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Schein. Böhm fühlte es und verwunderte sich. Glaubte sie denn, er wolle jedesmal umschlungen sein, wenn er sich ihr nahte, er verlange es gar, wenn es sie selbst nicht dazu treibe? Doch ließ er von seinen Gedanken nichts merken. Was die Köchin denn Gutes erfinde? fragte er scherzhaft, und Agnes ging sofort auf den Ton ein. Flitterwochen, wirklich «ine seltsame Zeit! dachte Pfar rer Böhm ost. Aber dann, als er sie bei seinem Eintreten hatte erblas sen sehen oder sie weinend getroffen hatte, beobachtete er sie doch genauer. War sie nicht blasser geworden, hatte sie nicht müde Augen, klang ihre Stimme nicht leer? Wo war das Feuer, das sie früher durchflammte? Wo ihr Blühen und Glühen? In schonender Weife forschte er, ob sie sich krank kühle. Sie verneinte es, sie sei nur ost so seltsam unruhig. Auch der Mutter fiel ihr Zustand auf und sie fragte genau wie Böhm, und sie erhielt auch dieselbe Antwort. Aber sie wußte mit dieser Antwort etwas anzusangen. Seltsam un ruhig und so — ja ja, Gott gebe es! Sie riet der Tochter, sich ja zu schonen, viel zu ruhen, viel an die Lust zu gehen, - der Pfarrgarten war ja so groß und schön — und was der guten Ratschläge mehr waren. Sie erschien jetzt öfter ^m Pastorat. So mütterlich-liebevoll zeigte sie sich, als wollte jie die natürlichen Gefühle, die sie so lange Jahre zurückge yalten hatte, aus einmal ausströmen lassen. In Agnes wehrte sich etwas dagegen, kühl nahm sie Rat und Hilfe an. Bald ertrug sie die Gegenwart der Mutter nicht mehr, und sie bot, allein bleiben zu dürfen. Da ging die „Regierungs- rätin", ein süßes Lächeln im Gesicht, samtenen Glanz im Auge, davon, um aber nach wenigen Tagen wiederzu kommen. Die Weißenstadter, als sie die Frau Pfarrer so unwohl, die ..Regierungsrätin" süß lächelnd gesehen, machten sich auch ihren Reim. Der klang besonders den Frauen gut im Ohr, daß sie mehrere Tage nicht müde wurden, ihn sich ge genseitig vorzusagen. Indessen nahm Agnes' Zustand bedenkliche Formen an: Schlaflosigkeit, Angstzustände. Böhm hotte von Anfang an gewünscht, daß sic einen Arzt zu Rate zöge. Sie wollte es fnicht, sie drohte, sich cinzuschließen, wenn er einen ins Hau rufe. Nun aber blieb er dabei, er konnte müßiges Zusehen nicht länger verantworten: er wollte mit ihr zum Arzt. Sie sah seinen festen Willen und geriet in große Not. Es gab keinen Ausweg für sie: sic mußte bekennen. Aber da fühlte sie bei dem Gedanken schon die seelische Befreiung voraus, die ihr ein offenes Geständnis bringen würde. Als ihr Mann sie bat, daß sie sich zurechtmachen möge für den Gang zum Arzt, sah sie ihm gerade in die Augen und be kannte, was sie guälte. Er hörte es, ohne ein Zeichen der Ueberraschung, ruhig an und fragte in schonsamer Weise, ob ihr hctfiges Erschrek- kcn in der Hochzeitsnacht auch schon damit zusammengehan- gen habe. „Ja. Die Stube, die unser Schlafzimmer ist, war Net- tingers Speisezimmer. Da habe ich Abschied genommen von ihm. In der Nacht, als er die Kirchenvorstände zu sich ge laden hatte. Du hast meine Mutter in ihrer häßlichen Feindschaft gegen Nettinger nicht kennen gelernt. Gott sei Dank nicht! Ich konnte nicht anders, ich mußte nachts aus dem Hause schleichen und Nettingern sagen, daß er meiner Mutier nicht mehr zu nahe käme; denn er wollte vor seinem Weggang zu uns kommen. Frau Grund ließ mich ein, uno in der Küche wartete ich, bis die Gäste gegangen waren. Aber wir hatten daun nur einpaar Augenblicke Zeit; denn meine Mutter hatte entdeckt daß ich verschwunden war, und holte mich zurück. Es war alles so häßlich. Wie gern möchte ich alles vergessen! Hilf mir, Erwin!" Da war Böhm seinem Weibe dankbar und er wollte als Kampfgenosse zu ihm stehen. „Sich doch, Agnes, dies alles ist ja vorbei. Nettinger Hot nichts mehr unternommen, um deine Mutter umzustimmen. Hat wohl auch den Weg zu dir nicht mehr gefunden." „Er Hot es versucht. Aber meine Mutter sing seine Briese ab —" „Mein Kind," unterbrach Böhm sie und nahm einen feste», strengen Ton an, „er hätte andere Wege zu dir fin den müssen. Jawohl! Warum kam er nicht selbst? Wa rum solltest du, wenn er dir entzogen »vor, dieselben Gefühle nicht einem anderen entgegenbringen?," — Do faßte sie feine Hände urid weinte. „Ich dürft» nicht!" stieß sic hervor. Er horchte aus. „Du durftest nicht?" „Ich wollte auf ihn warten. Das gelobte ich ihm. Und das, siehst du, das ist wie ein Gespenst das Wort, da» ich ihm gegeben habe. Es erschien damals, im Fenster da drüben, und es taucht immer wieder aus und belästigt mich. Der- zcih mir's, Erwin!" „Was sollte ick verzcihen! Komm, nun bist du es los! Gespenster zu verscheuchen, gibt's nur ein Mittel: Licht. Nun ist es licht bei uns. Du sollst nur noch eins tun." Sic sah »hn fragend an. - (Fortsetzung folgt.) . , Faftnachtsrummel in unserer engeren Heimat vor ungefähr 5V Jahren. Fastnacht und Prinz Karneval gehören unbedingt zu sammen. Maskenbälle und Umzüge halten wochenlang das Volk in» Banne und Prinz Karneval, dessen Genialität all jährlich in immer berückender Aufmachung neuen Mummen schanz und Maskenlrubel ersinnt, überbietet alles bisher da» gewesene, nm die Vergnügungssucht des Volkes zu stillen. Aber nicht nur in den Städten, wo die Massen zu buntem Durcheinander hingerissen werden, nein, auch a^ dem fla chen Lande treibk dieser Faschingsprinz sein Unwesen. C» wird nicht uninteressant sein, zu hören, wie vor ungefähr SV Jahren die Landbewohner unserer engeren Heimat Fastnacht feierten. Die Spinn- oder Rockstubc, die damals noch bestand, »vor für die Dorfjugend ein Zauberwort. Zur Winterszeit versammelten sich hier allabendlich die Mädchen mit ihren Spinnrocken und wenn draußen der eisige Wintersturin tob te, sahen drinnen die Schönen uin den geräumigen Ofen, in dem ein lustiges Feuer prasselte. Bei Scherz und Gesang wurde der Flachs zu seinem Garn gesponnen und je heite rer die Stimmung, desto ausgelassener schnurrten die Räd chen. Am Freitag vor Fastnacht nun, zogen die Burschen des Dorfes hin zur Rockenstube, bewaffnet mit einer Ztehhanno- nika und eine»» guten Tropfen, um die Fastnacht anzutrin- ken. So erzählen die alten vergilbten Schriften. Hei, ging das luftig her. Die Rädchen verstummten, der Rocken stand still. In heiterster Laune hielt der Jugendälteste eine An sprache, die des Mutterwitzes wohl nicht entbehrte, an das schöne Geschlecht und lud es dann zur Fastnacht ein. Die Buttel mit dem „Gut Gemischten" ginr im Kreise herum, und bald glich die Rockstube einem Tanzsaal, denn die Paare drehten sich lustig „ach den Klängen der Ziehharmonika auf der Diele. Am folgenden Sonntag und Dienstag war nun dkb eigentliche Fastnacht. Sonntag, eine Stunde vor Beginn des Tanzes, versammelte sich die Jugend, Burschen und Mädels, im Gasthofe, und bei Bier und Branntwein, Musik und Gesang wurde die Fastnachtsstinnnung vorbereitet. Nach ungefähr einer Stunde erklangen die ersten Walzerwelsen durch den ,Saal, das Zeichen zu fröhlichem Tanze Inzwi schen hatten sich die Mütter der Mädchen eingesundcn, die mit Pfannkuchen bepackt am Rande des Saales Platz nah men und an dem lustigen Treiben IMstc Freude hatten. Beim Tanz bekamen die Burschen ab und zu von ihren Tän zerinnen einen Pfannkuchen; wer sein Liebchen dabei hatte, wohl auch mal zwei. Gegen sieben Uhr ist Essenspause. Die Mütter eilen voraus, um das Mahl zu richten; die Mädels nehmen ihre Burschen an den Arni und führen sie zur vtckl- l>csetzten Fastnachtstafel. Punkt ochr Uhr geht der Rummel wieder los. Die Mütter wieder nut Pfannkuchen in frischer Auslage, und durch Bier und Wein und Schnaps wird die Fastnachtsstimmung hoch gehalten. Frühmorgens, wenn die Hähne kräh'», istSchluß des Tanzes, aber noch nicht dcrFast- nacht. Kurz ist die Nacht; schwer der Kopf und trotzdem sind die Burschen bereits um 9 Uhr wieder in der Scheune. Dies mal völlig in Karnevalsuniform. Verkleidet und geputzt gchts >»un durchs Dorf und bc! den Tänzerinnen wird an geklopft. Der Besuch empfängt aus der Hand der Bäuerin ein Geschenk. Entweder Eier, Speck, Schinken, Wurst oder Fleisch Immer voller werden tzje Körbe, jn denen Ue Seh