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s« >nwffen/m Postoral ein gemeinsames Mahl, fröh liche «U allerlei Erinnerungen an das Fest und an die Reise. Am Abend verließ Erwins Mutter Weihenstädt. Auch Frau Hallweg kehrte in ihr stilles Haus in der Schießgasse «rück Und nun waren Pfarrer Böhm und fein junges Leib erst richtig allein und daheim. Heut erschrak Agnes nicht, wie sie durch die Schlafstube Ang. Aber die Erinnerung an die Hochzeitsnacht war da «md rief jene gefährlichen, füß-wehen Bilder wieder wach. Me rickstet« sich wie zur Abwehr gegen einen Bedränger «k, und ihre Waffen waren fröhliches Schalten im Hause uns Hingabe an die Zärtlichkeiten des Mannes. Als Erwin auf dem Lager sich ihr nässte, entschädigte sie ihn für die erste Nacht. Und der Schlaf nahte sich ihr bald als Freund. Der Morgen war schön. Der Tag wurde hell und froh. Nacht. Und der Der Morgen war schön. Der Tag wurde hell und froh. Beide fanden nun ihre Pflichten, beredeten, wie sie dies und das halten wollten, erledigten es, jedes für sich und doch ge meinsam. Alles taten sie gemeinsam, in allem waren sie einig. Dann saßen sie zusammen am Tisch, und das war kkwn so neu, daß sie lachen mußten. Dann wieder taten sw ganz ernsthaft; denn sie trugen doch als Eheleute eine neue, hohe Würde, und die Hauswirtschaft war auch kein Ninderftstel: man mußte alles ernst und nüchtern ansehen und der Reihe nach besprechen. Die Butterfrau war zu be stellen, der Fleischer zu wählen, die Grünzeugsrau und die von der Mutter gedungene Aufwartefrau kamen, der Koh lenfuhrmann bekam Auftrag für Holz und Kohle. Wie wichtig war dies alles für sie und ihn! Und endlich war es wieder Sonntag. Die erste Pre digt! Sein junges Weib und die Schwiegermutter sahen unten in der vordersten Bank. Wie mußte er männlich, fest sprechen, damit die Gemeinde nicht glaubte, die Ehe nähme ihm Kraft und Lieb« für s Amt! Zu Hause sagte Agnes, sie sei stolz aus ihren Mann. Richt im Scherz! O nein! Man las es ihr doch auch aus Haltung und Miene ab. Wie sie sich von den anderen Kirch gängern grüßen ließ, und wie sie dankte! Ja, sie war stolz auf ihren Mann! „Frau Pastor Böhm," das hörte sie gern, das tat ihr wohl. Gern möchte sie mit ihm Spaziergänge machen, sie durste sich sehen lassen! Run, es kamen die Visiten Zuerst suhren sie zum Su perintendenten. Sie trug ein türkisblaues Seidenkleid mit Federhut. Ihre Augen redeten von Glück und Stolz. Sie schritten Arm in Arm. Durch die Fenster sah man ihnen nach, vom anderen Fußsteig aus wurden sie ehrerbietig ge grüßt und dann bestaunt. Eine alte Frau sagte hinter ihnen: „So eine hübsche Frau gibt sie ab!" Das hotte Agnes ge nau verstanden. Ob es ihr Mann auch gehört hatte? Sie forschte still in seinem Gesicht. Und nun der Herr Superintendent! Er war hocher freut über ihren Besuch. „Kindersch, wie beneid' ich euch!" rref er. „Ihr seid so jung und so voller Hofsnungen. Mögen sich recht viele von ihnen erfüllen! Und dir, mein lieber Freund und Amtsbruder, auch einen guten Amtsweg! Ver stehst du? Du bist ein tüchtiger Psarrer — nein, nein, es find keine "Schmeicheleien, habe ich längst heraus — und hast mancherlei Aussichten!" So sagte der Superintendent, der Mann, vor dem Agnes als Mädchen schüchtern geknickst hatte bei der Kir- chenreoisivn. Freund harre er ihren Mann genannt. Und die Aussichten, was konnte es weiter heißen? Pastor Pri marius, Superintendent oder ein anderes hohes, würdiges Amt. Und sie dann Frau Superintendent! Man denke! Jo, sie war stolz aus ihren Monn! Und sie berauschte sich an diesem Stolze. Es ward ihr nicht bewußt, warum sie es tat. Sie fühlte nur dunkel, daß solcher Rausch notwendig war. Dabei beherrschte sie sich aber, daß sie gegen ihren Mann nicht einen solchen eitlen Gedanken verriet. Dann gingen sie zum Bürgermeister, zu Kaufmann Stilte, zum Kantor Klauen, zum Arzte und noch manchem anderen Und danach sahen sie alle im Pastorat. Rur den Superintendenten nicht, der hatte gemeint: „Den offiziellen Gegenbesuch schenkt ihr mir doch? Jchr wißt ja, daß ich allein kommen müßte; denn ,neine.Frau haben sie noch immer in Awßschweidnitz behalten Solchen Besuch macht der Mann allein nicht gern. Und den alten Süß könnt ihr schon bei Gelegenheit mal wieder bei euch haben!" Die Frauen ließen deutlich ihr Erstaunen über die Aus- llattuna erkennen. Böhms bestanden mit „Sehr gut." Herta Klaoen. die mit ihren Eltern kam, jubelte: „Ei. wie prächtig ikr's babt!" Ihr und ihrer Mutter zeigte Agne« ihre WSschefchatze, die sie durch die anderen Besucher leideU nickt bewundern lasten konnte. Zwar hätte jede Weitzen städterin gern den Inhalt der Schränke und Truhen ge mustert, Neugier und Verständnis dafür war bei allen vor handen, doch hatte Böhm Agnes zu verstehen gegeben, daß sie nicht allen Schwächen der Meinstädterinnen huldigen möge. Wer Klavens standen ihr am nächsten. Auf einmal fiel es Herta ein: „Run. dies hier — dies war doch Nettingers Speisezimmer. Wenigstens habe ich^ als ich für Papa manchmal etwas auszurichten hatte, hier Hochwürden speisen sehen. Ihr habt die Räume gewech selt, ist auch besser so. Ja, Nettinger hatte da drüben ein paar Zimmer leer." Agnes öffnete ein anderes Schubfach, und Frau Kla- ven stimmte sofort neue Lobreden über Leinenwäiche und Spitzenzeug an, bedeutete dabei Herta.durch Kopfschütteln, daß die Erwähnung Nettingers ungehörig war. Hertas Miene fragte: was habe ich denn verbrochen, was meinst du? Denn sie verstand nicht, daß es für Agnes peinlich sein könnte, an Nettinger erinnert zu werden. Die Episode ge hörte der Vergangenheit an! Man konnte heute kühl oder scherzhaft von ihr sprechen. Warum nicht? Bei der Tasse Kaffee gedachte die Frau Kantor der früheren Haushälterin des Pastorats. Die gute Frau Grund, daß man gar nichts mehr von ihr hörte! Zu selt sam! Sie war doch früher immer so heiter gewesen. Frau Böhm sagte wenig dazu: sie bedauerte die Erkankung und den Weggang der trefflichen Alten und hoffte, daß es besser mit ihr geworden sei. Das fiel Frau Klaven aus, und da erkannte sie: es war ihr dasselbe passiert wie vorhin ihrer Tochter. Auch die Geschichte von der Frau Grund hätte sie nicht berühren sollen. „Na ja, sie ist eben auch schon weit in den Sechzigern gewesen. — Nun, sie haben Frau Kell- mann zur Aufwartung und Waschfrau? Die ist sicher auch brav und tüchtig. Ihre Töchter haben jetzt eine Plätterei aufgemacht." Damit führte Frau Kantor die Rede schnell auf ein anderes Gleis. Von diesem Tage ab war Agnes wieder unruhig. Nachts wurde sie von Träumen l)eimgejucht. Ost erschrak sie, wenn sie sich allein in Küche oder Schlafstube befand be sonders in der Dunkelheit. Die Vergangenheit war wieder lebendig geworden und verfolgte sie wie em Dämon. Sie konnte sich nicht vor ihm retten, aus welche Art sie es auch versuchte. Immer: Karl, Karl! So flüsterten alle Wände. Immer seine große Gestalt, die in dämmerigen Winkeln vor sie hintrat. Große, traurige Augen. Tiefe, aber vor Schmerz zitternde Stimme: „Wolltest du nicht mein sein, Agnes?" Sie hatte sich abgewandt von diesem Geiste, mit dem Fuß ausgestampst: „Was kannst du meinen Frieden, mein Glück zerstören? In diesem Hause host du nichts zu schas sen!" Dann war sic zu ihrem Manne gegangen, hatte sich ihm um den Hals geworfen und ihn mit süßen Kosenamen überschüttet, daß Böhm hinterher den Kopf geschüttelt hatte: merkwürdig, wie plötzlich der sinnliche Rausch über sie kommt! Dann aber gereute es sie wieder, daß sie den Geist wie einen Feind hinausgestoßen hatte, und empfand Mitleid mir ihm. Er hatte hier nichts zu schaffen? Wie? Hatte er nicht noch ihr Wort? Hatte er nicht also noch sein Recht? Sic stampfte nicht mehr mit dem Fuß aus, sie zürnte ihm nicht mehr, sie duldete ihn. Wenn sie am Herd ihre Arbeit ver richtete, stand er ost lange neben ihr. Sie redete nicht zu ihm, sie mußte ihn aber immer und immer wieder ansehen. Wie er litt! Seine guten, treuen Augen lächelten so mild und doch so weh. Und einmal, als sie ihn wicdler so still leiden sah und das Mitleid und die Reue in ihrer Seele brannten, sank sie vor ihm nieder mit Händeringen und Schluchzen. Sie wollte ihn um Verzeihung bitten. Bei dem ersten Worte, das sie stammelte, erschrak sie und erwachte: sie kniete vor dein Herde. Da erhob sie sich, fuhr sich mit der Hand über die Augen versuchte, über sich selbst zu lachen. In dem Augen blick hörte sie Schritte: ihr Manu kam die Treppe herauf. Das Blut schoß ihr zu Kopse. Was hatte sie getan? Sie fühlte cs, sie war in Gefahr gewesen, gegen ihren Mann zu fündigen. Jetzt trat er ein. Ehe er noch ein Wort gesprochen, um armte sie ihn-lauge. Es war aber kein Feuer, nm kalter