darunter kann auch der Schutz des Particulariömus gemeint sein. Deutschland hat ein Recht, einig, groß und kräftig zu sein, und dieses Recht hat den Vorzug vor dem Rechte der Einzelstaaten, sich geltend zu machen. Man beschwört die Manen von Stein, Hardenberg und Scharnhorst herauf, aber hätte man der Stimme dieser Männer gefolgt, so würden wir heute nicht erst dar über zu discutiren haben, ob Deutschland einig, ob der König von Preußen an der Spitze stehen soll. Das Amendement des Abg. v. Vincke läßt Zweifel darüber, ob man mit der Krone auch die Verfassung anzu nehmen gedenke. Dies Amendement läßt Das unklar und unbestimmt, was das andere Amendement klar und bestimmt ausspricht. Der Ent wurf der Commission wahrt allerdings das Princip, aber sie spricht nur die Thatsache aus, daß die Beschlüsse in Frankfurt gefaßt sind. Diese Thatsache wollen Sie (zur Rechten) nicht anerkennen, nun dann dürfen Sie die Deputation nicht empfangen, dann dürfen Sie über die Beschlüsse nicht berathcn, denn darüber berathcn heißt die That sache anerkennen. Machen wir uns klar, was geschieht, wenn eine Ablehnung erfolgt: eine Octroyirung, nicht durch einen einzelnen Für sten, sondern durch einen Fürstcnrath, oder eine Zersplitterung Deutsch lands. Davor möchte ich Deutschland bewahrt wissen. Abg. v. Berg: Bei der allgemeinen Discussion gehe man so sehr ins Detail der Adresse, daß er als Berichterstatter wünschen müsse, diese allge meine Discussion mit der speciellen sogleich zu verbinden. Abg. Schmidt hält die Adresse für ganz nutzlos. Wenn der König die Größe und Wichtigkeit der Frage erkenne, so werde er durch freien, selbständigen Entschluß sich für das Eine oder Andere entscheiden. Wenn wir, wie alle Entwürfe, mit Zuversicht auf die Weisheit des Königs blicken, so überlassen wir auch dieser Weisheit die Entschließung. Kaum ist eine Adresse überreicht, so machen wir schon eine neue, und es wird eine dritte folgen. Denken wir doch endlich an die Aufgabe, zu welcher das Volk uns hierher geschickt hat. Abg. Parrisius sieht den Werth der Adresse hauptsächlich in der Erklärung der Kammer, daß die deut sche Verfassung durch die Nationalversammlung endgültig festgestellt sei und Niemand daran zu mäkeln habe. Für eine Erzwingung des Bei tritts durch Waffengewalt sei er nicht. Wenn, von einem unglücklichen Einflüsse geleitet, der König die ihm angebotenc Kaiserkrone zurück- weisen sollte, dann sehe er darin .das größte Unheil für Deutschland, einen Sieg der Reaction, dem eine Erhebung der Volksstämme folgen werde. Er empfiehlt deshalb sein Amendement. Gegen Abg. Graf Arnim bemerkt der Redner: Nicht die Erhebung des preußischen Volks habe es verschuldet, daß nicht schon im März vorigen Jahres Preußen an die Spitze Deutschlands gestellt ist, die Regierung Preußens, die gegen das Volk mit Bayonneten und Kartätschen aufgetreten sei, habe Preußen damals die Sympathien von Deutschland entzogen. Abg. v. Vincke: Es handelt sich hauptsächlich darum, die Beden ken zu zerstreuen, die sich zunächst auf die Zustimmung der Regierun gen beziehen. Die frankfurter Nationalversammlung ist der berechtigte Vertreter des deutschen Volkes. Wo cs sich um Feststellung der Ver fassung handelt, hat sie ein bedeutendes, das bedeutendste Gewicht in die Wagschalc zu legen. Aber ihre Bcfugniß hat Beschränkungen. Die Bundesacte ist noch nicht aufgehoben, jeder einzelne Staat ist noch ein selbständiger Körper für sich, und stützt man sich auf die Volks- souverainetät, so hat das souveraine Volk eines jeden einzelnen Staats sich jedenfalls besonders zu entscheiden. Wir wollen keinen Volksstamm unterjochen und mit keinem in den Bund treten, der nicht mit freier Zustimmung sich uns anschließt. Mit Ausnahme des Kaiserstaats, der einmal durch seine Zusammensetzung gezwungen ist, andern Bahnen zu folgen, werden auch alle deutschen Volksstämme und Regierungen den Beschluß der deutschen Nationalversammlung freudig annehmcn. Was die Verfassung betrifft, so ist cs nothwendig, jetzt jede Kritik, jeden Beifall oder Tadel zu unterlassen. Die Arnim'sche Adresse leidet zu nächst daran, daß sie auf Schrauben gestellt ist, daß sie Bedenken her ¬ vorruft, während der Zweck der Adresse der ist, Bedenken zu zerstreuen. Die Adresse der Commission ist zu trocken und entbehrt der Begeiste rung, die man in diesem Augenblick auch in der Adresse zu erkennen geben muß. Eine Bezugnahme auf die Verfassung will der Redner ausdrücklich ausgeschlossen wissen. Er will eine Annahme, bloö be dingt durch die Voraussetzung der Zustimmung der deutschen Regierun gen. Die Verfassung will er eben so angenommen wissen wie die Ver fassung vom 5. Dec. Einer Revision bedürfen beide, aber der Weg, den man bei der Revision einzuschlagen hat, soll von keiner Seite vor- gezekchnet werden. Der Schluß der Debatte wird hierauf beantragt und genehmigt, und cs spricht noch der Berichterstatter Abg. v. Berg: Welcher Ent wurf auch angenommen werden möge, es wird festgcstcllt sein, daß die Kammer dem Könige den Rath ertheilt hat, das Banner Deutschlands zu ergreifen und es hoch empor zu heben. Die Kompetenz der deut« schen Nationalversammlung ist hier völlig gleichgültig. Die deutsche Nationalversammlung hatte die Aufgabe, eine Verfassung definitiv fest zusteüen; die Macht, die Verfassung aufrecht zu halten, kann ihr nur von den Particularstaatcn werden. Aber ihre Souverainetät erhält sie nicht von diesen, sie ist nicht die Vertretung der einzelnen Staaten, son dern des gesummten deutschen Volkes. Die Revision der Verfassung ist nicht die Aufgabcder Fürsten; revidiren kannnur Derjenige, der zu Rathe gezogen wird, das Volk zieht aber die Fürsten nicht zu Rathe. Das Ge wicht, das auf die Verständigung mit den einzelnen Fürsten gelegt wird, ruft den Particularismus erst hervor, und wer sich auf den Bun destag beruft, der könnte sich mit eben so gutem Rechte darauf beru fen, daß nur die sieben Kurfürsten in den rothen Röcken über die Uebcr- tragung der Kaiscrwürde beschließen dürfen. Die Adresse der Com mission ist trocken genannt worden, die Commission hat geglaubt, eine ernste Adresse entwerfen zu müssen, und in einem Augenblicke, wo an unsere Thatkraft appellirt wird, da können wir nicht mit Gefühlen antworten. Das Entwerfen von Adressen ist allerdings nicht unsere Aufgabe, aber es ist unsere Aufgabe, die Regierung zu nöthigen, daß sic den Weg gehenden das Volk cingeschlagcn wissen will, upd ihr zu erklären, daß ihr bei jedem großen, die Freiheit gewährleistenden Schritte ein opferwilliges Volk zur Seite stehen wird. Das Frühjahr des vo rigen Jahres schloß eine Periode von 33 Jahren, innerhalb welcher Preußen mit einem andern Staate im Bunde genöthigt war, das Stre ben des deutschen Volks nach Freiheit und Einheit niederzuhalten. Damals war es nicht möglich, daß Preußen an die Spitze Deutsch lands trat. Wenn man auf die Ansichten und Absichten der Regie rung hingewicsen hat, so ist es unsere Pflicht, auf die Ansichten und Absichten des Volks aufmerksam zu machen. Der Redner geht zur Rechtfertigung des Commissionöcntwurfs gegen die Amendements über. Wenn der König das „erste Oberhaupt" genannt werde, so sei damit nur die Priorität in der Zeit gemeint. Abg. v. Vincke behauptet, von dem Berichterstatter mehrmals misverstanden zu sein, und widerlegt einige dieser Mißverständnisse. Bei der hierauf vorgenommcnen Ab stimmung entfernt sich ein Theil der Linken. Für den Antrag des Gra fen v. Arnim erhoben sich kaum 15 Mitglieder, unter ihnen die Mi nister v. d. Heydt und v. Manteuffel. Neber das Amendement des Abg. Vincke findet Namensaufruf statt. Der Abstimmung enthalten sich die polnischen Mitglieder, sowie die Mitglieder der katholischen Partei, auch Abg.v. Sauckcn-Julienfclde. Das Resultat ist: 156 für, 151 gegen das Amendement. Gefehlt haben 13, und 23 sich der Ab stimmung enthalten. Das Amendement ist mithin angenommen. Die Abstimmungen über daß Amendement des Abg. Parisius und den Entwurf der Commission fallen somit weg. Der Präsident schlägt vor, den Vinckc'schcn Entwurf unverändert abzuscnden. Es wird nicht widersprochen. Vicepr. Lensing übernimmt hierauf den Vorsitz, und die Versamm lung schreitet zur Pr äsi d entcnwahl. Abg. Grabow erhält die absolute Majorität mit 171, Abg. v. Unruh 157 Stimmen, Abg. Grabow ist mithin abermals Präsident. Erster Vicepräfident wird Abg. v. Auerswald mit 167, Abg. Waldeck erhält 139 Stimmen. Zum zweiten Viceprä sidenten wurde Abg. Lensing gewählt. — Die Mitglieder des Magistrats begeben sich Nachmittags 5 Uhr nach dem Anhaltischen Bahnhof, um daselbst die frankfur ter Deputation zu empfangen. Die Stadträthe werden in ihrer Amtstracht sein; zwei Stadträthe sind der Deputation bereits bis Magdeburg entgcgengefahrcn; die Locomotivc, welche die Herren bc- 'örderte, war mit einer deutschen Fahne geschmückt. Vier Hotels lntcr den Linden sind zur Aufnahme der Deputation bestimmt. Uc- >er die Entscheidung des Königs selbst ist noch nichts Bestimmtes zu erfahren. Man erwartet von vielen Seiten und wie es scheint mit Grund, daß der König die Kaiserwürde nicht ausschlagcn, viel mehr die ihm von dem Parlament zuertheilte Oberhauptswürde über diejenigen Staaten, deren Regierungen sich mit jenem Beschluß einverstanden erklärt haben oder resp. noch erklären werden, schon jetzt annehmen werde. — Gestern Abend wurden sowol von Sei-