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15. April 1900. Die Pariser Weltausstellung. I. Stahl und Eisen. 411 Der Grundgedanke ist ohne Zweifel nicht übel, seine Ausführung bringt aber nach anderer Rich tung starke Zersplitterung. So ist infolge dieser Anordnung die Ausstellung des Deutschen Reichs auf 26 oder 27 verschiedenen Stellen über das ganze Ausstellungsgelände zerstreut, wie dies auch der diesem Heft beigegebene Plan veranschaulicht, auf welchem die von Deutschland besetzten Plätze mit schwarzer Farbe eingetragen sind. Da weiter einerseits der den fremden Nationen zugebilligte Raum von vornherein äufserst beschränkt war und zu nur einigermafsen ausreichender Ent faltung zumeist nicht genügte und andererseits Frankreich mit einer überaus grofsen Anzahl von Ausstellern vertreten ist, so wird überall das fran zösische Element vorwalten und vermöge der Ein- theilung die international sein sollende Ausstellung schliefslich im allgemeinen einen ausgesprochen französischen Charakter tragen oder wenigstens bei dem Besucher die Vorstellung erwecken, dafs im Concert der Völker die französische Nation die erste Violine spielt. — Wesentlich erleichtert wurde die Durchführung der Eintheilung durch die Fortschritte in der elektrischen Kraftübertragung. Trotz der Zersplitte rung des Kraftbedarfs hat man die Erzeugung des Dampfes und die Betriebsdampfmaschinen weit mehr concentrirt, als dies früher je der Fall wat. Der gesammte Kraftbedarf, der durch die der Klasse IX angehörigen Dampfmaschinen in einer Halle erzeugt wird, wird auf 20000 P. S. abgegeben, davon für Kraftvertheilung und 3 / 4 für Beleuchtung. Das Deutsche Reich ist darunter würdig mit vier mächtigen Maschinen ver treten, von denen drei, darunter eine 2500 pferd., von der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg und eine von A. Borsig in Berlin, geliefert sind. Es ist Abgabe von Gleichstrom von 125, 250 und 500 Volt, und von Wechselstrom und Dreh strom von je 2200 Volt und 50 Wechseln in der Minute vorgesehen. An der Dampf- wie an der Kraft- und Elektricitätserzeugung ist Deutschland in hervorragender Weise betheiligt, während wir die Bergbau-Hüttenwesengruppe nur wenig beschickt haben. Für die Vertheilung von Kalt- und Warm wasser, Dampf und elektrischem Strom sind aus gedehnte Leitungsnetze vorgesehen, die zumeist in Kanälen von mächtigen Abmessungen unter gebracht sind. Um der Ausstellung äufserlich ein würdiges Gewand zu verleihen, hat die französische Bau kunst ihre besten Kräfte aufgeboten, und die Aus stellungsleitung hat grofse Ideen zu Grunde gelegt und es an reichen, man möchte fast sagen, über reichen Mitteln zu ihrer Ausführung nicht fehlen lassen. Man hat an sich noch gut erhaltene und brauchbare Gebäude, wie den Industriepalast des Jahres 1855 auf den Champs-Elysees und die beiden, dasMarsfeld zwischen Eiffelthurm und der ehe maligen Maschinenhalle flankirenden Paläste, welche 1889 zur Aufnahme der Ausstellung der schönen Künste, der Stadt Paris u. a. m. gedient haben, nur um deswillen vom Erdboden weggefegt, dafs neue Fluchten im Gesammtplan und lichtdurchfluthete Räume für die auszustellenden Gegenstände ent standen. Man hat die dergestalt gewonnene Flächen dann theils durch monumentale Bauwerke ersetzt, wie die beiden Kunstpaläste auf den Champs- Elysees und die Alexanderbrücke, welche bleibend der Stadt Paris zur Zierde gereichen sollen, theils sind Bauten ephemeren Charakters errichtet wor den. Die Bauten beider Art verdienen hohe Be achtung des Besuchers. Ist man doch auf der Suche nach einem „clou“ der Ausstellung darin zweifelhaft gewesen, ob die Palme dem Gesammt- bild zuzuerkennen ist, welches die Fluchtlinie von dem Palais des Elysees zwischen den beiden Kunst palästen über die Alexanderbrücke und von da über die Esplanade des Invalides durch die reichen Fronten der Industriepaläste bis zur Kuppel des In validendoms in Verbindung mit dem reizvollen Blick auf die Seine und die Reihe der charaktervollen Repräsentationshäuser der Nationen über Vieux- Paris hinaus bis zum Trocadero und dem Eiffel thurm dem überraschten Auge des Besuchers bietet, oder ob der theilweise neue Durchblick vorzuziehen sein wird, den man von der Jena- brücke aus durch den wuchtigen und doch wiederum so schlanken Eiffelthurm auf den Ehren hof des Elektricitätsgebäudes, das davor aufge baute Wasserschlofs, sein Farbenspiel von Wasser und bunter Lichtfülle und die kostbaren Fronten der neuen Paläste auf dem Marsfelde zu erwarten hat. Jedenfalls ist die Rolle, welche die Aus stellungsbauten in ihrer Ausführung auf der dies maligen Ausstellung spielen, eine ungewöhnlich grofse, die zum Theil, wie schon oben bemerkt, ihren Grund darin hat, dafs für die Ausstattung überreiche Mittel zur Verfügung gestellt wurden, zum andern, nicht unwesentlichen Theil auf die Fortschritte in der Verwendung des Eisens als Baustoff zurückzuführen sind. Es ist unbestreitbar, dafs die Ausstellungen und die durch sie hervorgerufenen Bedürfnisse nach den zweckentsprechenden Unterkunftsräumen von grofsem Einflufs auf die Ausgestaltung der Eisenverwendung im Hochbau gewesen sind. Das Gerippe des im Hydepark 1851 errichteten Glas palastes bestand noch aus Gufseisen, der 1854 er Münchener Glaspalast war aus Gufs- und Walz eisen gefertigt, spätere Ausstellungsgebäude, ins besondere die 1873 von der Firma Harkort in Duisburg erbaute Rotunde waren aus Schmied eisen, aber bei allen diesen Bauten nutzte man zwar die gröfsere Festigkeit des neuen Baustoffs aus, machte indessen kaum den Versuch, das Eisen an sich architektonisch auszugestalten oder die Eisenconstructionen der Architektur anzupassen. Ein wesentlicher Umschwung trat hierin durch die im Jahre 1889 auf dem Marsfeld errichteten