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Beilage zur Weitzeritz-Heilung Nr. 290 Sonnabend, am 14 Dezember 1929 95. Jahrgang Vertagung des Landtag». Bis zum 14. Januar. Der Sächsische Landtag hat sich am Don nerstag in später Nachtstunde auf den 14. Januar ver- tagt. Den letzten Beratungsgegenstand im alten Jahre bildeten mehrere Anträge der Regierungsparteien über Maßnahmen zur Hebung des Arbeits marktes im Interesse des sächsischen Wirtschafts lebens. Der Antrag fordert u. a. Einwirkung auf die Zoll- und Handelsvcrtragspolittk -es Reiches, Fortführung und Erweiterung der bestehenden Kreditaktionen zu gunsten einzelner Industrie- und Gewerbebetriebe, steuerliche Erleichterungen, Einstellung der starken Abziehüng der Geldeingänge in den von der Zentrale abgelegenen Neichsteilen, Erhöhung des der Leipziger Messe zufließenden Staatsbeitrages, Vergebung von Aufträgen -er öffentlichen Han- an notlei-ende Be zirke, Ausnahmetarife zur Belebung des Exports usw. Nach längerer Debatte wurden sämtliche Anträge der Regierungsparteien zum Teil einstimmig, zum Teil gegen die Sozialdemokraten und die Kommu nisten angenommen. Die übrigen Beratungspunkte — Anträge über -en 5-Uhr-Ladcnschluß am 24. Dezember, das Zünd- § Holzmonopol und den Termin -es Volksentscheids — j wurden von der Tagesordnung abgesetzt. Vize- I Präsident Dr. Eckardt wünschte den Abgeordneten ein s frohes Weihnachtsfest und ein gesegnetes Neues Jahr. Einbruch iu eine Stationskasse. 10000 Reichsmark Lohngelder geraubt. > In der Nacht znm Freitag statteten Diebe der Stationskasse in Wülknitz bei Riesa eine« Besuch ab. Die Räuber, die -eu Geldschrank mit Dynamit sprengte«, habe« 10 ÜM Reichsmark Lohugelder erbeutet. Der Einbruch war in der stürmi schen Nacht nicht bemerkt worden. Bon deu Tätern fehlt jede Spur. zozvoo Reichsmark unterschlagen. Die Schwimmer fordern -eu sofortigen Rücktritt -es gesamte« Kreisvorstaudes «ud des Heim» ausschusses. Zu den Unterschlagungen im Kreise vn (Sachsen) des Deutschen Schwimmverbandes teilt der Vorsitzende des Deutschen Schwimmverbandes, Dr. Gerson in Frankfurt a. M., mit, daß Dr. Bunner für das Ver bandsheim über 600 000 Reichsmark aufgebracht hat, von denen 275 000 Reichsmark im Kreisheim verbaut und 22 000 Reichsmark an Bäderbaudarlehen den Ver einen des Kreises gegeben worden sind. Die Rest- snnnne, also 303 000 Reichsmark, hat Dr. Bunner unterschlagen. Das neugebaute Kreisheim wird den sächsischen Schwimmern vielleicht doch erhalten bleiben, jedenfalls sind Sanierungsmaßnahmen bereits im Ganae. Kandwerk und Vergebung-Wesen. Ein Antrag im Landtag. Die Deutsche Volkspartei hat im Sächsischen Land tag einen Antrag eingebracht, in dem darauf hingewie. sen wird, -aß nach wie vor im Handwerk über das Vcrgebungswesen und dessen Handhabung durch die behördlichen Auftraggeber starke Klage geführt wird. Zweifellos würde manche Klage behoben werden kön nen, wenn die auftraggebenden Stellen mehr im Geist und Sinn der Verdingungsordnung verfahren und das Vergebungswesen nicht vom rein fiskalischen, sondern vom wichtigeren volkswirtschaftlichen Stand punkte aus handhaben. Die Deutsche Volkspartei be- antragt daher: der Landtag wolle beschließen, die Re- gicrung zu ersuchen, 1. den unterstellten Behörden und Gemeinden auf- zugeben, das ortsansässige Handwerk, ins- besondere soweit deren Vertreter -en Meistertitel führen o-er Lehrlinge ausbil-en, bei Vergebung von Arbeiten mehr zu bedenken und dabei die Reichsver- bingungsordnung in allen ihren Teilen anzuwenden) 2. Bei der Reichsregierung darauf hinzuwetsen, daß Teil A -er Reichsverdtngungsord- « ung im Interesse einer Vereinheitlichung, Verein- fachung und Verbilligung des BergebungsverfahrenS Gesetzlich eingeführt und allenthalben sinngemäß an- Gewendet wird. Die Vergebung soll nicht als rein fiskalischer Art angesehen werden, sondern vom volkswirtschaftlichen Gesichtspunkte einer ^amtwirffchafi" Befruchtung und Förderung der Ge- 8 darauf hinzuwirken, daß auch bei Ausschreibung die Mietzinssteuer bezuschutzten Bau te« die Reichsverdingungsordnung in allen Teilen zu grundegelegt wirb,- darauf hiuzuwirke«, -aß bei Vergebung von »Nentliche« Arbeite« i« Eubmifflonswege »ichtbaS t'll Esst« A«geb,t, sonder« dasjenige de« Zn* schlag erhält, welches i« der Regel dem angemessene» Preise am nächst«« komm«. A« Stell« des jetzige» Kampfe» «« de« Preis «a- «1« solcher «« di« höchst« ««- best« Leistung trete«; , ,5. darauf hinzuwirkeu, daß im Interesse einer ver trauensvollen Gemeinschaftsarbeit zwischen den ver gebenden Behörden und ausführenden Unternehmern der 8 7 der V. O. B. betr. Sachverständigen- mitwirkung von Berufsvertretern in weitest möglichem Umfange durchgeführt wird. Sine Spur von Tetzners Opfer? Angeblich ein 18jähriger Former a«S Altona. Wie ans Regensburg berichtet wird, erhielt die Kriminalpolizei durch die Geschäftsstelle des Deutschen Metallarbeitcrverbandes eine Mitteilung, wonach der ^jährige in Altona geborene Former Fritz Störmer seit dem 23. November verschwunden ist. Stör mer, der keine Eltern mehr besitzt, war vom 30. August bis 16. November in einem Straubinger Eisenwerk beschäftigt. Am 19. November nahm der Vermißte den Deutschen Metallarbeiterverband wegen eines Lohnkonflikts in Anspruch. Vom 20. November liegt beim Jugendamt in Altona' ein Schreiben von Stör- mer vor, und am 23. November schrieb er nach Regens burg aus Neustadt an der Walonab. Seit dieser Zeit fehlt nun von Störmer jede weitere Nachricht. Es wird daher vermutet, daß Störmer dasOpferTetzners geworden ist. Angestelltenverstcherung. Für die Zelt vom 1. Januar 1926 an ist es zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft erforderlich, daß jeder Versicherte vom 2. bis 11. Kalenderjahre seiner Versicherung jährlich mindestens 8, vom 12. Kalen derjahre an jährlich mindestens 4 Beitragsmonate nach weist. Die Anwartschaft erlischt zunächst, wenn diese Mtndestzahl nicht erreicht wird. Sie lebt aber wieder auf, wenn der Versicherte soviel freiwillige Beiträge, als zur erforderlichen Mindestzahl von Beitrggs- monaten schien, innerhalb der zwei Kalenderjahre nach entrichtet, die dem Kalenderjahre der Fälligkeit folgen. ES können also die etwa noch erforderlichen Beiträge für da« Jahr 1927 noch bis zum 31. Dezember 1929 nachentrichtet werden. Der Entwurf eines Gesetzes zum Ausbau der An gestelltenversicherung ficht allerdings vor, daß alle An wartschaften bis zum 31. Dezember 1929 al« auf rechterhalten gelten, auch wenn in einzelnen Jahren zu wenig Beiträge oder keine Beiträge entrichtet wur den. Da es aber noch ungewiß ist, ob dieser Entwurf Gesetz wird, ist zu empfehlen, die zur Aufrechterhav- tuna der Anwartschaft erforderlichen Beiträge bi« zuan Schlüsse des Jahres nachzuentrichten, denn nach Ein- tEt des Versicherungsfalles ist die Nachen trichtumg freiwilliger Beiträge regelmäßig unzulässig. Die freiwilligen Beiträge werden nicht zurück gezahlt, auch wenn sie wegen einer etwa später«! Gesetzesänderung nicht notwendig gewesen wären. Freiwillige Beiträge für die Zeit vom 1. April 1928 an, sind in der dem jeweiligen Einkommen ent sprechenden Gehaltsklasse, mindestens aber in Klass« B zu entrichten. In Klasse B können Beiträge nur von solchen Versicherten geleistet werden, di« ohne Einkommen sind, oder deren Einkommen im Monat den Betrag von 100 M. nicht übersteigt. Für die Zeit vor dem 1. April 1928 sind freiwillige Bei- träge mindestens in der Gehaltsklasse zu entrichten, die dem Durchschnitt der letzten 4 Pflichtbeiträge ent spricht oder am nächsten kommt. In einer niedrigeren Beitraasklasse ist die freiwillige Weiterversicherung für diese Zeit dann zulässig, wenn diese Gehaltsklasse dem Einkommen des Versicherten entspricht. Personen, die in eine nach Par. 11, Par. 12 Nr. 1—6, Par. 17 des Angestelltenversicherungsgesetzes ver- stcherungsfreie Beschäftigung übergetreten sind, kön nen nach Artikel 4 des Gesetzes vom 29. März 1928 lReichsgesetzbl. 1, S. 117) freiwillige Beiträge für die Zeit vom 1. Oktober 1923 an abweichend von den all gemeinen Bestimmungen noch bis zum 31. Dezember 1929 für jeden Monat nachentrichten. Keine Erkrankung Hindenburgs. In Deutschland ist eine neue Seuche ausgebrochen. Ungefähr alle acht Tage tauchen aus irgendeiner dunk len Quelle Gerüchte auf, die von einer schweren Er krankung oder gar — wie z. B- am Freitag — von dem Ableben des Reichspräsidenten von Hindenburg sprechen. Die Anfragen reißen nicht ab. Auch die amt lichen Stellen, insbesondere das Bureau des Reichs präsidenten, sind den ganzen Tag über gezwungen, das Gerücht zu dementieren. NebrigenS gab Reichs präsident von Hindenburg am Freitagabend ein Essen zu Ehren der RetchSregierung und des diplomatische» Korps. Reichsmiuister Dietrich 5« Jahre alt. Am heutigen Sonnabend feiert RetchSernährungs- Minister Dietrich-Baden seinen SO. Geburtstag. Minister Dietrich, der in Oberprechtal im Bret», gau das Licht der Welt erblickt hat, begann fein« Lauf bahn in der badischen Staatsverwaltung. 1908 wurde er in Kehl, der reASrhetnischen Vorstadt Straßburg», Bürgermeister. Aus Grund seiner Politischen Tätig- leit nmrde Hermann Dietrich 1908 in die Kreis- Versammlung Osfenbura und im Januar 1911 in di« badische Kammer «wählt, der er bi» zum Jahre 192S nngehörte. Nach dem Umsturz gehört« er zwei Jahr« hindurch dem badischen Kabinett als Minister an. Der Nationalversammlung und dem Reichstag — seit 1922. — gehörte Minifi«: Dietrich als Mitüied der demokratischen Fraktion an. Zum Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wurde Hermann Ditt rich am 28. Juni 1928 ernannt. Kapitalbildung mb Steueksenluag. Das sozialdemokratische Zeatraloraan, der „Vor wärts", veröffentlicht unter dem charakteristischen Titel „Geduld, ihr Herren!" einen Aufsatz, der sich dagegen wendet, daß gegenwärtig gerade von demokratische, > Seite aus mit so besonderer Schärfe auf beschleunigte , Inangriffnahme der Finanzrefonn gedrängt und daß i dabei der Gesichtspunkt der Kapitalbilduna in den ! Vordergrund gestellt wird. Sollte dem „Vorwärts" die Tatsache, daß zwischen der Größe des der produk- ! tiven Wirtschaft zur Verfügung stehenden Kapitals unt : der Zahl der Arbeitskräfte, sowie der Kapitalkraft und j der Entlohnung ein unmittelbarer Zusammenhang be steht, wirklich verborgen geblieben sein? Unverdächtig, Zeugen, wie die preußischen Minister Höpker-Aschofj und Schreiber, sowie die dem „Vorwärts" wohl noch sympathischeren Herren Severing und Dr. Hilferding haben diese selbstverständlichen Wahrheiten gerade iv den letzten Wochen mit sozusagen amtlicher Betonung verkündet und daran die Forderung geknüpft, daß de, Wirtschaft durch entsprechende Senkung der Steuern > die Wiedergewinnung der verlorenen Rentabilität und ,! die Bildung eigenen Kapitals ermöglicht werden müsse f Bisher hat der „Vorwärts" zu dem allen ge- > schwiegen. Nun scheint er Plötzlich aus seinem Schlum- , mer erwacht zu sein und wartet der Oeffentlichkett mit der Entdeckung auf, Steuersenkungen wurden sich als nutzlos erweisen, denn ein Teil der Ermäßigung von Besitzsteuern werde in den LuxuSkonfum gehen während ein anderer Teil gegenüber dem Kapitalbedarf der deutschen Wirtschaft nicht viel mehr alS ein Tropfe« auf den heißen Stein bedeuten würde. Die Charak- teristik paßt witzigerweise ausgezeichnet auf Hilferding- Reformprogramm, das im Endergebnis dm innerer Ausgabenaufwand der öffentlichen Hand hinter den Schleier angeblicher Steuersenkungen noch um etwa SOO Millionen Mark erhöhen Mll: sie patzt aber durchaus nicht auf die umfassenden Reformvorschläg« in steuerlicher und wirtschaftlicher Hinsicht, die von Reinhold, Hllpker-Aschoff und jetzt eben erst vom Reichs- , verband d« Deutschen Änderte der Oeffenttichkeii ! vorgelegt worden sind. Wenn der ,-vorwärts" davor warnt, aus Steuer» ! senkungen Hoffnungen für eine Wiederbelebung dm j deutschen Wirtschaft herzuleiten und damit überhaupt die Hoffnungen «ms eine deutsche Zukunft begräbt, so ist das seine Sache: er wird aber begreifen müssen, daß andere Kreise den Glauben an Deutschland noch nicht verloren haben und entschlossen sind, die -m Herbeiführung besserer Zustände nötigen Wege zu gehen. Kapitalbildung tut not, und die erste Voraus setzung zu ihrer weiteren Förderung ist eine Steuer, senkungspolittk, die vor allen Dingen die Wirtschaft- lichen Unternehmungen von dem Druck der Gewerbe steuer vollständig und restlos befreit. Jede Steuer senkungsmaßnahme, die sich mit möglichster Unmittel barkeit in eine Vergrößerung des Eigenkapitals de, Unternehmungen und damit in eine Minderung ihre, Verschuldung und ihres hohen Zinsendienftes umsetzt jede Steuersenkung, die also unmittelbar dem werben den Wirtsckaftskapital zugute kommt, wird und muß zwangsläufig zu einer Ausweitung der Arbeitsplätze: zu einer beschleunigten Ueberwindung der Arbeitslosig keit und zufolge der besseren Ausnutzung der an sich gegebenen Produktionskapazität zu einer Preisabbau bewegung mit Steigerung des Reallohnes der Ge samtheit der deutschen Arbeitnehmerschaft führen. Das sind keine phantastischen Verheißungen, sondern das sind zwangsläufige wirtschaftliche Zweckmäßigkeiten denen sich auch das sozialdemokratische Zentralorgau auf die Dauer nicht zu verschließen in der Lage sein wird. Aus Stadt und Laud. Furchtbarer Schülerselbstmord. In Greiffen« berg in Schlesien verübte der 12jährige Willi Schul aus Lauban, der di« Mittelschule besucht, Selbstmord. Er verließ die Schule und ging zur Badeanstalt, wo ei ins Wasser sprang. Da er beobachtet wurde, verließ er das Wasser wieder und sprang auf die nahegelegen« Bahnlinie. Ein in diesem Augenblick vorüt erfahrende, Zug trennte ihm den Kopf vom Rumpf. Schulz war einer der besten Schüler. Er hatte vor kurzem Wege« Neckereien mit seinen Mitschülern einen Verweis er- hatten. Das muß er sich so zu Herzen genommen haben, daß er Selbstmord beging. In einem Brief an seine Ettern bittet er diese um Verzeihung x er sei in dem Tod getrieben worden. Familie« tragitdie. In Nürnberg wurde die Fa milie de« Technikers Hröder in ihrer Wohnung tot a«b gefunden. Hröder und seine Angehörigen Ware« fett zwei Tagen nicht mehr gesehen worden. Im Wohn- zimmer lagen Hröder, sei«« 26jährige Frau und seun 3jährige Tochter mit tödlichen Schußwunden. Rach den Feststellungen der Kriminalpolizei hat Hröder zu erst feine Frau und dann seine Tochter erschossen. Dei Grund der Tat ist unbekannt. Fm Schnellzug beraubt. I« dem von Bukarest nach Lemberg fahrenden internationale« Schmeltzug ist die Frau de« rumänischen UnterstaatSsekretär» Moldova kurz vor StaniSlau in einem Abdell -Wetter Klass« betäubt und beraubt »vordem. Dem Eisenbahndieb sie ten ein Diplomatenpaß, verschiedene Papiere, wert volle Schmucksachen und eine größere Geldsumme 1« di« Hände. Der Raub wurde erst entdeckt, al« der Schaff, per aus dem betreffenden Abteil einen eiaeutüimLchen