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milian, welcher selbst als „Plattner“ thätig war. Eine in Becks Buche wiedergegebene Abbildung von Hansen Burgmair aus Max Treitzsauerweins Handschrift „Der Weifs-Kunig“ zeigt den Kaiser, wie er in der Werkstatt eines Plattners dem Gesellen, der eben im Begriff ist, eine Haube auszutreiben, Belehrung ertheilt. Verschiedene ganze Rüstungen und Rüstungs theile sind ebenfalls in vorzüglichen Holzstichen abgebildet. Ein Meisterstück deutscher Treibarbeit befindet sich jetzt zu Langford-Gastle in England. Es ist ein von Thomas Rücker getriebener Stuhl mit Tausenden kleiner Figuren, welche fortlaufend die Geschichte des römischen Reichs von dem Abzüge des Aeneas von Troja an durch das König- und Kaiserthum hindurch bis auf die Zeit Rudolfs II. darstellen. Ari der Spitze der Rück lehne befindet sich das Augsburger Stadtwappen und die Inschrift: Thomas Rücker fec. 1574. Durch Anlassen, Brüniren, Aetzen, Vergolden, Tauschiren und Nielliren erhielten die getriebenen Arbeiten fernere Vollendung. Einiges Nähere über die Ausführung dieser Arbeiten ist auf Seite 366 bis 369 der Geschichte des Eisens mitgetheilt. Aufser dem Treiben stand im 16. Jahrhundert auch die Schneidekunst oder Glyptik auf der höchsten Stufe ihrer Entwicklung, eine Kunst, welche jetzt fast vergessen und durch die Kunst- giefserei ersetzt worden ist. Auf der Oberfläche des vorgeschmiedeten Arbeitsstücks, eines Degen griffs, Tbürklopfers und dergleichen, wurden mit Meifsel und Grabstichel Verzierungen und Figuren, wie bei der Bildhauerarbeit in Marmor oder Elfen bein, herausgearbeitet. Ausgezeichnet sind Ben venuto Cellinis Arbeiten auf diesem Gebiete. Nicht mindere, ja noch höhere Bedeutung als die Anfertigung der Schutzwaffen, der Rüstungen, besafs seit Alters her die Herstellung der Angriffs oder Trutzwaffen. Ein Schwert oder einen Dolch zu tragen, war jedem Freien erlaubt, ja, es war sogar die Pflicht eines jeden Bürgers, eine Wehr zu haben. Schon frühzeitig hatten sich die Klingenschmiede und Messerer als selbständige Gewerbeverbände von den gewöhnlichen Schmieden gesondert, und im 16. Jahrhundert fing man bereits an, fabrikmäfsig das Gewerbe zu betreiben, indem mehrere selbständige Meister nach ge wissen Vereinbarungen zusammen arbeiteten und den Vertrieb der Waare durch Andere besorgen liefsen. Besonders war es der Solinger Bezirk, in welchem diese Art der Arbeitstheilung sich allmählich schon seit dem Mittelalter entwickelt hatte. Gute Waare und sorgfältige Prüfung der zur Versendung gelangenden Waaren hatte den Solinger Klingen schon damals Weltruf verschafft. Zur Zeit Karls V. wurde dann auch Toledo einer der berühmtesten Waffenplätze. In die Arbeit bei der Schwertdarstellung theilten sich im Solinger Bezirk drei privilegirte Bruderschaften, welche streng gegeneinander ab geschlossen waren: die Schwertschmiede, die Härter nebst den Schleifern, die Schwertfeger nebst den Reidern. Um Mitglied einer Bruder schaft zu werden, mufste man aus ihr geboren und darin aufgenommen sein. Niemals konnte ein Schmied Schleifer oder ein Schleifer Feger werden. Besondere Kreuz- und Knaufschmiede lieferten die Griffe zu den Schwertern, die Schwert feger die Scheiden. Waren alle Theile im ein zelnen fertig, so setzte der Beider das Schwert aus ihnen zusammen (reiden = fertigrnachen). Aus den sonstigen Mittheilungen über Waffen- und Messerdarstellung möge hier erwähnt werden, dafs man in jener Zeit Tischmesser bei Schmausereien nicht aufzulegen pflegte, sondern jeder Gast sein eigenes Messer mitbrachte. Die Benutzung der Gabeln beim Essen war über haupt unbekannt. Erst allmählich verbreitete sich von Italien aus im 16. Jahrhundert die Sitte, die festen Speisen mit einer Gabel statt mit den Fingern oder im günstigsten Falle einem Löffel zum Munde zu führen. Königin Elisabeth von England und Shakespeare speisten noch mit den Fingern; 1608 wurde in England der erste Versuch gemacht, die Benutzung der Gabeln beim Essen einzuführen, aber die Neuerer ernteten anfänglich nur Hohn und Spott. — Sensen wurden seit Alters her vornehmlich in Steiermark und im bergisch-märkischen Lande geschmiedet. Auch Nürnberg und Freiberg i. S. besafsen eine Zunft der Sensenschmiede. Aus sehr unvollkommenen Anfängen ent wickelte sich die Anfertigung geschmiedeter Hand feuerwaffen. Das älteste Handgeschütz ist die arabische Madfaa, ein Rohr aus Holz und Eisen, welches zum Schiefsen von Kugeln und Pfeilen mit Hülfe des Schiefspulvers benutzt wurde. Es ist zuerst von Nedjin-Eddan-Hassan-Alrahma in den Jahren zwischen 1285 bis 1295 beschrieben. Diese arabische Waffe diente später als Muster für die in Flandern gefertigten „Knallbüchsen“, tragbare Handkanonen, aus einem kurzen und engen Rohre bestehend, welches hinten in einem Stiele endigte. Der Reiter befestigte den Stiel an seinem Brustharnisch, legte das Rohr auf eine in schräger Richtung gegen den Sattel sich stützende Gabel und entzündete mit einer Lunte das auf das Zündloch geschüttete Pulver, „Kraut“ genannt. Später ersetzte man den eisernen Stiel durch einen hölzernen Schaft und führte das Gewehrschlofs ein, dessen Einrichtung dann mehr und mehr vervollkommnet wurde. Auch auf anderen als den bisher genannten Gebieten erwarb sich indefs das geschmiedete Eisen eine stetig wachsende Anwendung, je mehr Eisen man überhaupt erzeugte. Im Bauwesen und bei der Herstellung von Gegenständen der häuslichen Verwendung erfreute sich das kunst sinnige Zeitalter auch an der künstlerischen Be handlung des „rauhen“ Eisens, und die Kunst-