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1. Juni 1894. STAHL UND EISEN.“ Nr. 11. 483 werk in Lauffen die ihr zu Gebote stehende überschüssige Energiemenge dazu benutzt, um durch elektrisches Erhitzen von Drahtwider ständen ihren Thon zu trocknen, wozu anfäng lich eine ziemlich kostspielige Heizanlage noth wendig war. Auf weitere Fälle ist in einer früheren Notiz über elektrisches Heizen und Schmelzen bereits hingewiesen worden.* Bedeutend günstiger für eine Einschaltung der elektrischen Energieform zwischen der Er- zeugungs- und Verbrauchsstelle der Wärme sind alle diejenigen Betriebe, wo es sich um Gleich- mäfsigkeit bezw. hohe Regulirfähigkeit der Er hitzung, sowie ferner diejenigen, wo es sich um Localisirung der benöthigten calorischen Energie auf kleinen Raum handelt, denn in letz terem Falle kann die wirklich zur Ausnutzung gelangende Wärmemenge des aufgewendeten Brennmaterials bei den bisherigen Verfahren so minimal sein, dafs die oben erwähnten Umsetzungs verluste viel geringer sind, abgesehen von der Reinlichkeit und Bequemlichkeit des Betriebes bei Anwendung der elektrischen Energie als Zwischenglied. Nach neueren Versuchen von Roberts* würden z. B. bei Erhitzung einer Eisenstange von 20 cm Länge und 1 kg Schwere im Herdfeuer etwa 0,75 % der durch Verbren nung der Kohle erzeugten calorischen Energie auf das Eisen übertragen, während bei Erhitzung desselben Eisenstückes im elektrischen Schweifs apparat von Thomson 88 % der elektrischen Energie in nutzbare calorische umgesetzt werden. Die Ueberlegenheit des letzteren Verfahrens, welches mehr von innen nach aufsen wirkt, über das von aufsen nach innen wirkende gewöhnliche Verfahren ist also aufserordentlich grofs. In ähnlicher Weise wurden bei der Schmelzung von 2 kg Messingspähnen bei dem bisherigen Ver fahren 1,5 % der cälorischen Energie nutzbar gemacht, in einem eigens construirten elektrischen Ofen hingegen für den erstrebten Zweck 85 % der elektrischen Energie. Soll nun aus diesen im kleinen erhaltenen Resultaten keineswegs auf das Allgemeine geschlossen werden, so zeigen sie doch andererseits die Möglichkeit einer be deutend gröfseren Oekonomie des elektrischen Verfahrens selbst noch in denjenigen Fällen, wo die elektrische Energie aus mechanischer mittels Dampfkraft erzeugt wird, so dafs nur etwa 8 bis 9 % der in der Kohle vorhandenen potentiellen Energie als elektrische erhältlich ist. Solche Fälle, wo die elektrische Zwischen form der Energie erfolgreich in Mitbewerb treten kann, liegen z. B. im kleinen bei Plätteisen, Brennscheeren u. s. w. vor, im gröfseren bei elektrischen Koch- und Backapparaten, welche in Amerika schon ausgedehntere Verwendung ge- * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1892, ** „Electrical Engineer“ vom 17. Januar 1894. funden haben, z. B. in Ottawa in Canada. Die selben werden auch in allen denjenigen Fällen an Bedeutung gewinnen, wo der an ein Elek- tricitätswerk angeschlossene Gonsument nicht die entnommene elektrische Energiemenge bezahlt, sondern auf ein Stromäquivalent von so und so viel Glühlampen oder, anders ausgedrückt, bis zu einem Effectmaximum abonnirt ist, so dafs er bis zu jener Grenze den ganzen Tag über elektische Energie nach Belieben zur Verfügung hat. Das letztere ist u. A. bei dem mit Wasser kraft betriebenen Elektricitätswerk für Fürsten feld-Bruck in Oberbayern der Fall. Eine weitere, hierher gehörige Anwendung, das elektrische Schweifs- und Metallbearbeitungs verfahren, ist bereits früher in dieser Zeitschrift ausführlich behandelt worden.* Neu hinzu gekommen ist inzwischen das den Lesern von „Stahl und Eisen“ gleichfalls bekannte Schweifs verfahren von Lagrange und Hoho.** Das selbe nimmt gleichsam eine Mittelstellung zwischen dem Thomsonschen Glühschweifsverfahren und der Bogenlichtschweifsung nach Benardos ein. Wenn auch keineswegs darnach angelhan, die beiden erstgenannten Verfahren zu verdrängen, so dürfte es sich doch ein bestimmtes Anwen dungsgebiet sichern schon mit Rücksicht auf die hierzu nöthigen einfachen Vorkehrungen; bei ihm beruht die Wirkung gleichfalls auf einer Con centration der in Wärme umgesetzten elektrischen Energie auf die unmittelbare gasförmige Um gebung des den negativen Pol bildenden, in Wasser bezw. verdünnte Salzlösung getauchten Werkstückes, während der andere von einer relativ sehr grofsen Platte gebildet wird. Nicht so allgemein bekannt dürfte vielleicht sein, dafs bei diesem Verfahren ein Punkt zu beachten ist, welcher die Reihenfolge der Operationen betrifft. Taucht man nämlich das die Kathode oder den negativen Pol bildende Werkstück zuerst ein und schliefst alsdann den Strom, so erhält man keinen Bogen, sondern nur Wasserzersetzung, man mufs vielmehr den Strom vor dem Eintauchen schon geschlossen haben, oder mit anderen Worten, Werkstück und Salzlösung selbst als Strom schlüssel benutzen. Im Anschlufs an. diese Schweifsverfahren von Metallen mit Hülfe von sehr concentrirter elek trischer Strom wärme möge noch eine, zunächst weniger technische als wissenschaftliche, An wendung der elektrischen Energieform Erwähnung finden, welche gestattet, über die früher erreichten Temperaturen hinauszugehen und beträchtliche Mengen schwer schmelzbarer Metalle zu ver dampfen. So ist es Mo iss an in seinem elek trischen Schmelzofen*** gelungen, Silber, Gold, * Vergl. „Stahl und Eisen“ 1892, Heft 6, sowie spätere kleinere Mittheilungen. ** „Stahl und Eisen“ 1893, Heft 12. *** Vergl. „Stahl und Eisen“ 1893, Heft 9, S. 391.