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KckarNiMDmMi 28. Fortsetzung Mutter Krüger war ganz aufgeregt, trippelte herum, nahm ein frisches Taschentuch aus dem Kasten .Und mein Gesangbuch? Wo ist Jochen such mal mit. Wo ist denn — mein — Gesangbuch?" »Da liegt es ja, Mutter." »Ach Gott, ja. — Ich bin ganz alle. — Nein, so was!" Jochen nahm die Mutter um die Schulter. Er führte sk zur Tür. »Geh' nur, Muttchen, sonst kommst du zu spät. — Bek ein Vaterunser für mich mit." Noch im Hinausgehen versicherte sie: „Ja, Jochen, jal Das will ich gern tun, gern!" Als sich die Tür hinter ihr geschloffen hatte, war es zu nächst still zwischen den beiden Männern. Zeuner saß in der Sofaecke und sah Jochen zu, der vor sichtig und behutsam seine Geige in das Wachstuchfutteral schob. Jochens brauner Kopf hob sich in scharfen Konturen gegen das Licht ab Das dunkle Haar fiel lockig in die hohe Stirn Um den schmalen Mund lag ein feines Lächeln. Zufrieden heit mit der Stunde! Zeuner schien es, als ob Jochens Gesicht ernster gewor den sei und die Züge straffer, die Schultern breiter, dei ganze Mensch schwerer und wuchtiger. »Hast du viel arbeiten müssen — draußen?" fragte er. »Was so in einem Zirkus zu tun ist," sagte Jochen. »In einem Zirkus? — Warst du denn in einem Zirkus?' „Ja. fünf Monate lang. — Ich mußte mich doch durch schlagen." „Selbstverständlich! Es ist ja auch gleichgültig, wie uni wo wir unser Geld verdienen, wenn wir es nur ehrlich ver dienen. — Warst du zufrieden?" „Mit was?" „Mit dem Verdienen?" Kurz iagte Jochen: „Jal" und wendete sich ab. Zeuner erkannt«, daß auch dieses Kapitel im Leben Iochen- nkcht das angenehmste gewesen jein konnte und fragte: „D< hast du wohl gar nicht an Wölfis aedacht?" „Ich war sogar dort!" „Warst dort? — Na und?" »Was denn?" „Das möchte ich von dir wissen. Erzähle!" Da bequemte sich Jochen. „Wir spielten in Herrenhof und hatten viel Wölfiser z, Besuch, auch Frau Merten war da. Während der Vorstellun, - passten« «in Unglück — ein — Mädchen stürzte. Fra, i Merten stellte ihren Wagen zur Verfügung. Ich fuhr dii Verunglückte nach dem Kreiskrankenhaus. Wagen uni - Pferde mußte ich doch wieder abliefern." - „Natürlich! — Frau Merten hast du nicht gesprochen?' j »Warum fragst du?" j „Es tnteressieN mich, Jochen. Maafprsch doch allerhani über dich und sie." ; Das Gespräch verstummte. Glocken läuteten. Draußen trugen sechs Männer einen unter Blumen vev deckten Sarg vorbei. Kinder sangen. Ein endloser Zuj Leidtragender folgte. Die aber folgten, trugen nicht Leid, bi, auf wenige, die unmittelbar hinter dem Sarge schritten. Wit ein düsterer Gedanke zogen di« schwarzgekleideten Mensche» dahin. Zitternd mit erdfahlem Gesicht, stand Jochen am Fenster Stand, bis die Letzten vorüber waren. Seine Augen blickte» in weite Fernen, blickten in jenes Land, das keine Grenzer hat. " Zeuner umfaßte ihn, zog ihn behutsam zurück. „Nun ist sie allein, Jochen. Ein schwaches Mädchen aus einem großen Besitz! Und ganz allein." „Allein — und krank — so hinfällig — wie ein Hauch — und zerren sie doch hinter dem Toten her — und niemant wehrt dieses Unverantwortliche." „Die Feierstunde der Seele, Jochen, die verträgt selbst de. Sterbende. Aber danach — was dann kommt, das ist — Mord!" Den Blick voll Bangen, sah Jochen zu Zeuner auf. „Was meinst du?" „Den Alltag meine ich, der dein« Marcha empfangen wird. Mit Riesenfäusten wird er ihr das letzte bißchen Kraft aus . dem Körper pressen und viele liebe Freunde werden raten s werden reden, werden mit Worten helfen wollen, aber der , Mut der Tat wird niemand finden — So wird das sein Jochen — wenn du dich nicht überwindest, wenn du dieser Mut nicht findest, du, der ihrer Seele der nächste ist." Jochen hockte zusammengesunken auf seinem Stuhl. Dei Kopf schmerzte ihm, das Herz tat ihm weh. Um den Munt zitterte verhaltenes Weinen Anita Arvedas seherisch« Augen blickten ihn an „Dein Mädchen wartet auf dich Eile!" — Immer wieder hämmerten diese Worte in seinem Gewissen. Langsam richtete er sich auf, hielj sich an Zeuners Arm fest erhob sich. „So schwer wird es dir, Jochen, was dir leicht sein sollte?" Er nickte. — „Es wird mir schwer. Und doch will ich de drüben nach dem Rechten sehen. Will mich überwinden De, , Bürgermeister soll mich bereit finden." s „Wie das? — Der Bürgermeister?" „Er wollte kommen und mit mir sprechen. Geh' ihm ent- ! gegen. Ernst. Er soll es später tun, erst mit Martha reden soll si« zwingen, daß sie fortgeht — in ein Sanatöriüm ode» Aehuliches. Das mache ich zur Bedingung." „Du solltest Vitten, Jochen und nicht Bedingungen stellen." „Ich muß! — Wenn ich mich am Torhof zuschanden ar- beite, wie der, den man heute begrabe» hat, soll es nicht zwecklos gewesen sein. Für Marthas Gesundheit ist noch ni< etwas getan worden. — Geh', Ernst, sag' das dem Bürger meister." „Und Martha? Was soll ich ihr sagen, wenn ich ihr be gegne. Sie hat den gleichen Weg wie Körner." - „Grüße siel — Sag' ihr, was du für richtig hältst. — Uber Kathrein schicke zu mir — die brauche ich." Jochen stand Millen . pürier über die Straße schreiten, blickte -u» Torho hinüber, der friedlich und still aus dem Grünen mgn „Nun wölbt sich Erde über meinem einstigen Herrn und ' Llumen decken ihn zu Jochen Krüger wird sein Erbe ver walten. — Ob du wohl schlafen könntest wenn du das wüßtest?" Neben ihm, aus oem Nähtstchchei. r Mutter, lag noch sein Brief an Anita Er entnahm ihn dem Umschlag, las ihn, setzte sich und schrieb einen Nachsatz „Wie sich alles zu erfüllen icheinl, Anita! Es ist sonderbar. — Ich bin jetzt ganz ruhig. Martha wird in ein Sanatorium gehen Diesen Wunsch wird sie mir erfüllen müssen, wenn sie mich liebt. — Dann wird meine Mutter in meinem Häuschen allein sein und ein Mensch wird ihr fehlen, den sie umsorgen kann. Anita, lag mich wissen, wann ich Dich zu meiner Mutter bringen darf. Bitte, laß es mich wissen. — Möchte es bald sein!" Er legte den Halter weg, sah zur Seite. Kathrein stand im Zimmer. Bleich, schweigend, mit fragen- )en Augen Jochen blickte sie an. So groß stand sie dorl, ,o vornehm in ihrem schwarzen Gewände! So hatte Anschütz ausgesehen, wenn er seine guten Tage hatte. „Ich schrieb, Frau Anschütz" entschuldigte er sich. »Ich sah es und hörte es auch. Man soll nicht sprechen, was man schreibt." »Sprach ich?" „Jedenfalls schriebt du einen merkwürdigen Brief — ge rade heute." „O." sagte Jochen und verstand Er hielt ihr das Blatt hin »Wenn Sie lesen wollen, bitte! Es dürfen keine Geheimniff« sein zwischen Ihnen und mir" — Er drängte ihr das Blatt auf „Und zwischen Martha und dir?" fragte sie. lFortsetzrma sohiM