Volltext Seite (XML)
1. October 1895. Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. Stahl und Eisen. 923 Berichte über Versammlungen aus Fachvereinen. V. internationale Conferenz zur Vereinbarung einheitlicher Prüfungsmethoden von Bau- und Constructionsmaterialien. Nachdem die Vorgängerinnen dieser Conferenz im Jahre 1884 in München, 1886 in Dresden, 1890 in Berlin und 1893 in Wien stattgefunden hatten, vereinigte man sich in diesem Jahre in den Tagen vom 9. bis 11. September in den Mauern der schönen und gastfreien Stadt Zürich. Die Theilnahme war namentlich auch aus den Kreisen der deutschen Eisenhüttenleute, stärker denn je zuvor; das officielle Namenverzeichnifs wies auf für Belgien 6, Deutsch land 76, Dänemark 2, England 2, Ver. Staaten 4, Frankreich 36, Holland 8, Italien 17, Luxemburg 1, Norwegen 4, Oesterreich-Ungarn 61, Rumänien 2, Bufsland 16, Schweden 4, Schweiz 79, Serbien 1 und Spanien 1. Mit hoher Befriedigung konnte daher der von der IV. Conferenz ernannte Vorsitzende der ständigen Commission, Professor L. von Tetmajer, Vorstand der schweizerischen Festigkeitsanstalt, die stattliche Versammlung eröffnen, welche die Aula des schweize rischen Polytechnikums bis auf den letzten Platz aus füllte. Nach herzlicher Begrüfsung dankte er den Obmännern der verschiedenen Untercommissionen für ihre gedeihliche Thätigkeit, der schweizerischen Landes behörde. welche die finanziellen Mittel zur würdigen Gestaltung des Congresses gewährt hatte, dem schweize rischen Schulrath, der Stadt Zürich und ihren In genieuren und den verschiedenen Eisenbahngesell schaften. Redner hebt dann hervor, dafs, wie seine Vorgänger, so auch der Züricher Congrefs eine öffent liche, völlig freie Vereinigung sei, dafs seine Be schlüsse keinen verbindlichen Charakter besäfsen, dafs vielmehr derselbe nur den gegenseitigen Austausch von I Erfahrungen und Anschauungen bezwecke und daher die Beschlüsse gewissermafsen zum Ausdruck brächte, was die Mehrheit der Anwesenden zur Zeit als das Richtige anerkennt. Von den 20, der IV. ständigen Commission überwiesenen Aufgaben sei eine gröfsere Anzahl ungelöst geblieben, da die dadurch berührten Fragen ihrer Natur nach zur Zeit irgend welchen Abschlufs nicht finden könnten. Redner habe daher die Einrichtung getroffen, dafs über diese Fragen Uebersichtsvorträge gehalten werden, welche zu weiteren Nachforschungen zur endgültigen Lösung der Fragen Anregung zu geben bestimmt seien. Die sehr beifällig aufgenommene Ansprache Pro fessor Tetmajers erfolgte in deutscher Sprache, wie auch die meisten Vorträge. Es war jedoch in höchst umsichtiger Weise Anordnung getroffen, dafs es auch den französischen Theilnehmern möglich war, dem Gange der Verhandlungen zu folgen, da einmal die meisten Referate auch in französischer Sprache gedruckt worden waren, und das andere Mal sämmtliche An träge stets in die französische Sprache übersetzt wurden. Zu diesem Zweck waren 18 verschiedene Fachleute thätig. Als Vertreter der Landesregierung ergriff der j Präsident des schweizerischen Schulraths Oberst I Bleuler das Wort zu einer herzlichen Begrüfsung namens der Regierung und des Züricher Polytech- I nikums; er wünschte der Versammlung, in welcher eine so aufsergewöhnlich grofse Anzahl hervorragender Männer der Wissenschaft und der praktischen Berufs- thätigkeiten anwesend seien, besten Erfolg für ihre Arbeiten und Bestrebungen. Er betonte, dafs die Schweiz gewohnt sei, dafs derartige Arbeiten inter nationalen Charakters auf ihrem Boden gefördert werden. In der dann folgenden Wahl wurden für den ersten Tag Bergrath Professor Ledebur aus Frei berg-Sachsen und Oberbaurath Berger, Baudirector der Stadt Wien, als Ehrenvorsitzende, Oberst Bleuler als geschäftsführender Vorsitzender, und als Schrift führer Professor Martens-Charlottenburg und P. Debre, Ingenieur en chef des ponts et Chaussee, gewählt. Nachdem die Gewählten ihre Sitze einge nommen, wird zur Tagesordnung zunächst von Prof. Tetmajer der im Druck vorliegende Bericht über die Thätigkeit des Vorstandes der IV. ständigen Commission (d. h. der Körperschaft, welche die Ge schäftsführung der Arbeiten vom IV. bis zum V. Congrefs und die Vorbereitung zu letzterem übernommen hatte) zur Besprechung gestellt. Von besonderem Interesse aus dem Bericht ist, dafs mit der mächtig organisirten und dotirten staatlichen Commission zur Vereinheit lichung der Prüfungsmethoden Frankreichs* (gebildet 1891) Fühlung genommen ist, ebenso mit den Amerikanern wegen chemisch-analytischer Unter suchungsmethoden. Als Nachtheile der jetzigen Organisation werden die gänzliche Mittellosigkeit der Vereinigung, ferner das Fehlen einer Zeitschrift als verbindendes Element bezeichnet. Versammlung ge nehmigt den Bericht, der beredtes Zeugnifs von den unermüdlichen Bemühungen Tetmajers ablegt, ohne Besprechung. Dann wird Professor Kick-Wien das Wort zu einer Gedächtnifsrede auf den verstorbenen Professor Bauschinger, den verdienten Begründer und bisherigen Leiter der Congresse, ertheilt. Der Redner entrollt ein übersichtliches Bild von Bauschingers Lebensgang und Thätigkeit mit be sonderer Hervorhebung seiner Leistungen und Be strebungen im Versuchswesen. Im Jahre 1868 als Professor der technischen Mechanik an die technische Hochschule in München berufen, konnte er dort das von Director Bauernfeind geplante bautechnische Laboratorium einrichten, welchem auf seine Anregung schon 1871 ein mechanisch-technisches Laboratorium folgte. Das letztere wurde bald nach seinen Angaben erweitert und von Bauschinger zu der ersten mechanisch technischen Versuchsanstalt ausgebildet. Es gebührt also Bayern die Ehre, auf diesem Gebiete unter Bauschingers Führung bahnbrechend vorgegangen zu sein. Der Vortragende verfolgte Schritt für Schritt den Weg, den Bauschinger zurückgelegt hat bei seinen Untersuchungen über die künstlichen und natürlichen Baumaterialien, über Eisen in seiner mannigfachen Verwendung zu Bauzwecken, über Holz, über Steine und manche andere im Baufach und technischen Betrieb vorkommenden Materialien, und zeigte, welche äufserst fruchtbare Thätigkeit Bauschinger entfaltet hat. Er zeichnete ihn als einen unermüdlichen Forscher, trefflichen Lehrer, als einen für weite Kreise erfolgreich wirkenden und die Wissenschaft populari- sirenden Schriftsteller. Den Vortrag hatte am zweiten Tage unsere treffliche Gollegin, die „Schweizerische * Vergl. „Stahl u. Eisen“ 1892, Nr. 5, S. 252. Die Commission hat mittlerweile vier Bände über ihre Arbeiten herausgegeben, die dem Congresse vor lagen. Die erste derselben ist in dieser Zeitschrift auf Seite 100 besprochen.