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tung«, und fordert« auf, im Geiste Sahn- zum Wohle des Bätsplandes welterzuar-erten. Auf Wunsch versckledener Frauen 'hat sich der Turnverein entschlossen, eine Frauen- Lege ins Leben zu rufen. Die erst« diesbeMliche Turn stunde findet am nächsten Donnerstag statt. Ms Frauen- turmpatt wird Durnbruder Herbert Häntsch ernannt, als seine Stellvertreterin Frau Erna Letzte, die bisher schon qls Turnerin tätig war. Cs besteht -er Wunsch, auch ein« Männerriege zu gründen. Ortsgruppenleiter Weigel gab u. a. mit Interesse entgegengenommene Anregungen, Mchje ihm herzlich gedankt wurde. Zuletzt wurde noch die dem Verern so am Herzen liegende Turnplatz- und Turn- hLllenangelegenheit besprochen und daher der allgemeine Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß dieses Ziel bald er reicht werde. Ahyst a. T., 12. Januar. Der Bittgottesdienst kür die Prüder u. Schwestern an der Saar war außerordentlich gut besucht. Seiner zu Herzen gehenden Predigt legte Herr Pfar rer Hünther den 4. Vers des Saarliedes „Reicht euch die Hände . . und als Bibettext ein Wort aus Römer 8 zu grunde. Die Feierstunde war umrahmt von Gesängen der Gemeinde und des Gemischten Chores. Ergreifend war das Fürbitteaebet des Ortspfarrers für die Saardeutschen, die am'13. Januar, an dem sie zu ihrem deutschen Vaterland zurückkehren, ihren bedeutsamsten Tag haben, den Gott krö nen möge- - Demih-Thumih. 12. Januar. Die Deutsche Arbeit», opftrversorgung, Ortsgruppe Demitz-Thumitz, hielt am 8. Januar in Schramms Gasthof ihre Jahreshauptversamm lung ab. Der Zahlstellenleiter Kamerad H u h l e begrüßte di« zahlreich erschienenen Mitglieder und eröffnete die Der- sgMMlung. Zunächst wurde der Jahresbericht und die Mit gliederbewegung bekanntgegeben. Im Jahre 1934 konnten erfreulicherweise 64 Mitglieder neu ausgenommen werden. Kamerad Huhle brachte die Reden, die Pg. Wägner, Dres den, sowie Pg. Roth, Berlin, anläßlich des Ehrentages der deutschen Arbeitsopfer am 22. November 1934 im Ausstel- lüngspalast zu Dresden gehalten hatten, zu Gehör. Weiter gab ex noch bekannt, daß im Februar voraussichtlich eine Veranstaltung der NS.-Gemeinschaft „Kraft durch Freude" in Demitz stattfinden wird. Nach verschiedenen Auskünften schloß der Zahlstellenleiter mit einem 3fachen „Sieg Heil" auf den Führer und Reichskanzler ^8 Uhr die gut verlau fene Versammlung. Wettere Gastspiele der Dresdner Resldenzbühne. ' Schmölln, oberer Gaschos, Donnerstag, 17. Januar: Burkau, Schusters Gaschos, Freitag, 18. Januar. Zur Aufführung gelangt in beiden Orten, abends 8,15 Uhr, das Sin'glüstspiel „Bei der blonden Kachrein" und nachmittags 4 Uhr. fßr die Jugend „Rotkäppchen". Beukirch (Lausitz) und Umgegend ----- Neukirch (Lausitz), 12. Januar. Bittgottesdienst. Nachdem viele, viele Volksgenossen am Mittwoch den Wor ten des Saarbeauftrügten des Führers gelauscht, hatten, fan den sich am Donnerstagabend eine ganze Anzahl Mitglie der her Kirchgemeinde zum Bittgottesdienst für unsere Brü der an der Saar zusammen. Sie zeigten damit, daß sie mit all ihren Gedanken und mit all ihren Sinnen bei unserm Saarland weilen. In geistiger Verbundenheit und. mit einem mitfühlenden Herzen stehen sie gerade in den letzten und schwersten Tagen Seit« an Seite mit den bedrängten Brüdern. Darum fanden auch die schweren Rhythmen, die vom Chor aus über die Gemeinde schwebten und die van der Kantorei gesungen wurden, Land in Not, beson ders offene Herzen. Andächtig lauschte die Gemeinde den Ausführungen des Herrn Pfarrer Zweynert. Er stellte Worte in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen, die wir sonst bei ganz anderen Gelegenheiten hören: „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden!" Aucher betonte, daß das Saarvolk in seiner langen Gr» schichte nur verschwindend geringe Zeit vom Mutterland« getrennt gewesen sei und daß es auch in der Zeit der Der- waltung durch den Völkerbund kirchlich eng mit diesem ver bunden sei. Er bat den Höchsten, daß er untere Brüder an der Saar die unendliche Geduld der letzten 18 Jahre auch die wenigen Tage noch bewahren lassen möge. Schweigend er hob sich die Gemeinde zur Fürb tt« für unsere Brüder im Lande der Not. Stehend sang sie das Lied: „Wir treten zum Beten vor Gott, den Gerechten". Und selten sang wohl eine andächtige Gemeinde so voller Verständnis, aber auch so bittend, die Worte: Herr, mach uns frei! Diese Worte begleiteten jeden auf dem Heimwege und er gedachte dabei an den Heimweg eines Landes in.Not. — Neukirch (Lausitz), 12. Januar. Unser Kircheychor. Das alte Jahr soll nicht verklingen ohne einen besonderen Dank an den Kirchenchor unserer Kirchgemeinde. In frei willigem Dienste hat er zur Ehre des Höchsten gesungen und damit wesentlich zur Bereicherung und Vertiefung un serer Gottesdienste boigetragen. Wir freuen uns, daß so Zum 30. Todestag von Ernst Abbe. Am 14. Januar 1905 — also jetzt vor 3V fahren — starb der hervorragende deutsche Physiker Ernst Abbe, der Mitinhabex und langjährige Leiter der Carl-Zeiß-Werke in Jena. Am Aufstieg der Zeitz-Werke hätte er insbesondere durch seine Verbesserung^» mi kroskopischer und photographischer Objekte wesentlichen Anteil, Nach dem Tode von Carl Zeitz gründete er die Zeitz-Stiftung Und. über gab ihr die Werke. Diese war das erste deutsche Unternehmen, das Gewinnbeteiligung, achtstündige Arbeitszeit und soziale Fürsorge für Angestellte und Arbeiter cinsührte. vi-t« Veteranen he, Klrchengesaqa- in diesem Jahr« vom Lgndeokirchenamt und Lan-esfirchenchorvechan- «tne Ust». Zeichnung erfuhren. — Beehrt wurden mit der Anerken- nungsummde hes Landeskirchenamt, für öSjährig« Mit gliedschaft im Kirchenchor Paulin« Berthold, für 31,äh. vige Mitwirkung Olga Gottlöber.stlr 30jährigen Dienst Im musikalischem Amt Kantor Reinhold Wolf. Außerdem erholten bi« golden« Nadel des Landeskirchenchorverbandtk, Paulin« Berthold, Olga Gottlöber, Kantor Wolf, Marcha Richter, Msabech Bäkr und Gertrud Schterz. Kür 20—25jährige Mitgliedschaft enwfingen Ehrenurkunden und silberne Nadel he- Landerkkchenchorverbanbes: Ger trud Wolf, Martha Holz; chr 10-20jährige Sänger treu« dürfen dl« sMerne Nadel tragen: Bertha Garth, Holen« Thomas, Kurt Rößler, Paul Märker, Marcha Auste, Bertha Schulze, Martin Heinrich, Elht Sigismund, Erich Richter, Ekich und Marga rethe Nagel. — Im Anschluß daran wirb an all« Kirch- aemeindemibalieder, welche Lust und Liebe zur Kirchenmusik haben, die Bitte gerichtet, sich -ei Herrn Kantor W o l s zur Ausnahme in den Kirchenckor -u melden. Voraussetzung zur Aufnahme ist gutes Gehör, gute Stimm« und möKichst einig« NotenkenGnis. All« innerhalb der NSDAP., der . GS., SA., NSDFB., RSBO. und DAF. tätigen Personen sind für Proben und Aufführungen de« Kirchenchores vom Dienste zu befreien. Die Proben des Kirchenchores finden jeden Freitag, ob 8 Uhr abends, im Bereinshause statt. Neukirch (Lausitz), 12. Januar. Die Nationalsozialist^ fche Kriegsopferversorgung hielt ihre Jahreshauptversamm lung am 6. Januar iiy „Hofgericht" ab. Der Ortsgruppen- öSmann, Richard Piefchntck, eröffnete dieselbe mit einem Glückwunsch für das Jahr 1938 und erinnerte an die be vorstehende Saarabstimmung. Ehrend gedachte er der im Jahr« 1934 verstorbenen MÄglieder: Friedrich Kutsche Er- nestln« Hache und Paulin« Schramm. Der Kamerad Fried rich Sauer hat geboten, ihn vonMnem Amt als Stützpunkt leiter zu entheben. Der Ortsgruppenobmann dankt diesem bewährten Mitarbeiter und beruft als Leiter des Stütz- Punktes 3 den Kameraden Gustav Schierz. Nach einem Rückblick aus das vergangene Geschäftsjahr wurde die Ver sammlung mit einem Sieg Heil auf den Führer geschlaf en. Anschließend fand noch ein gemLWches Feierstündchen, statt. Dabei erfreuten der Gauamtsleiter, Pg. Handge, der Bezirksgeschäftsführer Boden und der Begirkskassenwart Unger die Versammlung mit ihrem Besuch. Gauamtslelter Handge dankte alle« Amtswaltern der NSKOV. für hie bisher geleistet« Arbeit in der Ortsgruppe und bat auch weiterhin nach deM Willen unseres Whrers mitzuarb?iM. Steinigtwolmsdorf, 12. Januar. Line weitere Ver leihung von Ehreukreuzen fand im Gemeindeamt statt. Der Bürgermeister, Herr Vogt, richtete M einer AnMrqche an die Ausgezeichneten schlichte Worte über den Sinn und Zweck und verlieh ihnen diese Ghvenkreuze mit d«m Wun sche, dieses noch lange bei bester Gesundheit zu tragen? -- - Steinigtwolmsdorf, 12. Januar. Der Heimatdichter Oskar Schwär kommt! Donnerstag, den 17. Januar, findet in der Aula der 3. Volksbildungsäoend statt. Es ist gelun gen, den bekannten Heimatdichter Oskar Schwär zu Serbin nen. In einem Oberlausttzsr Heimatabend wird der Dichter Ernstes und Heiteres aus unserer OberlausitzzumVortr« bringen. Der Besuch dieser Veranstaltung jst dxingeW -M ZM M. SMlM MS SllW U-ll SesWlk likMkk Wjs'Wl. Eine Würdigung Philipp Jakob Speners. .Von Vik. Älfr. S ch l e i tz i n g, Steinigtwolmsdorf. In unserer Zeit ist ein besonders eifriges Verständnis dafür aufgebrochen, große Männer unserer Geschichte der Vergessenheit zu «ntrsitzen. Ganz mit Recht achtet man aber bei solchen Ausgrabungen apf dem Grunde unserer Vergangenheit darauf, daß nicht all und jches in das historische Museum unseres Gehirns hineinkomme, da mit dieser andachtsvolle Raum nicht zum Speicher toten Geschichts gesteins werde, sondern die Funde des Spezial- und Stubengelehr- ten'werden nur zu einem kleinen Teile ins Volksbewutztsetn herein getragen, und zwar zu dein Teile, der in blutvoller Beziehung zur Gegenwart steht, das andere wird gleichfalls sorgsam gehütet, hat aber zunächst nur für den Wissenschaftler Bedeutung. Ain 13. Januar ist der 300. Geburtstag eines Mannes, dessen Wirken bis auf unsere Tage herauf Geschichte zeugte: Philipp Ja kob Spener. Eine gegenwartsbezogene Forschung ist bei ihm er tragreich. Wir haben hiereinen Mann vor uns,in dessen privatesLebcn man gern hineinschaut, dessen Werk cs aber gleichfalls verdient, daß man es wenigstens zu seinem 30V. Geburtstage im lutherischen Kirchenvolke einmal dankbar und liebevoll in die Hand nimmt. Geboren würde er als Bcamtensohn in Rappoltsweiler. Er hatte das schöne Geschick, gute Lehrer zu haben, die ihn sogar auch in seiner Privatkektiire der englischen Puritaner fördern konnten. So durfte er schon mit 16 Jahren die Universität Stratzburg be ziehen. Von dort nahm er die Freude über den Geist einer Ge meinde mit, die unter kalvinistischen Einflüssen die Mitarbeit von Laien gepflegt hatte. Bald begab er sich auf die, in damaligen höheren Schichten durchaus übliche Studienreise — peregrinativ »oääomlvn — nach Basel und Genf. In Basel war ihm stramm reformiertes Christentum, in Genf kalvinistischer Geist begegnet. Iser-Aufenthalt in Basel wurde für ihn auch darum noch bedeu tungsvoll, weil er hier Jean de Labadie kennengelcrnt IMe. So ging er geistig wohl gerüstet als junger Mensch ins geistliche Amt. lichen Einigsein mit Sott, der Verinnerlichung und Berjüngung des Glaubens gegenüberstellte. Er wollte, daß man die Formeln als gestaltendes und gärendes Leben in sich verspürte, und, da der Zeitgeist einer solchen neuen Reformation im Wege stand, versuchte er das als praktischer Christ durch den Zusammenschluß zu kleinen Gemeinschaften geförderter Christen zu eLelesiolao in isoolvsin (kleine Kirchen in der Kirche). Von innen heraus sollte neues Leben kommen. Die Gegner sahen in diesen Gemeinschaften eine Abwendung vom Landeskirchentum und ein« Bildung von Sek ten und suchten irrtümlich das Neue seiner Bewegung, weil sie eben nicht anders als „theologisch" denken konnten, in einer Dogmatik statt in seiner Frömmigkeit. Sie verkannten das Drängen des eiu- zelnen auf persönliches, erlebtes Christentum im Gegensatz zu bloßer Gewohnheitsreligion und zu äußerer Orthodoxie und Kirch lichkeit. Sie sahen nicht die Sehnsucht auf echte Gemeinschaft derer, denen es ernst ist mit Gott im Gegensatz zur damaligen bloß äußer- lichen Volks- und Staatskirche. Spener faßte aber ganz modern zweierlei Wirklichkeiten in ihrer Bedeutung klar ins Auge: Die Verantwortlichkeit des Jnhividiunis, das sich vor Gott allein selb- ständig, und selbstverantwortlich wissen muß, und die Abhängigkeit von echter Gemeinschaft, die einzig als Objekt und Subjekt «men Christen fördern kann, als Suhjekt, indem fle die Gemeinschaft er zieht, und als Objekt, indem sie'sich darreicht für christliche Opfer willigkeit. Von den vielen kleinen praktischen Vorschlägen zur Aenderung von Zeitübeln seien noch erwähnt seine Versuche, auf das zuchtlose Leben der Studenten, die noch vom 30jährigen Kriege her vettom- men waren, Einfluß zu gewinnen. Außerdem kämpfte er mit Er folg gegen die Predigtart seiner Zeit an. Die Predigt dürste nicht mehr rhetorisch und gelehrt, auch nicht mehr nur gegen Reformierte und Katholiken gerichtet sein, sondern müsse „erbaülich" — diesen Ausdruck in seiner heutigen Sinngebung hat Spener geschaffen — sein. Innerlich hiermit verbunden ist sein« Mahnung zu liebevollem, amtsbrüderlichem Verhallen bei Religionsstreittgkeiten. Auch die religiöse Erziehung der Jugend nahm er in die Hand, indem er Katechismusbesprechungen avhielt, die er dann mit einer Einseg nung krönte. Daraus entstand unsere Konfirmation. Sie leitet sich natürlich von der katholischen Firmelung ab und hatte sich in Hessen in reformierter Umgestaltung gehalten, von wo sie Spener nach Frankfurt herübernahm. Damit hat er die Konfirmation ins Lu thertum gebracht, die seither als Erneuerung des Tausbundes auf gefaßt wird. Um erfolgreichen Konfirmationsunterricht hallen zu können, veranlaßte er an den Universitäten die Gründung praktisch theologischer Seminare. Mit all den» haben wir gesehen, daß Spener eine Bewegung in der Geschichte ins Leben geritten hatte, die Bleibendes und noch Existierendes zeugte. Auch die Gründung der Inneren und Aeuße- ren Mission hat ihre Wurzeln bei Spcner^cin Johann Sebastian Bach ließ sich von der Spcnerschen Bewegung des Pietismus'be schenken, ebenso ein Händel und ein Klopstock. Auch Goethe begeg nete dem Pietismus bei seinem Verkehr mit Landadllgen, die als die „Stillen im Lande" weithin sich zu religiösen Gemeinschaften zusammengeschlossen hatten. Er fetzt Spener in einem Prolog au» dem Jahre 1811 ein schönes Denkmal. Wenn heute die Familienforschung zu hoher Ehre gekommen ist, so ist das etwas, dem Spener auch sein Augenmerk geschenkt hatte. Ueber seine Arbeiten hierüber, die er in dickleibigen Bücheri» niederlegte (genealogisch-historisches Handbuch des höchsten Adels, 1666: Vorlesung in Straßburg 1663 über Heraldik; Tdentrnm nodilitatis Luropeao, 1668—78, usw.), urteilt ein Zeitgenosse: ,L>as Suchen ist gemeiniglich in anderen Büchern vergeblich, wenn man , beim Spener nicht» gefunden hat". Sie ragen, nach dem Urteile von Fachwissenschaftlern, noch heute aus der Fachliteratur gigantisch hervor. .... Die besondere Art seiner Persönlichkeit ward bald erkannt. Man wählte ihn bereits mit 31 Jahren zum pastor priwnrius und Se- nior des geistlichen Ministeriums von Frankfurt a. M., ein Amt, das er 20 Jahre verwaltete. In diese Zeit (1576)-fruchtbaren Schaffens fällt das Werk, das ihn zum weltberühmten Manne ma chen sollte, sein Buch: „?ia äosiäeria oder herzliches Verlangen nach gottgefälliger Besserung der wahren evangelischen Kirchen". Im Jahre 1586 ward er an die höchste Stelle des damaligen Pro testantismus gerufen: Er wurde Oberhofprediger zu Dresden. Durch die Macht seiner Persönlichkeit erwarb er sich auch hier rasch eine große Anhängerschaft. Er war nie ein weltferner Theologe auf hohem Throne, sonst würde ein Bauer, der ihn nur in Chemnitz ge legentlich einer Superintendenteneinweisung gehört hatte, nicht den Mut gefunden haben, eine Beschwerde gegen seinen Pastor bei der Magnifizenz selbst anzubrlngen. Seine Volksverbundenheit hatte tiefen Grund: Die Bibel. Darum wollte et auch nicht nur Ober hofprediger sein, sondern wurde zugleich ein „Üandesbischof", ein Kollege und Seelsorger der ihm unterstellten Geistlichkeit, ein liebe voller und demütiger Mann von wahrhaft amtsbrüderlicher Gesin nung. Allerdings: beim sächsischen Hofe hatte er sich bald durch seine Beichtermahnungen unbeliebt gemacht. So erzwang man denn aus diplomatischem Wegs bald seine Versetzung nach Berlin als Propst zu St. Nicolai, wo er 1705 als der allen bekannte „Reformator des, Christenlebens" verstarb. Auch am Berliiier Hofe, am Hofe Frie drichs lll., hatte er sich nicht durchsetzen können, wohl aber aüf'den vielen Adelshöfen Deutschlands durch die stille Wirksamkeit eines geistlichen Briefschreibers. Die Zahl seiner Briefe an alle möglichen großen und kleinen Leute in der Welt geht ins Gigantische, Sein Hauptwerk ist aber natürlich das Büchlein: kin ävsiäerla. Dieses Buch, das eigentlich nur «in Vorwort zu Johann Arndt, dem protestantischen Mystiker, sein sollte, hat man mit Recht das „Pro gramm des Pietismus" genannt, also ein Programm der Bewe gung, die er selber mit diesem Buche veranlaßt hätte. Hier spricht ein stiller, bescheidener Mensch fast zaghafter Natur, der durchaus nichts hinreißend Prophetisches an sich hatte, der aber mit klarem Blick eines Kirchenmannes die damaligen Schäden sah, der im gan zen ersten Teil eine gewaltige Klage darüber erhebt, der aber im zweiten Teile praktische Vorschläge gibt. Es sind dies keine utopi- chen Forderungen aus den» Niemandsland, , sondern alles ist Wort ür Wort durchführbar. Er griff das lutherische verschüttet gewe- ene Ideal der religiösen Selbständigmachung des Christen wieder auf und wollte damit «ine Loslösung von offizieller Lehre. Frucht loses Streiten für die „reine" Lehre gegen die „irrtümliche" Mei nung Andersgläubiger war ihm ein Greuel, wenn über solchem Streiten die Werke des Glaubens vernachiässlgt wurden. Immer und immer kam cs ihm zuerst auf die Pflege und Beherzigung der Erkenntnis an, daß das Christentum nicht im Wissen, sondern in der Tat besteht. Und so prägte er das heute allen lebendige Wort: Praktisches Christentum. Dabei fühlte cr sich ganz auf den Schul tern Martin Luthers, den cr seit Jugendtagen liebevoll studiert hatte. Sein Verhältnis zu ihn» sei wie das eines Zwergs etneiN Riesen gegenüber, aber Spener wäre trotzdem der Größere, weil cr als Zwerg auf den Schultern Luthers stünde. Er will ein neues ganz »nodernes Verständnis Luthers auf der Grundlage einer psychologisch-historischen Kritik, er will begeistert einen Luther roäivivus, einen erneut für seine Zeit zuin Leben gerufenen Luther. Ihm und seiner Bewegung des „Pietismus" wurde jedoch von den Universitäten Leipzig und Wittenberg der Kampf angesagt, nur deshalb, weil ihin das praktische Christentum wichtiger war als die oft blutleeren Lehrmeinungen. Damit beleidigte er die über ihn unglaublich erregte lutherische „Rechtgläubigkeit" (Orthodoxie) und veranlaßte damit auch indirekt die Gründung der Universität Halle, die die Ströme der aus Leipzig und Wittenberg zu ihm geflohenen Studenten aussing. Seine einzige Schuld bestand ja nur darin, daß cr starre Glaubcnsformeln dem Gefühl, der Sehnsucht, dem inner-