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’hren Besitzer gewechselt. Bei den großen Kunstversteigerungen fehlt dieser Kunstzweig selten, häufig werden hohe Preise, die in die Tau sende gehen, dafür erzielt. So erreichte 1899 in einer Pariser Versteigerung eine Miniatur des schwedischen Malers Hall den Betrag von 60 000 Franken, 1904 ein Damenporträt von Holbein 2770 engl. Pfund ( — 77 000 Mark). Während sich Sammler und Kunstliebhaber gerne mit diesem Sonder gebiet der Malerei beschäftigten, hat die Kunstwissenschaft diesen Zweig etwas vernachlässigt, obgleich sich ihm seit der Renaissance bedeutende Maler gewidmet haben. In Deutschland ist das Interesse dafür erst im 18. Jahrhundert erwacht, doch hatte bereits im 16. Jahr hundert Lukas Cranach d. A. eine Anzahl charaktervoller Klein bildnisse gemalt. In der Zwischenzeit war in den von Kriegen durch tobten deutschen Ländern kein Raum für diese Luxuskunst. Erst mit Chodowiecki (1726—1801) beginnt die stolze Reihe deutscher Miniaturisten, deren glänzendste Vertreter Füger (1771—1818) und Daffinger (1790—1849) sind. Auch in Frankreich ist das 17. Jahrhundert, nach dem großartigen Auftakt von Jean Clouet im 16. Jahrhundert, nicht besonders ergiebig, aber hier wird die Lücke doch durch einen bedeutenden Künstler, den französischen Schweizer Jean Petitot (1607—1691), ausgefüllt, der am Hofe Ludwigs XIV. ebenso beliebt war wie beim englischen König Karl I. Er hat vor allem in seinen Emailbildnissen bewunderungswürdige Kunstwerke der Kleinmalerei geschaffen. Von der Venezianerin Rosalba Carriera und besonders von dem Schweden Peter Adolph Hall (1799—179}) erhält die französische Porträt-Kunst des Rokoko starke Anre gungen, die hier eine hohe Blüte der Miniaturmalerei heraufführen und in Jean-Baptiste Augustin (1779—1892) und Jean-Baptiste Isabey (1767—1877) ihre höchste Vollendung finden. Das klas sische Land der Miniaturmalerei aber ist England, wo die Tradition nicht abreißt. Ein Deutsch-Schweizer, Hans Holbein d. J., ist ihr Begründer, sein Schüler ist Nicholas Hilliard (1747—1619), der Miniaturist der Königin Elisabeth, während dessen Schüler Isaak Oliver (1776—1617) ebenso wie sein Sohn Peter Oliver (1601 bis 1647) schon für die Stuarts tätig sind. Der gefeierte Miniaturist der Cromwellzeit wird Samuel Cooper (1609—1672). Mit Bemard Lens (1682—1740) beginnt eine neue Epoche, denn er benutzt Z um erstenmal das Elfenbein als Malfläche, das seitdem wegen der durch scheinenden Zartheit seines Tones überall bevorzugt und von Richard Cosway (1742—1821) und seiner Gattin Maria mit höchster Meisterschaft verwendet wird. Eine Fülle bedeutender Künstler ist im Ausgange des 18. Jahrhunderts in England in ähnlicher Weise tätig. Die englische Porträtauffassung verbreitet sich über die ganze Erde und findet überall, besonders auch in Skandinavien, zahlreiche Nachahmer, bis schließlich die billigeren Bildniswiedergaben der Silhouette und der Lithographie und um die Mitte des 19. Jahrhun derts die Photographie das Interesse an dieser schönen Luxuskunst Zum Schwinden bringt. Die Malerei der Miniatur-Porträts ist in allen Ländern ein getreues Spiegelbild der Zeitgeschichte. In stürmischen, kriegerischen Zeiten erlischt das Interesse daran, das zpigt in Deutschland die Epoche des Dreißigjährigen Krieges, aus der nicht viele Exemplare dieser Kleinkunstwerke bekanntgeworden sind. Reichlich aber ist ihre Zahl in Zeiten, wo sich das höfische und gesellige Leben frei entfalten kann, wo ein Behagen am Dasein und frohen Lebensgenuß und die Freude an Schönheit und Luxus sich auswirken. So ist auch unser Album ein Spiegelbild der vier Jahrhunderte von der Mitte des 17. bis z ur Mitte des 19. Jahrhunderts, und nicht nur ein Spiegel der Zeitge schichte, sondern auch des geistigen und künstlerischen Lebens, ein Bild der Entwicklung der Trachten, der Mode und der Sitten.