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1 t27. Fortsetzung.) „Nein, nein!" wehrte Gisela ab. „Mit Wechsel geschichten können wir Mädels uns nicht einlassen. Wovon man nichts versteht, da soll man die Finger davonlassen. Bitte, bemühen Sie sich nicht Wetter, meine Herren. Es hat keinen Zweck." Gerlinde stand wie versteinert, während die drei be troffen und innerlich fluchend abzogen. Draußen waren sie mit einem Male alte Bekannte: der ältliche Herr und die beiden Komplicen. „Mensch, Aujuft, da hätten wir eine knorke Sache drehn könn'n, wenn die blonde Kuh da nicht ins Jeschäft jemasselt hätte. Die Kleene war schon halb 'rum — aber die andere... Oh, immer sag' ich, diese langhaarige Jcsellschaft hat's in sich." Die Schwestern warteten nun zusammen, während Gisela erst einmal ganz genau den Wagen in Augenschein nahm. „Oh, Linde, wenn ich meine kleine Babybox hier hätte, dann müßtest du mich erst mal knipsen. Fabelhaft: Gisela Steinbrück in ihrem rassigen Sportwagen. Das wär' Sache! Aber warte mal, ich habe gesagt, in einer Stunde ist er verkauft!" Gisela nickte der verdutzten Schwester zu. „Mach keine Dummheiten! Wenn einer kommt, warten lassen! Bin gleich da." Damit stürmte Gisela auch schon davon. Im nächsten Lokal hängte sic sich ans Telephon: „Hier Gisela. Rolf, du selbst?" „Aber Kind, es ist doch noch so früh am Morgen. Was hast du denn für Wünsche?" „Früh? Mein Lieber, es ist elf Uhr vorbei. Bitte, be queme dich mal schnellstens aus dem Bett. Eine tod- wichtige Sache. Du kannst spottbillig einen Wagen kaufen. Herrlich, da ist dein Roadster ein alter Kasten dagegen. Komm, sich selbst! Ein ganz bildschöner, rassiger Sport zweisitzer. Funkelnagelneu. Rot mit beigefarbenen Speichenrädcrn..." „AVer Ltevltng, das rann tcy ja noch gar mch: alles verdauen. Mal langsam. Also ich >oll einen Wage.- laufen, und zwar sofort?" fragte Doktor von Sachs zurück. „Ja, Rolf! Rede doch nicht so lange! Ich hänge jetzt an. Ich erwarte dich in spätestens einer Stunde..." Gisela nannte ihrem Freund Doktor von Sachs hastig die Adresse und hängte mit einem flüchtigen „Guten Morgen" ab. „Ein Bekannter aus der Verdi Diele wird ihn kaufen", sagte sie, als sic wicd»r bei Gerlinde war. Die kleine Gerlinde kam aus dem Staunen nicht heraus. Was wa^ diese Gisela doch nur für ein Teufels mädchen! Das war ja nicht zu glauben, wie die die Ding'« anfaßte. Wie sie vorhin die drei Männer ab- geschoben hatte! Mit heimlicher Wehmut gestand sich Ger linde Steinbrück ik diesem Augenblick, daß sie selber wohl immer im Leben den kürzeren ziehen würde. So etwas konnte sie einfach nicht. Nicht mehr lange saßen die Schwestern scherzend bei einander, als draußen das Geräusch eines Wagens hör bar wurde. > „Er kommt!" jubelte Gisela, wentHer aus Freude über das Erscheinen des Freundes, als aus-Triumph darüber, daß er sich so widerspruchslos ihrem Willen gefügt und blitzschnell hierher gekommen war. Die Schwestern traten aus der Garage auf den Hof hinaus. Gerlinde sah, wie ein elegant gekleideter Herr seinem Wagen entstieg. Schon etwas ältlich, sand Ger linde und sank bald in die Erde, als sie hörte, daß Gisela sich mit dem Fremden duzte. „Meine kleine Schwester Gerlinde — Doktor von Sachs", stellte Gisela vor, dann wandte sie sich dem Innern der Garage zu. „Sieh mal, Rolf, ist der Wagen nicht bildhübsch? Du mußt ihn mir kaufen. Meine Schwester hat ihn gewonnen. Glück — was? Aber ich finde, er muß doch dann auch in der Familie bleiben." Doktor von Sachs lächelte, während seine Augen über Gerlinde hinglitten und er mit außerordentlicher Schnellig keit feststellte, daß ihre Schönheit fast noch berückender war als die Giselas. Das heißt, eigentlich waren sich die beiden wie aus den Augen geschnitten, und doch so verschieden. Aber so wie die Jüngere, genau so sah Gisela aus, wenn sie ihre Nummer „Traum" tanzte. „Aber, Rolf, ich glaube, du träumst noch? Ja, willst du mir nicht die Freude machen? Du hast mich so «ft ge fragt. Jetzt ist es so weit. Es ist mein Wunsch, diesen Wagen zu besitzen!" sagte Gisela, und Gerlinde zitterte. Oh, bis tief ins Herz hinein zitterte Gerlinde. Jetzt hatte Gisela wieder jenen eigentümlich begehrenden Blick, den sie schon einmal gehabt hatte, der alles in sich hinein zuraffen schien. Begehrlichkeit. Gerlinde mußte sich abwenden, um sich nicht zu ver raten. Doktor von Sachs lächelte. „Gut, Mausi! Wenn ich dir eine Freude machen kann! — WaS kostet der Wagen? Zweieinhalbtausend kosten diese Wagen neu, wie ich schätze. Zwar... ich hätte augenblick lich keinen Wagen gekauft. Bin momentan nicht sonderlich bei Kasse. Was soll der Preis sein, gnädiges Fräulein?" wandte er sich an. Gerlinde. „Bitte, schlagen Sie vor", stammelte diese. „Nun, sagen.wir — fünfzehnhundert. Tausend sofort — fünfhundert vier'Wochen später. Anders kann ich im Augenblick nicht." Gerlinde wagte nicht mehr hin und her zu sehen. Sie hauchte nur leise: „Wenn Ihnen das nicht zuviel ist. Ich bin mit allem einverstanden." „Ach, Rolf, du bist genau so ein — Ganeff wie alle anderen", schalt Gisela, aber cs war ihr nicht sehr ernst damit. Sie war froh, ihr Ziel erreicht ju haben. Der Wagen gehörte nun ihr. Die Kleine konnte froh sein, noch soviel herausgeschlagen zu haben. „Ja, gnädiges Fräulein, ich will Sie nicht zwingen. Wenn Sie doch einen anderen Käufer finden sollten. Nur jetzt... Zu Weihnachten kaufen die Leute doch Schlitten und Schneeschuhe — aber kein Auto. Habt euch eine sehr schlechte Zeit ausgesucht, Kinderchen." „O nein! Es ist ja alles gut. Herzlichen Dank, Herr Ddttor!" Doktor von Sachs unterschrieb den Scheck und reichte ihn Gerlinde, die ihn sorgfältig in ihrem Täschchen ver wahrte. Dann verstaute er die beiden Mädchen in seinem Auto und fuhr sie nach Hause. „Du duzt dich... Ja, willst du ihn denn heiraten? Ich dächte, er wäre viel zu alt für dich?" fragte Gerlinde zögernd die Schwester. Sie konnte das alles nicht be greifen. „Heiraten? Ach, du Dummchen! Wer denkt denn an Heiraten?! Aber der hat klotzige Beziehungen. Und — zu alt? Was geht das mich an? Ich liebe ihn ja nicht. Er ist mir nur — Mittel zum Zweck, oder Sprungbrett. Wie du willst!" Gerlinde schüttelte mit dem Kopfe. „Gisela, was tust du? Ich verstehe das alles nicht Er kann dir doch kein Auto schenken, wenn du nicht seine Braut bist?" „Nun halt an, Küken! Ein gewisser Gersheim hat dir doch auch einen Fehmantel geschenkt im Werte von acht- zehnhundert Mark. Warst du denn seine Braut?" Da ging es wie ein Messerstich durch Gerlindes Herz. Günter von Gersheim, der ihr so weh getan hatte mit seinen Worten. Zum ersten Male kamen ihr ernste Zweifel. Wenn sic sich doch getäuscht hätte. Er hatte ja nichts weiter gesagt. Nur sie in ihrer Ueberempfindlichkcit hatte seine Worte so schroff zurückgewiesen. „...Ich meine es treu mit Ihnen und gut!" klang es ihr wieder in den Ohren, und sie fühlte, wie ihr Herz Hämmerle unv hämmerte. Sehnsucht und Liebe... Mit einem Male fiel cs Gerlinde wie Schuppen von den Augen — sie wußte, daß sic Günter von Gersheim nicht vergessen würde, nicht vergessen konnte, weil sie ihn liebte.