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A APOLEOX I. und seine Zeit JJlE große Empörungswelle, die in Frankreich die Ge walten des Ancien Regime, des überlebten König tums, weggeschwemmt hatte, war verebbt und hatte einen Mann emporgehoben, der, von Erfolg zu Erfolg geführt, seine Ziele immer weiter steckte und sich die Erde untertan zu machen beabsichtigte. Hatte die Revolution viele Opfer verlangt, so sollten die großartigen Kriegsunter nehmungen des neuen kaiserlichen Frankreich die Nation der Verblutung nahebringen. Wie Napoleon das Schicksal seines Landes in seine kleine, aber gewaltige Hand nahm, so griff sie auch, hier ordnend, da zerstörend in die Geschicke der Nachbarstaaten ein. Jahrelang lastete die Faust schwer auf den Ländern, besonders auf Deutschland. Aber der harte Druck weckte Kräfte, die die Ketten sprengen sollten. Von dem ewigen Aufruhrherd Korsika bis zur Felseninsel St. Helena läuft die Lebensbahn des großen Napoleon I. (1769—1821) in glorreichem Anstieg und jähem Sturz, ge trieben von dem stärksten Machtwillen, den die Neuzeit kennt. Innerhalb von 20 Jahren durcheilt Napoleon alle Stufen der Militärlaufbahn vom Schüler der Kriegsschule bis zum ersten Konsul der Republik. Schon liegt der siegreiche Italienfeldzug hinter ihm, schon haben verschiedene Staats streiche seinen Weg geebnet, tief in die märchenhafte Welt des Orients ist er vorgedrungen und steht nun, der höchste Be amte der Republik, als Alleinherrscher da, in einer Stellung, die 1804 durch die Wahl zum erblichen Kaiser der Franzosen zur Diktatur gesteigert wird. Nun folgt eine Periode der Unterwerfung der europäischen Länder, die an Vorgänge in der Antike erinnert: Spanien, Österreich, Preußen, ja Rußland beugen sich seinem Willen, allein das Inselreich England, von Pitts Energie vorwärtsgetrieben, entzieht sich seinem Macht gebot. Dies ist der Wendepunkt in Napoleons Geschick; der unerträgliche Imperialismus eint die zusammengebrochenen Napoleon I., Kaiser von Frankreich (178p—1821) Nach einer Miniatur von Jean-Baptiste Isahey Staaten zu einer gemeinsamen Kraftanstrengung, die aber erst 1813 in der Völkerschlacht von Leipzig von greifbarem Erfolg gekrönt ist. Auf der Insel Elba schmiedet Napoleon neue Pläne zur Rückgewinnung der Macht. Die „100 Tage“ sehen ihn noch einmal an der Spitze Frankreichs, vom Volk als mythischer Held bejubelt, aber die Zahl der Gegner ist zu Josephine Beauharnais, Kaiserin von Frankreich (1761—1814) Nach einer Miniatur von Jean-Baptiste Isabey groß. Bei Waterloo, am 18. Juni 1815, vollzieht sich Na poleons tragisches Schicksal. Noch hoffte er durch das Be treten englischen Schiffsbodens dem Schlimmsten zu entgehen, aber die Völker Europas dachten nicht mehr daran, diesen Machtmenschen unter sich zu dulden. Sechs Jahre später stirbt er in seinem Exil auf St. Helena mitten im Atlantischen Ozean. Napoleon vermählte sich 1796 als General der französischen Republik mit Josephine Beauharnais (1763—1814), einer Kreolin aus Martinique (Westindien), die 1779 den General Alexander Vicomte de Beauharnais (1760 bis 1794) geheiratet hatte. Dieser General hatte den nord amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und dann die fran zösische Revolution mitgemacht, wurde aber wegen der eiligen Räumung von Mainz 1794 guillotiniert. Josephine nahm es in der zweiten Ehe anfangs mit der ehelichen Treue nicht genau, aber der junge Napoleon verzieh ihr, er verzieh ihr auch die großen Schulden, die sie später als Kaiserin, zu der er sie eigenhändig 1804 krönte, immer wieder machte. Sie liebte sehr den äußeren Glanz, der ihr als der Kaiserin zukam, und pflegte sich mit nichts anderem als mit ihrer Toilette zu beschäftigen. Als sie dem Kaiser keinen Thron erben gab, ließ er sich 1809 von ihr scheiden.