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Aus dem Tagebuch eines BombenMegers Bon Georg Wulf (4. Fortsetzung.) Unser Heeresbericht sagt auch daß was sache mal bei den Neutralen durchsickert. Die Haupt Ausnahme: Scherls Bilderdienst. Line Auswahl des Bombensegens: Bomben zu 25. 50, 100 und Z00 Kilogramm. den finsteren Nächten schon einige tausend Kilogramm Bom ben hinübergeschleppt und hat sicher aus was angerichtet. Wenn sie uns also entdecken, können wir uns auf einen netten Bombensegen gefaßt machen; na. dann ziehen wir eben einfach um! Wir haben aber auch oorgesorgt. Bei Tage kommen sie hier nicht ganz her. und bei Nacht machen wir nur in dem Augenblick Licht, wo ein Flugzeug landet. Fliegende Würste Als ich also noch nicht lange unterwegs war, sah ich schon die Signale. Meine Maschine stieg trotz der Last präch tig. Wir hatten aber starken Gegenwind und kamen nur langsam voran. Die Front war leicht zu erkennen an dem Geschützfeuer, das in dem Augenblick allerdings gering war. Es ging dann über die berühmte Somme hinweg, die first wie eine schwarze Schlange tief unten krümmte. Plötzlich ist. daß der Zweck er reicht wurde. Am selben 8; Juni 1916: Der erste Film ist heute abgelausen. Vor läufig ist's auch der letzte. Was ich heute erlebt habe, werde ich nie vergessen. Wir hatten als Ziel photographische Auf klärung weit hinter der Front. Nachdem wir uns auf 3800 Meter geschraubt hatten, flogen wir bei Ostende aufs Meer hinaus. Ein prachtvolles Bild bot sich uns: das Meer selbst und die darauf manövrierenden Kriegsschiffe! Wir hatten mit sturmartigem Wind zu kämpfen und kamen nur lang sam voran. Endlich waren wir nicht mehr weit von Dün kirchen. Unter uns sahen wir wieder Kriegsschiffe (Panzer kreuzer), aber französische oder englische. Wir sind kanwiunMig! Wir flogen nun ins Land hinein unserem eigentlichen Ziele zu, das wir auch erreichten, und wir lösten unsere Aufgabe. Wir waren schon ein Stück zurück, als ich plötzlich eine feindliche Maschine unter mir sah. Der Gegner hielt sich immer genau unter uns, und wir kämen kaum zum Schuß, mährend er dauernd zu uns herausschoß. Ich sah ihn überhaupt" nicht und versuchte, durch Kurven und schnelle Richtungsänderung aus der gefährlichen Lage zu kommen. Ob ich nun zu sehr auf den Gegner geachtet habe, ob die Windverhältnisse schuld haben, weiß ich nicht; genug, es ereignete sich zum erstenmal im Laufe meiner Militärflie gerei, daß ich regelrecht abgerutscht bin. (Der LVG.-Maschi- nentyp neigt sehr dazu.) Die Maschine rutschte also über einen Flügel, stellte sich Kops und begann, sich rasend zu drehen. Die normale Steuerbewrgung machte die Sache nur schlimmer. Ich stellte den Motor ab, fühlt? mit den Steuern und fand, daß die Maschine auf d>e verrückteste Bewegung reagierte, nämlich auf die, die das Flugzeug im Normalflug gekippt hätte. So gelang es mir. die Maschine zu fangen. 400 Meter waren wir gestürzt, aber kaum hatten wir uns erholt, da kam plötz lich ein kleiner Kampfdoppeldecker und griff uns von unten an. Wir hatten ihn nicht bemerkt; so kamen wir kaum zum Schuß. Plötzlich gab mir mein Beobachter ein verabredetes Zeichen, das so viel heißt wie kampfunfähig (Lade hemmung uiw.). Nun mußte ich machen, daß ich heimkam. Mit«einem großen Luftsprung entzog ich mich dem Feuer des Gegners und war glücklich hinter unseren Linien. Als ich dann einen Augenblick nach meinem kleinen Hamburger sah. war er völlig in sich zulammengesunken. Im ersten Augenblick dächte ich, er lei tot, aber aus Anruf sagte er mir. er sei verletzt. Als ich landete, war er bei Besinnung, er hatte einen starken Streifschuß über der rechten Schläfe. Im Lazarett verbunden, ist er aber ganz selbständig nach Hause gegangen. — Nun wird er wohl auf Urlaub fahren und das Eiserne Kreuz erster Klasse, das er sowieso haben sollte, be kommen. und ich habe für längere Zeit meinen besten Ka meraden nicht. Das ist das Ende des Films, aber die Bil der sind gut. und der Zweck ist erreicht. Bomben in ein RunitionSlager 24. Juli 1916: In der Nacht vom 20. zum 21. malyten wir Nachtflug. Der Flug war darum schon*interesfant, weil man sich ziemlich orientieren mußte. Unterwegs suchten uns viele Scheinwerfer, aber unbeirrt flogen wir unserem Ziele zu: einem großen Depot mit Munitionsfabrik der Engländer für die große Offensive bei Audruicq. Es soll alles (3 Uhr Tage habe ich noch einen photographischen Flug ge macht, der auch ein gutes Resultat zeitigte (Nach Angabe des Mitglieds des britischen Parlaments, King, handelte es sich hier um die größte Explosion, von der man bis dahin je gehört hatte. Der Verlust an Munition wurde von ihm aus 25 Millionen Dollar geschätzt.) 8. August 1916: Wir flogen am Sonntagnachmittag los, um am Aserkanal zu photographieren, und zwar woll ten wir diesseits bleiben, also eine gar nicht so gefährliche Sache. Ich hatte meinen kleinen Hamburger Leutnant Mülleran Bord, und das Photographieren ging schnell. Als wir etwa noch zwei Aufnahmen zu machen hatten, kam ein kleiner Doppeldecker jenseits des Kanals herangeslogSn. Da er aber noch weit und höher war als wir, habe ich ihn gar nicht beachtet, sondern nahm nach der letzten Aufnahme einfach Richtung „Heimat". Die feindlichen Flieger müssen dann aus großer Entfernung geschossen haben, jedenfalls waren sie weit weg, als ich mich nach dem Schuß umsah. Eine saftige Autoteile Ich saß also ganz ahnungslos da und wollte gerade züm Gleitflug abstellen, als ich plötzlich eine etwas riesen hafte Backpfeife erhielt. Ich hatte gar nicht das Empfinden efnes Schusses, sondern dachte eher an ein Sprengstück oder an eine Explosion in der Maschine. Der Unterkiefer stand mir ganz schief. Ich konnte ihn nicht bewegen und kam mir ganz sonderbar vor. Als ich aber einen Blick in den Spiegel warf, sah ich, daß ich ganz voll Blut war, und im selben Moment kam wir auch etwas Blut in die Luftröhre, so daß ich Blut spucken mußte. Mein Beobachter war sehr besorgt, daß wir stürzen würden, und redete mir dauernd Mut zu. Ich behielt aber die Besinnung und habe die Maschine aus der großen Höhe aut bis zum Platz gebracht und gelandet. Ein Auto steht immer bereit. Ich sprang schnell hinein und war nach einer Minute im Lazarett. Hier werde ich nun sehr liebevoll be handelt — ein Flieger ist ja auch nichts Alltägliches. Ich sitze augenblicklich im Garten, schreibe und lasse mich von der Sonne bescheinen. Die Wunden sind zu, feste Nahrung kann ich natürlich noch nicht nehmen; außerdem habe ich ein Gesicht wie ein Bratapfel so dick! (Schuß durch beide Backen ohne Verletzung von Kiefer oder Zähnen.) 12. Oktober 1916: In der Nacht vom 10. zum 11. gegen 2 Uhr habe ich meinen ersten Nachtflug an der Somme ge- macht. Es war Vollmond und verhältnismäßig klar, aber windig. Am Abend hatte ich meine Maschine noch mal ge flogen und dann mit 170 Kilogramm Bomben fertigmachen lassen. Um 12.30 Uhr nachts wurden wir geweckt, und bald darauf rollte ich auch schon an den Start. Schnell noch alles einmal geprüft, und dann mit „Vollgas" nach langer Zeit zum erstenmal wieder gegen den Feind! Die Orientierung ist sehr leicht. Quer durch das Gebiet der Sommeschlacht zieht?sich eine alte Römerstraße, die schnurgerade verläuft. Durch ihre Geradheit ist sie auf fällig und daher unser ständiges Merkmal. An dieser Straße haben wir uns außerdem noch ein paar Signale aufgestellt, so daß wir immer helmfinden. Diese Signale haben die feindlichen Flieger, die unseren Landeplatz veraevlich such ten, zu unserem Gaudium lebhaft bombardiert. Anscheinend dachten sie, es gäbe da Wohl was zu treffen. Die schönste Munitlonsverschwendungl Unser« Abteilung hat sogar m nachts) hell erleuchtet gewesen sein; als ich als letzte Ma schine eintraf, war alles finster, nur Scheinwerfer und eine Abwehrbatterie tobten. Je mehr Bomben kamen, desto ner vöser wurden sie. Als wir etwa zehn Minuten weg waren, fing es in den Anlagen an zu brennen, und nach geraumer Zeit war ein Riesenbrand ausgebrochen, den wir noch sahen, als wir (80 Kilometer davon) niedrig über unserem Platze schwebten: Ab und zu schoß eine riesige Stichflamme empor, was auf explodierende. Stoffe schließen läßt. Am anderen Tage haben andere Flieger noch riesige Rauchwolken aus steigen sehen. Mein Beobachter hatte also mit glücklicher Hand die zündende Brand bombe geworfen. Der Rückflug dauerte endlos lange, weil wir star ken Gegenwind hatten. Plötz lich bemerkten wir nördlich Lichter und stellten fest, daß ein feindlicher Flugplatz Nachtbetrieb machte. Da wir noch eine Bombe hatten, haben wir auch ihn bedacht. Die Signalfeuer gingen ob des unerwarteten Besuches ziemlich plötzlich aus. — Als wir daheim ankamen, herrschte große Aufregung. Man vermißte uns schon, und außerdem war starker Boden nebel aufgetreten, dem zum Trotz ich die Maschine aber glatt landete. Aufnahme: Scherl» Bilderdienst. Bombenabwurf au» einem devtfchea Flugzeug, von einem anderen deutschen Flugzeug photographiert. tauchte vor mir ein Licht aus, dann zwei, drei, vier usw. vis zwanzig Stück, alle in einer Reihe wie ein Strich wilder Enten. Wir nennen das die „fliegende Wurst". Das sind Brandgeschosse aus einer Revoloertanone. Sie sehen sehr hübsch aus, sind aber unangenehm, besonders, weil es deutsche sind. Wir gaben Signal, und die Schießerei hörte auf. Nun ging es ins feindliche Gebiet. Scheinwerfer waren bei der Arbeit, und als wir unserem Ziele näher kamen, tauchten plötzlich ringsherum, wie Glühwürmchen herumirrend, lau ter leuchtende Punkte auf. Es waren Abwehrbrandgeschosse, die in großen Mengen da herumflitzten. Sie kümmerten uns aber wenig, und wir gingen herunter bis schließlich auf 60V Meter und warfen in aller Ruhe unsere Bomben ab. Mein Beobachter behauptet, von fünfzehn Bomben zehn Treffer gehabt zu haben. Das wäre ein gutes Resultat! — Wir machten dann kehrt, und nun ging es mit dem Winde in unheimlichem Tempo nach Hause, und nach insgesamt eineinhalb Stunden Flug waren wir glücklich wieder auf der Erde. Ein feindliches Flugzeug sahen wir auch gespen- sterhaft im Mondlicht herumschleichen; es suchte uns an scheinend. Wir drehten einfach ab und flogen ungesehen weiter. 22. März 1917: Zufällig war unser Oberleutnant (mein Beobachter) draußen gewesen und hatte gesehen, daß es wunderbar sternenklar "ivar. Wir beschlossen, sofort zu flie gen; mit der einen Maschine, die zur Zeit noch für Nacht flug intakt war, flogen wir eine Stunde später los. Es wär eine richtige ^rabenschwarze", mondlose Nacht, nur die Sterne säh man und vom Boden die Lichter. An der Aisne tobte wütender Artilleriekamps. Schaurigschön sahen die Abschüsse und Einschläge aus. An vielen Stellen brannte es, und taghell erleuchteten die Signalraketen das Sturm gelände. Es war einem ordentlich gut zumute, daß man denen da unten helfen konnte trotz der finsteren Nacht, in der man kaum wußte, was oben oder unten war. Meine Maschine hat brav ausgehalten: der Motor sang recht schon gleichmäßig. Drüben hatte man nicht mit Flie- gerangriff gerechnet. Alle Lager waren hell erleuchtet. Das erste beste griffen wir an; die Bomben raus und kehrtk Kaum hatte ich gedreht, als meine Maschine taghell etwa fünf bis sechs Sekunden beleuchtet wurde. Wir halten Glück gehabt. Ein Munitionslager weniger! Eine Explosion folgte nun der anderen; Stapel auf Stapel ging in die Lust. Al» "Ich das sah, dachte ich: Wenn du nun bei der Landung Bruch machst, so schadet das nichts, das ist der Erfolg wohl wertt Das Bewußtsein, gerade da dem Feinde schwer zu schaden, wo er jede Granate für seine Offensive nötig hat, ist wirk lich schön. Es werden schon einige Munitionszüge nötig sein, um das Loch, das wir gerissen haben, wieder zu füllen» Die Landung verlief trog der ungünstigen Verhältnisse gut. Um 2.30 Uhr kam ich ins Bett. 27. März 1917: Diese Nacht wird es wohl wieder einen kleinen Film geben. Es ist klar, und sogar der Mond zeigt sich wieder. Das Munitionsläger ist doch größer gewesen, als wir erst glaubten. Artillenebeobachtungsstellen an der Front haben gemeldet, daß sie noch nach zweieinhalb Stun den Explosionen wahraenommen haben. Der Erfolg wird natürlich, da er bestätigt ist, in meinen Personalpapieren „gebucht". Hoffentlich habe ich noch mehr solch Glück! (Fortsetzung folgt.) Beilage zur Mrtßeritz-Zettung Sonnabend, 4. Mal, Nr. 103 zwar nichts über den Flug, und die Engländer sagen nichts, aber ich hoffe.