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30 Stahl und Eisen. Aus Ludwig Becks Geschichte des Eisens. 1. Januar 1899. flamme heizen. Man ersparte in Wasseralfingen durch die Erhitzung des Windes etwa ein Viertel des bisher verbrauchten Brennstoffs und vermehrte die Roheisenerzeugung um fast ein Drittel. Die Verwendung der Gichtflamme für die Er hitzung des Windes führte zu einer anderen in Wasseralfingen durch Faber du Faur gemach ten Erfindung: der Entziehung der Hochofengase durch einen Gasfang, um sie dann an beliebiger anderer Stelle als Brennstoff zu verwerthen. Die Versuche begannen 1837, und man heizte zu nächst einen Puddelofen mit den Hochofengasen; dafs indefs auch die Einrichtung der Gichtgas entziehung, welche für die wirthschaftliche Führung des Hochofenbetriebes jetzt unentbehrlich geworden ist, anfänglich vielfache Mifserfolge aufzuweisen und infolge davon mit einem starken Mifs- trauen zahlreicher Fachleute zu kämpfen hatte, ist bekannt. Noch 1848 sagte Scheerer, man sei durch vielfache Erfahrung zu der Ueber- zeugung gelangt, dafs die Ableitung der Gicht gase aus einem Eisenhochofen nicht geschehen könne, ohne den guten Gang des Hochofens zu beeinträchtigen. Dennoch hatte Faber du Faurs Erfindung als bald zu der Erkenntnifs geführt, dafs gasförmige Brennstoffe bei manchen Verwendungen nützlicher als feste sich erweisen können. In der dritten Auflage seiner Eisenhüttenkunde sagte Karsten im Jahre 1841 : „Uebrigens liegt die Betrachtung sehr nahe, dafs nicht allein die Ofengase in der Folge zu den Schmelz- und Heizoperationen all gemeiner werden in Anwendung gebracht werden müssen, sondern dafs es auch vortheilhaft sein wird, Kohlenoxydgas aus dem Brennmaterial, wenigstens aus solchem, welches seiner chemischen Constitution oder seines Aggregatzustandes wegen zur Flammenfeuerung wenig geeignet ist, absicht lich deshalb darzustellen, um es als Brennmaterial zu benutzen.“ In Wasseralfingen, St. Stephan in Steiermark, Königshütte, Mägdesprung, Lauch hammer und anderwärts wurden schon im An fänge der vierziger Jahre Gaserzeuger gebaut, und von Jahr zu Jahr fand seitdem die Gas feuerung ausgedehntere Anwendung. Grofse Fortschritte hatte bereits im Anfänge des Jahrhunderts die Giefserei gemacht. Sowohl die Bedürfnisse des Krieges als die zunehmende Anwendung von Maschinen seit Erfindung der Dampfmaschine bedingten einen erhöhten Bedarf an Gufswaaren. England war auch hierin Führer und Vorbild. Karsten schrieb 1816, den Eng ländern verdanke man alle bedeutenderen Fort schritte, in Gleiwitz war auf Graf Redens Ver anlassung eine Giefserei nach englischem Vorbilde errichtet, und in Berlin wurde 1804 die nur für [ Cupol- und Flammofenbetrieb bestimmte König liche Giefserei an der Panke gegründet, nachdem eine alte Mühle zu diesem Zwecke vom Staate angekauft worden war. Die Giefsereien waren nach der schon gegen Ende des vorigen Jahr hunderts gemachten Erfindung der Gupolöfen von dem Hochofenbetriebe unabhängig geworden. Die Gupolöfen wurden anfänglich durch Cylindergebläse betrieben; seit Anfang der dreifsiger Jahre fing man an, diese durch die weit billigeren Ventila toren zu ersetzen. An Stelle der kostspieligeren Masse- und Lehmformerei trat mehr und mehr die Sandformerei. Hartgufswalzen werden in einer Patentschrift von John Burn vom Jahre 1812 erwähnt; die Herstellung emaillirter Waaren wurde 1815 in Lauchhammer eingeführt. Samuel Lucas erhielt 1804 ein englisches Patent zur Darstellung schmiedbaren Gusses. Das beschriebene Verfahren stimmt im wesentlichen mit dem noch jetzt üblichen überein, aber mancherlei Schwierigkeiten stellten sich anfangs der Ausführung des Verfahrens in den Weg, bis ein Bruder des Patentnehmers, Thomas Lucas von Chesterfield, die Sache aufgriff und mit gutem Erfolge Schneid- waaren anfertigte, welche eine so schöne Politur und so gute Schneiden annahmen, wie der beste Gufsstahl.* Für diesen Zweck, die Herstellung billiger Schneidwaaren, wurde die Erzeugung schmiedbaren Gusses zuerst ausgebeutet, doch fertigte man bereits um 1814 in einer Fabrik zu Birmingham Lichtputzer, Steigbügel, Kutschen geschirr und dergleichen Gegenstände aus schmied barem Gufs. Auf dem Festlande soll das Ver fahren zuerst 1829 zu Traisen bei Lilienfeld in Oeslerreich angewendet worden sein; in Deutsch land fand es zuerst um 1840 in Solingen Eingang. Das Frischen des Roheisens geschah im An fänge des Jahrhunderts auf dem Festlande nur in Frischfeuern. Das von den Engländern erfundene Puddelverfahren hatte vorläufig noch keine Nach ahmung gefunden; Versuche, welche man in Lauch hammer und in Treybach angestellt hatte, mit Holz feuerung zu puddeln, waren ungünstig verlaufen. Währenddem breitete sich in Grofsbritannien das Flammofenfrischen mit Steinkohlen mehr und mehr aus, und hierdurch wurde dort eine Massenerzeugung von schmiedbarem Eisen ermöglicht, von welcher man früher keine Ahnung gehabt hatte, und welche England einen Vorsprung vor allen übrigen Ländern verlieh. Im Feineisenfeuer wurde zunächst das graue Roheisen,geläutert; bemerkenswerth ist, dafs diese Feuer schon um 1802 mit wassergekühlten Formen versehen waren. Der Puddelofen hatte anfänglich einen Sandherd; seit 1816 gab Rogers dem Herde eine Unterlage von Eisenplatten; 1832 nahmen Daniel und Georg Horton ein Patent auf die Anwendung von Luft- oder Wasserkühlung für den Herd des Puddelofens, welche der noch jetzt üblichen Kühlung ähnlich war. Erst im Jahre 1840 * Hier sei ein (?) seitens des Berichterstatters erlaubt.